: Das Leiden der christsozialen Opposition

von Mathis Feldhoff, Seeon
08.01.2023 | 11:09 Uhr
Einst waren die Wintertreffen der CSU echte Krawalltermine - getrieben von einem überbordenden Selbstbewusstsein der Bayern. Heute sucht die Partei verzweifelt nach Aufmerksamkeit.
Alexander Dobrindt und Markus Söder: Bei ihrer Winterklausur im Kloster Seeon versucht die CSU in ungewohner Positition als Oppositionspartei Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.Quelle: dpa
Es wirkt wie ein verzweifelter Versuch, die bundesweiten Schlagzeilen zu mitzubestimmen, wenn CSU-Generalsekretär Martin Huber inmitten der alten Mauern von Kloster Seeon steht und über die dysfunktionale Berliner Landespolitik schimpft. Berlin sei ein "Fail-State", so Huber, der "generell ein Problem mit der inneren Sicherheit hat". So als wäre Berlin auf einer Stufe mit Somalia oder dem Jemen anzusiedeln.
Die CSU nutzt die Ausschreitungen der Silvesternacht, um für sich Kapital daraus zu schlagen - und, um den ungeliebten Länderfinanzausgleich nicht nur in Frage zu stellen, sondern das Instrument, das eigentlich als Solidaritätsfonds zwischen den Bundesländern gedacht ist, gleich zum politischen Sanktionsinstrument umzudeuten.

CSU mit ältlichen Vorwürfen in Richtung Berlin

Huber erfüllt damit den Job, den ihm die CSU-Granden um Markus Söder und Alexander Dobrindt zugedacht haben. Krawall, Hauptsache es knallt richtig. Doch so richtig fliegen, so richtig durchschlagen, tut die Forderung nach "finanziellen Konsequenzen", wie CSU-Landesgruppenchef Dobrindt gesagt hatte, nicht.
Auch die Begründung, dass Berlin das "bayerische Geld zum Fenster rausschmeiße", etwa für "so einen Krampf wie Gender-Toiletten", wirkt in der Huberschen Argumentation etwas ältlich. Tatsächlich will Berlin öffentliche genderneutrale Toiletten einrichten - übersichtliche 24 Stück, zwei pro Berliner Bezirk. Ein Vorhaben, welches das Land Berlin allerdings schon im Mai des letzten Jahres vorgestellt hatte.

Die CSU leidet unter dem Machtverlust im Bund

Die CSU leidet unter dem Machtverlust in Berlin - keine Ministerposten mehr, weniger Einfluss, ein gravierender Bedeutungsrückgang. Nach zwei Jahren Pandemie-Pause treffen sich die bayerischen Bundestagsabgeordneten der Union wieder im Kloster Seeon, unweit des Chiemsees. Immerhin die Kulisse stimmt wieder - weißblauer Himmel, die Alpengipfel am Horizont.

Die CSU-Bundestagsabgeordneten starten heute in ihre dreitägige Winterklausur. Unter Leitung von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wollen die Bundestagsabgeordneten in Seeon wichtige inhaltliche Eckpunkte für die kommenden Wochen und Monate abstecken.

06.01.2023 | 02:30 min
Drei Tage nehmen sie sich Zeit, um über die eigene Rolle und die politische Zukunft in Deutschland zu beraten. In einem 17-seitigen Beschlussvorschlag werden nahezu alle Forderungen aufgelistet, die man sich so ausdenken konnte.

Christsoziale fordern umfangreiche Maßnahmen im Bundestag

Von der weiteren Nutzung der Kernenergie, über einen Inflationsausgleich in der Einkommensteuer bis zum alten Klassiker der Begrenzung der Migration hat die CSU im Bundestag einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt.
Ob sie als Oppositionspartei davon tatsächlich viel wird durchsetzen können, steht irgendwo in den bayerischen Sternen. Aber die Christsozialen wollen sich nicht vorwerfen lassen, dass sie inhaltlich blank wären.

Deutsche Panzerlieferungen auf Drängen der CSU?

Auch beim zweiten bundespolitischen Thema, das diese Schlagzeilen-gewohnte Klausur in diesen Tagen überlagert, versuchen die Christsozialen den Eindruck zu erwecken, als wäre es vor allem ihrem Druck und ihrem Drängen zu verdanken, dass Deutschland jetzt Marder-Schützenpanzer in die Ukraine liefert.
Da es aber doch eher unwahrscheinlich erscheint, dass sich der französische Präsident Emmanuel Macron oder dessen amerikanische Amtspartner Joe Biden von einer bayerischen Regionalpartei treiben lassen, bleibt auch die Forderung nach Lieferungen von schweren Kampfpanzern, wie dem Leopard 2, zwar eine realistische Option für die nächsten Wochen und Monate, aber München oder gar Berlin scheinen dafür dann doch eher nicht die notwendige Entscheidungsebene.

EU-Parlamentspräsidentin Metsola zu Besuch bei CSU-Klausur

Etwas internationalen Glanz entwickelt dann noch der Besuch der EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und der moldauischen Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita. Vor allem die konsequente Haltung der Beiden zum russischen Angriff auf die Ukraine sind ganz nach dem Geschmack der CSU.
Die Stärkung unserer Sicherheit hängt auch von der Stärkung der Sicherheit unserer Nachbarn ab. Sie sind nicht stark und sicher, wenn wir es nicht sind.
Roberta Metsola, EU-Parlamentspräsidentin
Die konservative Politikerin aus Malta, die seit einem Jahr EU-Parlamentspräsidentin ist, unterstützt auch die Forderung nach Leopard-2-Panzern für die Ukraine.

Söder mit "Bayern"-Plan für kommende Landtagswahl

Die bayerische Sichtweise auf sich selbst, auf Deutschland und die Welt ist schon immer eine ganz eigene - eine, mit der der Rest der Republik manchmal auch fremdelt. Davon ließ sich die CSU, die immer für sich in Anspruch nimmt besonders auf die bayerischen Interessen zu achten, noch nie beirren.
CSU-Chef Markus Söder, der um seine Wiederwahl als Ministerpräsident kämpft, jedenfalls glaubt, dass er dafür das ultimative Rezept hat, wie er ganz stolz verkündet:
Wir haben einen Plan und der heißt Bayern.
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern
Auch bei ihnen sei "nicht alles perfekt, aber vieles besser".
Mathis Feldhoff ist Korrespondent des ZDF-Hauptstadtstudios.

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