: Xis Friedensappell: Mehr Kalkül als Kritik

von Johannes Hano
03.12.2022 | 06:24 Uhr
Kritik an Putin kann man das kaum nennen. Dennoch haben Chinas Äußerungen zum Krieg gegen die Ukraine Hoffnungen genährt, dass Xi seinen Einfluss im Kreml geltend machen könnte.
Dritte Amtszeit als Parteichef: Chinas Präsident Xi JinpingQuelle: Reuters
Viel wird derzeit spekuliert darüber, dass Chinas kommunistische Diktatur dabei ist, sich langsam von Russland zu distanzieren. Es wird die Hoffnung genährt, dass Peking Druck auf Moskau ausüben werde, den brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden.

Xi verurteilt Einsatz von Atomwaffen

Anlass für solche Spekulationen sind die Äußerungen von Chinas Staatspräsident Xi Jinping gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang November und gegenüber EU-Ratspräsident Charles Michel Ende des Monats. Allein die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen sei völlig inakzeptabel, hatte Xi gegenüber beiden geäußert.
Xi Jinping im Porträt:

31.08.2022 | 15:17 min
Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur seien auch ein Angriff auf das humanitäre Völkerrecht, betonte schon Chinas UN-Botschafter auf einer der vielen Sitzungen des UN-Sicherheitsrates vor ein paar Wochen.

Wird Peking Druck ausüben?

Wendet sich China also langsam von Russland ab? Wird der chinesische Präsident Druck auf seinen Verbündeten Wladimir Putin ausüben, den Krieg zu beenden?
Niemand kann darauf eine ehrliche und informierte Antwort geben, denn niemand weiß wirklich, was in den geschlossenen Machtzirkeln der kommunistischen Führung in Peking vor sich geht.
Aber wenn man versucht, das, was offen gesagt wird, einzuordnen, hilft es zu verstehen, was für Chinas Kommunisten die unumstößlichen Leitplanken ihrer Politik sind.
Ganz oben steht die Sicherung der absoluten Macht der Partei. Chinas Kommunisten sind überzeugt, dass ihr Modell des "Sozialismus mit chinesischem Charakter" im Kampf der Systeme allen anderen überlegen ist.

Die Staatsführung habe nach den Protesten im Land "die Gegenmaßnahmen hochgefahren", mit "massiver Polizeipräsenz" und Kontrollen, so ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer. Die leichten Lockerungen bedeuteten keine Abkehr von der Null-Covid-Politik.

02.12.2022 | 02:30 min

Xi will China an der Spitze der Weltgemeinschaft sehen

Daran hat auch Xi Jinping nie einen Zweifel gelassen. Im Gegenteil. Immer wieder hat er davon gesprochen, China an seinen "angestammten Platz" in der Weltgemeinschaft zurückzuführen. China müsse wieder zur dominierenden Weltmacht werden.
Allein die USA und ihre Verbündeten in Europa stehen diesem Anspruch entgegen - noch. Nur wenn man diese Maxime versteht und ernst nimmt, hat man eine Chance, das außenpolitische Agieren der kommunistischen Führung in Peking zu verstehen und einzuordnen.

Abhängigkeit von China ist das Ziel

Wenn man zur führenden Weltmacht aufsteigen will, dann müssen Amerika und seine Verbündeten geschwächt und nach und nach in die Abhängigkeit von China gezwungen werden.
Die Welt muss abhängig von China werden und China unabhängig von der Welt - das ist das große Zukunftsprojekt der kommunistischen Führung, dem sich alle außenpolitischen Entscheidungen unterordnen müssen.

China und USA sind auf Konfrontationskurs. Die zwei größten Wirtschaftsmächte ringen um die Vorherrschaft. Wachsende Spannungen schüren Ängste vor einem neuen Konflikt.

01.02.2022 | 59:26 min
Und dabei geht China ganz pragmatisch vor. Alles, was hilft, die USA als dominierende Weltmacht politisch zu schwächen, ist recht; einen Keil zu treiben zwischen Europa und die USA. Die noch überlegene westliche Wirtschaft in chinesische Abhängigkeit zu bringen genauso, wie die innere Schwächung demokratischer Gesellschaften. Russland und Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine sind dabei nur ein willkommenes Werkzeug.

Von Uneinigkeit mit Russland keine Spur

So wie Moskau aber hat sich auch Peking verrechnet. Der Krieg hat den Westen - bislang jedenfalls - nicht gespalten, sondern zu neuer und gestärkter Einigkeit geführt. Und: Er hat den westlichen Demokratien vor Augen geführt, was passiert, wenn man sich in die Abhängigkeit von autoritären Staaten begibt.
Die Diskussionen in Europa und den USA über eine stärkere wirtschaftliche Entflechtung von China haben die Chinesen aufgeschreckt.
Die vorsichtige Kritik an Russland in letzter Zeit folgt einem doppelten Kalkül: Wir erzählen den Europäern, was sie hören wollen, damit sie uns nicht mit Russland gleichsetzen und sich - anders als die Amerikaner - nicht in wichtigen Zukunftstechnologien und Wirtschaftszweigen von uns entkoppeln wollen. Wenn dabei auch noch ein Konflikt zwischen den USA und Europa herausspringt - umso besser.

Bislang greift China nicht aktiv ein

Es wird orakelt, dass sich China nach den jüngsten Äußerungen langsam, aber sicher, von Russland abwende. Entscheidend aber ist nicht, was Chinas Präsident einem Bundeskanzler oder EU-Ratspräsidenten öffentlichkeitswirksam auf großer Bühne erzählt.
Entscheidend wird sein, was China tatsächlich tut. Und da gibt es keine Hinweise darauf, dass China Einfluss auf Russland nimmt, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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