: TikTok verschärft Spannung von EU und China

von Cedrik Pelka
15.03.2023 | 20:16 Uhr
Die Europäische Union und China distanzieren sich immer weiter voneinander. Das zeigt sich auch bei der Social-Media-App TikTok.
Die EU-Kommission verbietet auf Diensthandys TikTokQuelle: dpa
Ausschnitte aus Parlamentsreden, Erklärungen zur EU-Politik und Einblicke in ihren beruflichen Alltag: Einige Abgeordnete des EU-Parlaments erreichen mit ihren Videos Zehntausende über die Video-App TikTok. Noch. Denn TikTok wird immer weiter aus den EU-Institutionen verbannt.
Das Präsidium des EU-Parlaments hat TikTok auf den Diensthandys nun verboten, bis nächsten Montag müssen alle Mitarbeitenden und Abgeordneten die App von ihren Diensthandys löschen. Bis Mittwoch mussten das schon alle Mitarbeitenden der EU-Kommission tun. Auch der Rat der Mitgliedstaaten zieht nach: Die App soll runter.
"Daten, die von solchen chinesischen Apps gesammelt werden, sind nicht geschützt gegen den Zugriff der totalitären chinesischen Regierung", sagt der Abgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) gegenüber dem ZDF. Ein klares Urteil vom Vorsitzenden der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China. Unterstützung bekommt er von IT-Sicherheitsexperten.

China reagiert verärgert nach TikTok-Verbot

Der staatliche Mutterkonzern ByteDance und die chinesische Regierung reagieren mit Unverständnis und Verärgerung. Man wolle nur Stimmung machen gegen China. "Die Europäische Union beansprucht für sich, der offenste Markt der Welt zu sein", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning der ARD in Peking.
Aber jetzt ergreift sie restriktive Maßnahmen, um Unternehmen anderer Länder im Namen der nationalen Sicherheit zu verdrängen.
Mao Ning, Außenamtssprecherin
TikTok ist nur ein weiterer Streitpunkt in einer Beziehung, die seit Monaten immer schlechter wird. Gegenseitige Sanktionen und die Haltung Chinas im Ukraine-Krieg sorgen für Spannungen. Hinzu kommt, dass einzelne Mitgliedsstaaten der EU sich unabhängiger machen wollen - und China aus ihrer kritischen Infrastruktur verbannen: So beendete Deutschland die Kooperation mit dem chinesischen Konzern Huawei beim 5G-Ausbau.
In den Niederlanden wurden erst letzte Woche weitere Export-Beschränkungen für Maschinen beschlossen, die Mikro-Chips herstellen können und auf die China dringend angewiesen ist. Die Handelsministerin der Niederlande, Liesje Schreinemacher, begründete das in mit der nationalen Sicherheit: "Es geht uns um unseren Technologievorsprung. Wir wollen bei Spezial-Chips nicht von einer Weltregion abhängig sein."

Kein gemeinsames Konzept in der EU

Die Entscheidung der Niederlande erfolgte auf Druck der USA. Ein richtiger Schritt, meint Angela Stanzel, die bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu China forscht. Trotzdem warnt sie, man dürfe den USA "nicht blind folgen", sondern müsse einen eigenen, gemeinsamen Weg finden.
Aber welchen? Eine komplette Abschottung hält sie für falsch. Deutschland als Export-Land brauche einen Handelspartner wie China. Und auch das osteuropäische Land brauche fortschrittliche Technologien aus Europa.
Es ist auch in unserem Interesse, dass wir die Interdependenz mit ihnen erhalten in anderen Bereichen und damit dafür sorgen, dass China weiterhin abhängig von uns bleibt.
Angela Stanzel, China-Forscherin
"Denn nur so haben wir überhaupt noch eine Stimme in China und können auch unsererseits Druck ausüben", analysiert Stanzel.

Bütikofer warnt: Technologie gelangt zu Chinas Militär

Das sieht die EU-Kommission ähnlich: Es gehe nicht um eine Entkopplung, sondern um eine "Risiko-Minimierung", sagte eine Sprecherin. Bisher scheint aber jeder seine eigenen Ideen dafür zu haben.
Statt gemeinsamer Lösungen gibt es gemeinsame Probleme. Beim Export strategisch wichtiger Technologie gibt es zum Beispiel eine Regulierungslücke. "Jede Technologie, die in chinesische Hand kommt, wird auch der dortigen Armee zur Verfügung gestellt. Das heißt: Geben wir diese Technologien her, helfen wir der Aufrüstung der chinesischen Armee", sagt der EU-Abgeordnete Bütikofer, der übrigens auf einer Sanktionsliste von China steht.
Das alles zeigt: Die EU und China gehen auf Distanz und brauchen sich trotzdem. Gleichzeitig wächst das Misstrauen zwischen den beiden Weltmächten.

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