Cannabis-Legalisierung als Wahlkampfthema
Das Wichtigste in Kürze:
- FDP, Linke, SPD und Grüne setzen sich für eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Cannabis ein.
- Die Parteien sind sich einig, dass eine Legalisierung auch dem Jugendschutz zugutekommen würde
- "Ich glaube, dass sich die Cannabis-Legalisierung zu einem Wahlkampfthema entwickelt“, sagt der Politikwissenschaftler Maximilian Wieczoreck
Der Antrag, den die FDP-Fraktion in den Bundestag eingebracht hat, beginnt mit einem vernichtenden Urteil: "Die Repressionspolitik der großen Koalition in Bezug auf Cannabis als Genussmittel ist in Deutschland gescheitert", heißt gleich der erste Satz.
Deshalb fordert die FDP die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken ermöglicht.
FDP fordert Steuern auf Cannabis
In neun Punkten schildert die Partei, wie sie sich die neue Cannabis-Politik vorstellt, so zum Beispiel:
- Erwachsene sollen Cannabis in Apotheken und lizenzierten Geschäften kaufen dürfen .
- Bis zu 15 Gramm soll eine Person besitzen dürfen.
- Cannabis soll besteuert werden.
Mit zehn Euro pro 100 mg enthaltenem THC sollen Einnahmen von einer Milliarde Euro pro Jahr generiert werden. "Diese Einnahmen entfielen dann für das organisierte Verbrechen", schreibt der Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik, Wieland Schinnenburg, in dem Antrag. Die Einnahmen sollen dann für Präventionsmaßnahmen genutzt werden.
Cannabis-Lobby kritisiert FDP-Antrag
Die Lobbyorganisation der Legalisierungsbewegung begrüßt zwar, dass sich auch die FDP mit "konkreten Detailvorschlägen" an der Debatte beteiligt. Sie sieht den Antrag der Partei allerdings kritisch - vor allem die Koppelung der Steuer an die THC-Menge.
"Pro 100 mg THC soll eine Steuer von 10 Euro anfallen, was den Preis bei THC-reichen Sorten auf über 20 Euro pro Gramm treiben würde", teilt der Deutsche Hanfverband mit.
So lässt sich der preislich günstigere Schwarzmarkt sicherlich nicht austrocknen.
Der Hanfverband hält eine Steuer von 2,60 Euro pro Gramm - unabhängig vom THC-Gehalt - für effektiver.

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Kommt die politische Wende?
Nicht nur die FDP kritisiert die aktuelle Politik. Auch Linke, SPD und Grüne wollen Cannabis Entkriminalisieren oder Legalisieren und haben das sogar in den vorläufigen Wahlprogrammen für die Bundestagswahl festgehalten.
"Ich glaube, dass sich die Cannabis-Legalisierung zu einem Wahlkampfthema entwickeln wird", sagt Maximilian Wieczoreck, der in Münster zum Einfluss von Parteien auf die Drogenpolitik in Europa promoviert.
Schätzungen des Instituts für Therapieforschung zu Folge konsumieren rund vier Millionen Deutsche Cannabis als regelmäßiges Genussmittel – Tendenz steigend. Cannabis-Konsum ist kein Phänomen, was allein in jüngeren, sondern auch älteren Altersgruppen vorkommt. "Mit dem Thema kann man also viele Wählerinnen und Wähler erreichen", glaubt Wieczoreck.
SPD
Eigentlich war das vorläufige SPD-Wahlprogramm schon verabschiedet - ohne Ausführungen zur Cannabis-Politik. In einer überarbeiteten Version findet sich nun doch eine Passage, in der sich für eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene ausgesprochen wird. Allerdings soll das erst mal in Modellprojekten erprobt werden. Der Besitz von kleineren Mengen soll nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Bündnis 90/Die Grünen
Mit einem Cannabiskontrollgesetz möchte die Partei das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Cannabis soll in Fachgeschäften kontrolliert abgegeben werden, um Gesundheits- und Jugendschutz zu verbessern. Es sollen Regeln für den Anbau, Besitz, Handel und Konsum von Cannabis geschaffen werden.
Die Linke
Die Partei will für Cannabis eine legale und voranging nicht kommerzielle Bezugsmöglichkeit schaffen und den Besitz sowie Anbau zum eigenen Bedarf erlauben. In ihrem vorläufigen Wahlprogramm geben sie an, das Bundesbetäubungmittelrecht so ändern zu wollen, dass Bundesländer eigenständig über wissenschaftliche Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis entscheiden können.
Stand: 05.04.2021; Wahlprogramme der anderen Parteien noch nicht veröffentlicht
Cannabis-Legalisierung zum Schutz von Jugendlichen
Doch vor allem die Union beharrt auf dem Cannabis-Verbot. Die CSU-Politikerin Daniela Ludwig warnt als Drogenbeauftragte der Bundesregierung immer wieder vor gesundheitlichen Risiken und möglichen Langzeitfolgen - vor allem für Jugendliche. Auch die AfD ist für ein Cannabis-Verbot.
Gefahren für Jugendliche sehen auch die anderen Parteien, deshalb soll in ihren Vorschlägen der Verkauf an Minderjährige verboten und dieses Verbot effektiv kontrolliert werden. Expert*innen sind der Meinung, dass eine Legalisierung Jugendliche sogar schützen könnte.
"Da ich mir Cannabis auf dem Schwarzmarkt kaufen muss, weiß ich nicht unbedingt, was da drin ist. Ein staatlich regulierter Markt könnte die Qualität gewährleisten", erklärt Wieczoreck.
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Weltweit wird Cannabis legalisiert
Und auch die weltweite Entwicklung setzt die deutsche Verbotspolitik unter Druck. Von Uruguay über die USA bis nach Luxembourg - in vielen Teilen der Welt wird Cannabis legalisiert. Dem gegenüber steht Deutschland mit immer noch relativ hohen Strafen.
[New York hat Kiffen erlaubt um strukturellem Rassismus entgegen zu wirken.]
Ist eine Cannabis-Legalisierung auch hier gesellschaftsfähig geworden? Aussagekräftige, unabhängige Studien dazu fehlen. Doch der Politikwissenschaftler stellt eine Veränderung fest, die sich an der Freigabe von medizinischem Cannabis im Jahr 2017 aufzeigen lässt.
Cannabis gilt nicht mehr nur als gefährliche Freizeitdroge, sondern der medizinische Nutzen tritt in den Vordergrund.
In der Debatte stünden nun weniger moralische Überzeugungen, sondern mehr rationale Aspekte im Vordergrund. Politologe Wieczoreck hält es für wahrscheinlich, dass je nach Wahlergebnis die Cannabispolitik reformiert werden wird.
Der Autorin auf Twitter folgen: @JohannaSagt
Hilfe und Beratungsstellen
- Wenn Sie unter Druck stehen und nicht mehr weiter wissen, bietet die Telefonseelsorge direkte Hilfe und Beratung. Dort können Sie rund um die Uhr anrufen und ihre Gedanken anonym mit jemandem teilen: 0800-1110111.
- Sie haben ein Suchtproblem und suchen Hilfe oder machen sich Sorgen um Freunde und Verwandte? Bei den folgenden Beratungsangeboten finden Sie Unterstützung: Die Caritas bietet eine kostenlose und anonyme Online-Beratung.
- Suchtberatungsstellen in ihrer Nähe finden Sie auch über die Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
- Spezifische Informationen zum Thema Sucht am Arbeitsplatz bietet die “Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.”.
- Die Deutsche Rentenversicherung bietet eine Broschüre mit Informationen zur Entwöhnungsbehandlung an.