: Länder kritisieren Corona-Konzept für Herbst

09.08.2022 | 18:47 Uhr
Am Dienstag haben die Gesundheitsminister über Corona-Maßnahmen beraten. Uneinig sind die Länder, ob frisch Geimpfte für drei Monate von Maskenpflichten ausgenommen werden.
Am Dienstag haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern virtuell über die geplanten Corona-Schutzmaßnahmen für den Herbst und Winter beraten. Vergangene Woche hatten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) ein Schutzkonzept vorgestellt.
Von verschiedenen Seiten gab es daran Kritik. Um welche Punkte wurde gerungen?

Was sind die Kernpunkte des Konzepts?

Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Bundesländer ab Oktober wieder Maskenpflichten verhängen dürfen. Bundesweit soll weiterhin eine Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flieger sowie neu eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelten. Die Länder sollen selbst entscheiden, ob sie darüber hinaus in öffentlich zugänglichen Innenräumen Masken vorschreiben. Da der Schulbetrieb nach dem Willen der Minister auf jeden Fall aufrechterhalten werden soll, sind auch hier Maskenpflichten vorgesehen.
Kritik hatte es an dem Plan gegeben, Menschen von Maskenpflichten in Restaurants oder bei Kultur- und Sportveranstaltungen zu befreien, wenn ihre Impfung nicht älter als drei Monate ist. Ausnahmen soll es auch für Getestete und frisch Genesene geben. Kritiker sehen darin ein unangemessenes Drängen auf Impfungen alle drei Monate.
"Nur in Ausnahmefällen soll davon abgewichen werden können", sagte Lauterbach nach der Schaltkonferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister. Dadurch werde die Notfall-Regel noch sicherer. "Von einem frisch Geimpften geht selbst dann ein relativ geringes Infektionsrisiko aus, wenn er keine Maske trägt."

Was sagen Experten zur Drei-Monats-Frist für Impfungen?

Die vorgeschlagene Ausnahmefrist von drei Monaten stößt bei dem Immunologen Carsten Watzl auf Kritik - weil sie einen falschen Eindruck vom tatsächlichen Impfschutz vermittle.
Wenn man sagt, die Impfung gilt nur für drei Monate, dann signalisiert das den Leuten, es schützt mich vielleicht nur drei Monate und das ist nicht wahr. Die Impfung schützt viel, viel länger.
Prof. Carsten Watzl, Universität Dortmund
"Sie schützt sicherlich deutlich länger, gerade vor der schweren Erkrankung. Und darauf kommt es ja an", sagt Watzl dem ZDF. "Deshalb finde ich es schon problematisch, dass so eine Regelung eingeführt wird." Wer jung und immungesund sei, für den mache eine vierte Impfung zum jetzigen Zeitpunkt und mit den jetzigen Impfstoffen keinen Sinn, so Watzl. Mit der dritten Impfung sei man immer noch sehr gut vor einem schweren Verlauf geschützt, "auch wenn sie schon länger als ein halbes Jahr her ist".

Was ist mit Lauterbach-Empfehlung zur vierten Impfung?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht sich, anders als die Ständige Impfkommission (Stiko), für eine vierte Corona-Impfung für alle Altersgruppen aus. Von zahlreichen Seiten gibt es an diesem Vorstoß Kritik. Bislang empfiehlt die Stiko nur eine vierte Impfung für Menschen ab 70 Jahren sowie Risikogruppen.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte der "Rheinischen Post", Impfempfehlungen müssten "von der wissenschaftlichen Studienlage abhängig gemacht werden, nicht von politischen oder persönlichen Wunschvorstellungen oder von Impfstoffverfügbarkeiten". Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", die Stiko solle unabhängig von der Politik agieren dürfen. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte: "Es kann nicht Aufgabe des Gesundheitsministers sein - egal wie hoch seine wissenschaftliche Expertise sein mag -, die Empfehlungen des zuständigen wissenschaftlichen Fachgremiums zu konterkarieren."

Wie steht die Politik zur Ausnahmeregelung?

Mehrere Landesvertreter sehen Potenzial für Nachbesserungen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte Lauterbach auf, die "fragwürdigen Ausnahmen" von der Maskenpflicht für frisch Geimpfte und Genesene aus dem Gesetz zu nehmen.
Ein Drei-Monats-Impfintervall widerspreche den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Die Ausnahmen seien etwa in Gaststätten oder bei Sportveranstaltungen auch nicht umsetzbar. Lauterbach müsse den Entwurf in zentralen Punkten ändern.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht noch Diskussionsbedarf beim neuen Infektionsschutzgesetz. Er halte die Ausnahmen für frisch Geimpfte "für keine kluge Regelung", sagte Weil vor der Konferenz dem "Weser-Kurier".
Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD), wies die Kritik an der möglichen Drei-Monats-Frist im ZDF-Morgenmagazin hingegen zurück.
In den Gesetzentwurf ist das eingeflossen, was der Evaluierungsbericht des Expertengremiums ergeben hat. Es ist ja nochmal deutlich geworden, dass nach drei Monaten der Impfschutz erheblich nachlässt.
Petra Grimm-Benne, Gesundheitsministerin in Sachsen-Anhalt
"Keiner verlangt, dass man sich jetzt alle drei Monate neu impfen lässt. Aber es wäre zum Beispiel ein verhältnismäßiges, gutes Mittel, wenn man dann die Masken tragen würde", sagte Grimm-Benne.

Die Gesundheitsminister schalten sich heute zu einer Sonderkonferenz zusammen – dabei geht es vor allem um das geplante neue Infektionsschutzgesetz. "Wir wollen die Menschen schützen", so Petra Grimm-Benne (Vorsitzende Gesundheitsministerkonferenz, SPD).

09.08.2022 | 05:45 min

Wie einheitlich wollen die Bundesländer künftig vorgehen?

Was auf den Gesundheitsministerkonferenzen zentral beschlossen wurde und was anschließen in den Ländern umgesetzt wurde, unterschied sich in der Vergangenheit teils deutlich. Grimm-Benne hält regional unterschiedliche Maßnahmen aktuell für angemessen.
In den Bundesländern waren die Zahlen immer anders als möglicherweise in den Nachbarländern. Und deswegen finde ich es richtig, dass wir individuelle Maßnahmen angepasst an die jeweilige epidemische Lage beschließen können.
Petra Grimm-Benne, Gesundheitsministerin Sachsen-Anhalts
In Bereichen wie dem Nah- und Fernverkehr seien vom Bund erlassene Schutzmaßnahmen hingegen richtig, so Grimm-Benne.
Quelle: dpa, epd, ZDF

Thema

Hintergründe zu Covid-19

Mehr

Die wichtigsten Daten zum Coronavirus

Aktuelle Nachrichten zur Corona-Krise