: China, Russland und die neue Weltordnung

von Thomas Reichart
07.05.2022 | 11:33 Uhr
Der Ukraine-Krieg hat Europa und die USA enger zusammengeführt - aber auch Russland und China. Droht eine antiwestliche Blockbildung? Und was bedeutet das für Deutschland?
Xi Jinping und Wladimir Putin: Rücken Russland und China weiter zusammen?Quelle: dpa
In diesen Zeitenwende-Wochen gehen manchmal Nachrichten unter, die für sich genommen selbst Zeitenwende-Potential haben. Als sich der Bundestag Ende vergangener Woche mit großer Mehrheit für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aussprach, fand sich weit hinten im Antragstext noch anderes schweres Geschütz.
China wird da mit Nachdruck aufgefordert, die Billigung des Krieges aufzugeben sowie einen Waffenstillstand zu unterstützen. Dazu noch eine unmissverständliche Drohung: Sollte Peking die westlichen Sanktionen unterlaufen oder gar Waffen an Russland liefern, würde das wiederum Sanktionen gegen China nach sich ziehen.

Abschied von Merkels China-Naivität

Solche Warnungen von Berlin an Peking wären vor Wochen noch genauso undenkbar gewesen wie die Lieferung von Panzerhaubitzen an die Ukraine. Man kann diese Zäsur kaum überbewerten. Sie markiert den endgültigen Abschied von Merkels China-Politik oder besser China-Naivität, die den Fokus ganz auf lukrative Wirtschaftsbeziehungen legte, das aggressive Großmachtstreben Pekings aber nicht recht wahrhaben wollte.
Auf die unübersichtliche internationale Ordnung wirkt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als würde man auf einer Tischplatte mit Eisenspänen ein Elektromagnet einschalten. So wie die Eisenspäne sich ausrichten, so richten sich nun auch die meisten Staaten aus.

Blockbildung: China und Russland rücken zusammen

Ein oft zerstrittenes Europa rückt zusammen und an die USA heran. Und wo umgekehrt China steht, ist längst klar. Eng an der Seite mit Russland. Diese Blockbildung ist keine Kleinigkeit. Sie zeigt eine Verschiebung der Weltordnung, einen Epocheneinschnitt, wie wir in zuletzt beim Fall der Berliner Mauer erlebt haben.
Die Frage ist, wie fest und machtvoll der China-Russland Block tatsächlich ist. Zu Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking haben Putin und Xi Jinping der Welt verkündet, die russisch-chinesische Partnerschaft habe "keine Grenzen".
Russland und China eint, dass sie expansive Mächte sind, die ihre Einfluss-Sphären ausdehnen wollen. Russland führt dazu einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine, China bedroht seinerseits immer offener die territoriale Integrität Taiwans. Ihr gemeinsamer Gegner sind die USA, die dieser Machtausdehnung entgegenstehen. 

Demokratie-Angst eint China und Russland

Zu der strategischen Einigkeit zwischen Peking und Moskau kommt noch eine politische: die Ablehnung des westlich-liberalen Modells, die von Demokratie-Angst getriebene Verhärtung nach innen mitsamt der unduldsamen Verfolgung von Andersdenkenden, die Verherrlichung eines autoritären Ein-Personen-Kults. 
Abgesehen davon ist der China-Russland Block aber weit weniger fest gefügt, als es zunächst scheint. China lehnt Sanktionen gegen Russland ab, doch es ist weit davon entfernt, die wirtschaftlichen Schäden für Russland aufzufangen. Erstens liegt das nicht in Chinas Interesse.

China auf europäischen Markt angewiesen

Die Wirtschaftsleistung der EU war 2020 nach Angaben der Weltbank gut zehnmal so groß wie die Russlands. Es kann den europäischen Markt also nie und nimmer ersetzen, auf den China nach wie vor angewiesen ist. 
Zweitens stürzt Xi Jinpings unnachgiebige Null-Covid-Strategie mit Lockdowns in Mega-Städten wie Shanghai China gerade in eine schwere Wirtschaftskrise. Die Zeiten, in denen Peking im Zuge der Neuen Seidenstraße der halben Welt üppige chinesische Kredite gegen ebenso üppigen chinesischen Einfluss versprochen hat, sind sowieso schon eine Weile vorbei.
In diesem antiwestlichen Block ist völlig klar, wer Ober und wer Unter sein wird. Schon vor dem Krieg haben chinesische Offizielle mit kaum verhohlener Herablassung auf Russland herabgeschaut.

Deutsche Unternehmen abhängig von China

Die Sanktionen schwächen Russland weiter, und China könnte davon profitieren. Weil es russisches Öl und Gas zum Schnäppchen-Preis kaufen kann. Und weil es versuchen wird, seinen eigenen Einfluss in Zentralasien auf Kosten Russlands auszudehnen.
"Der größte Sieg ist der, der keine Schlacht erfordert", hat Chinas Militärphilosoph Sunzi geschrieben. Das scheint auch Xi Jinpings Strategie zu sein: raushalten, abwarten bis ein international isoliertes, geschwächtes Russland sich quasi von selbst in einem von Peking bestimmten Block ein- und unterordnet.

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.

Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum China im Moment bei allen Russland-Runden in Berlin der Elefant im Raum ist. Deutschlands Abhängigkeit von Russlands fossilen Energieträgern ist schwer, aber irgendwie doch zu lösen.
Die Abhängigkeit deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt, von Lieferketten, High-Tech - die ist noch schwerer zu kappen. China ist, das zeigt diese Zeitenwende, am Ende das eigentliche Problem. 
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

Thema

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine