: Behörden: Alle Zivilisten aus Stahlwerk raus
07.05.2022 | 23:18 Uhr
Wohl alle Zivilisten aus Stahlwerk in Mariupol evakuiert, Raketenangriffe auf Odessa, Moskau soll Abspaltung der Region Cherson vorbereiten. Tag 73 im Krieg im Überblick.Das Wichtigste in Kürze
- Kiew: Alle Frauen, Kinder und Ältere aus Stahlwerk in Mariupol evakuiert
- Russische Raketen auf Odessa abgefeuert
- Russland arbeitet an Abspaltung der Region Cherson
Anmerkung der Redaktion
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Das war Tag 73 im Ukraine-Krieg:
- Aus dem seit Wochen belagerten Stahlwerk Azovstal in Mariupol sollen alle Frauen, Kinder und Ältere evakuiert worden sein; das melden ukrainische Behörden. Laut dem Kommandeur des Donezker Regiments "Wostok" ("Osten"), Alexander Chodakowski, ist es bei der Evakuierung am Samstag zum ersten Mal seit der Belagerung zu einem direkten Treffen von Unterhändlern gekommen. "Eine Gruppe des Gegners kam mit weißer Flagge auf die Straße, die zur Brücke führt, auf der wir die evakuierten Zivilisten aus Azovstal empfangen haben", schrieb der 49-Jährige auf seinem Telegram-Kanal.
- Wegen befürchteter Luftangriffe zum russischen Tag des Sieges am 9. Mai hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bürger seines Landes zu besonderer Disziplin aufgerufen. "Ich bitte alle unsere Bürger - und gerade in diesen Tagen -, den Luftalarm nicht zu ignorieren", sagte der Staatschef am Freitag. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sollten strikt den Anordnungen der Behörden folgen und sich an örtliche Ausgangssperren halten.
- US-Präsident Joe Biden hat am Freitag ein neues Waffenpaket im Wert von 150 Millionen Dollar für die Ukraine unterzeichnet, mit dem zusätzliche Artilleriemunition, Radar und andere Ausrüstungsgegenstände bereitgestellt werden.
Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?
Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.
Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.
Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?
Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.
Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?
Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.
Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.
Die Situation in den ukrainischen Städten:
- Auf die südukrainische Hafenstadt Odessa sind ukrainischen Angaben zufolge mindestens vier russische Raketen abgefeuert worden. Örtliche Medien zeigten am Samstag dicke schwarze Rauchwolken über dem Stadtgebiet. Berichten zufolge soll ein Militärflugplatz getroffen worden sein. Die Behörden machten zunächst keine Angaben zu möglichen Opfern. Von russischer Seite gab es am Nachmittag keine Bestätigung.
- Die Ukraine arbeitet nach Worten von Wolodymyr Selenskyj an einer diplomatischen Lösung, um die Kämpfer zu retten, die im belagerten Azov-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol ausharren. Einflussreiche Vermittler und Staaten seien in die Bemühungen involviert, sagt Selenskyj. Details nannte er nicht.
- Die russische Besatzung im Süden der Ukraine unternimmt Schritte zu einer Abspaltung des Gebietes Cherson. Einwohner von Cherson sollten das Recht auf russische Pässe bekommen, sagte ein moskautreuer Regionalpolitiker. "Wir werden uns maximal in den Aufbau der Russischen Föderation integrieren", kündigte Kirill Stremoussow, stellvertretender Leiter der militärisch-zivilen Gebietsverwaltung von Cherson, an.
Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:
- Russlands Präsident Wladimir Putin wird den Krieg in der Ukraine nach Ansicht von CIA-Chef Bill Burns weiter vorantreiben. Putin sei in einer Verfassung, in der er nicht glaube, es sich leisten zu können, zu verlieren, zitiert die "Financial Times" Burns. Der CIA-Chef sprach in Washington auf einer Veranstaltung der Zeitung. Nach Einschätzung von Burns ist Putin überzeugt, mit noch mehr Einsatz Fortschritte erzielen zu können.
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach Angaben ihres Notfalldirektors Mike Ryan bereits 200 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine dokumentiert. Die Ergebnisse würden weitergegeben, um zu klären, ob dabei Verbrechen begangen seien.
- Die EU-Länder können sich weiter nicht auf ein Öl-Embargo gegen Russland einigen. Hintergrund ist ein Streit um Ausnahmen für einige Staaten (Ungarn, Slowakei, Tschechien) , die in besonderem Maße von russischem Öl abhängig sind. Eine nächste Verhandlungsrunde der ständigen Vertreter der Staaten wurde für Sonntag angesetzt, wie die französische EU-Ratspräsidentschaft auf Twitter mitteilte.
- Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, hat nach einem viertägigen Besuch in der Region Kiew umfassende Menschen- und Völkerrechtsverletzungen durch russische Streitkräfte beklagt. Ausmaß und Schwere der Taten seien "erschütternd", erklärte Mijatovic am Samstag. Sie sagte den ukrainischen Justizbehörden fachliche Unterstützung zu, auch bei der psychologischen Betreuung von Opfern sexueller Gewalt.
- Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar wurden mehr als 90.000 ukrainische Kinder und Jugendliche in Deutschlands Schulen aufgenommen. Die Zahl nannte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) der "Rheinischen Post".
- Vor dem Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai kritisiert FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner die Ankündigung pro-russischer Demonstrationen in Deutschland scharf. "Ich finde es erschütternd, dass während eines russischen Krieges in Europa am Tag der Kapitulation des Nazi-Regimes Putin-Sympathisanten diesen Tag missbrauchen", sagte Lindner der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
- Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, schließt eine Zusammenarbeit mit Kremlchef Wladimir Putin nach Kriegende aus. "Jegliche Zusammenarbeit mit Putin ist unmöglich", sagte Heusgen den Zeitungen der "Funke-Mediengruppe".
- Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Russland im Ukraine-Krieg vor dem Einsatz von Atomwaffen gewarnt. "Unsere Botschaft ist eindeutig: Nach einem Einsatz von Nuklearwaffen würde es auf allen Seiten nur Verlierer geben", sagte Stoltenberg der "Welt am Sonntag".
Das ist an Tag 72 passiert:
Mehrere Zivilisten wurden in Mariupol aus dem Stahlwerk evakuiert, Selenskyj hat Scholz nach Kiew eingeladen, Russland hat erklärt, vorerst keinen Atomwaffen-Einsatz zu planen.
Ukraine: Hier können Sie spenden
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.
Wie arbeitet das Aktionsbündnis?
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Quelle: dpa, Reuters, AP, AFP, epd, ZDF