: Was tun mit verfassungsfeindlichen Beamten?

von Charlotte Greipl
14.12.2022 | 14:42 Uhr
Innenministerin Faeser will, dass es leichter möglich wird, verfassungsfeindliche Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Eine gerichtliche Entscheidung wäre dann nicht mehr notwendig.
Bei einer Razzia gegen die Reichsbürger-Szene in der vergangenen Woche gab es auch 25 Festnahmen.Quelle: dpa
Verfassungsfeindliche Beamte früher und schneller loszuwerden, ist keine neue Idee: "Um die Integrität des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt werden können," heißt es dazu etwa im Koalitionsvertrag. So weit, so vage.

Auch Staatsbedienstete von Razzia betroffen

Durch die bundesweite Razzia im "Reichsbürger"-Milieu in der vergangenen Woche gewinnt das Thema nun an Brisanz. Unter den 25 festgenommenen Personen waren ein aktiver Oberstabsfeldwebel und mehrere Reservisten, eine Richterin sowie ein aus dem Polizeidienst entlassener Kriminalhauptkommissar. Die Gruppe soll versucht haben, weitere Angehörige der Bundeswehr und der Polizei zu rekrutieren.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nun einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Disziplinarverfahrens vorgelegt. Dieser befindet sich seit heute in der Ressortabstimmung.
Schon jetzt drohen Beamt*innen bei Dienstvergehen als Disziplinarmaßnahmen der Verweis (ein schriftlicher Tadel), Geldbuße sowie die Kürzung der Dienstbezüge und des Ruhegehalts. Diese Maßnahmen kann die beziehungsweise der jeweilige Dienstvorgesetzte per Verwaltungsakt verfügen. Weitergehende Maßnahmen wie die Zurückstufung, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts können hingegen nur durch ein Disziplinargericht getroffen werden.

Entfernung aus dem Beamtenverhältnis per Verwaltungsakt

Die Entscheidung über besonders weitreichende Disziplinarmaßnahmen liegt somit bei den Gerichten – und das möchte Innenministerin Faeser nun ändern. Nach dem Gesetzentwurf soll künftig auch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts per Verwaltungsakt, also durch behördliche Entscheidung, möglich sein.
Die Frage, wer die Entscheidung trifft, ist keine bloße Formalie. Denn das gerichtliche Verfahren dauert lange: Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer betrug 2021 bei rein behördlichen Disziplinarverfahren ein gutes Jahr, bei gerichtlichen Verfahren mehr als doppelt so lange. Prominente Fälle wie der von Jens Maier – ehemaliger AfD-Abgeordneter, der nach Ende seines Mandats zurück auf die Richterbank wollte und von dem sächsischen Verfassungsschutz als Rechtsextremist geführt wird – sorgten in der Justiz für Frust und in der Öffentlichkeit für Unverständnis und Verunsicherung.

Vorbild Baden-Württemberg

Vorbild für Faesers Vorschlag ist Baden-Württemberg. Seit einer umfassenden Reform des Disziplinarrechts im Jahr 2008 können dort sämtliche Disziplinarmaßnahmen durch Verwaltungsakt angeordnet werden. Selbst bei Verhängung schwerer Maßnahmen müssen also nicht die Disziplinargerichte eingeschaltet werden. Die Beamtin bzw. der Beamte kann selbstverständlich gegen die ergangene Disziplinarverfügung klagen. Das Beamtenverhältnis samt der damit einhergehenden Bezüge bleibt dabei aber nicht bis zur Rechtskraft des Urteils bestehen.

Als einen starken Schlag bezeichnet der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, die heutige Großrazzia im Reichsbürger-Milieu.

07.12.2022 | 03:58 min
Vom Tisch ist hingegen der zwischenzeitlich diskutierte Vorschlag einer "Beweislastumkehr". Diese hätte dazu geführt, dass Bedienstete bei Anhaltspunkten auf Verfassungsfeindlichkeit aus dem Dienst entfernt werden könnten, dann aber selbst nachweisen müssten, dass es sich dabei um eine falsche Annahme handelt. Dieser Vorstoß stieß auf heftige Kritik. Faeser selbst erklärte daraufhin, sie habe das "umgangssprachlich verkürzt im Fernsehen berichtet", aber so nicht gemeint.

Weitere Ansatzpunkte denkbar

Allerdings: Schärfere Disziplinarmaßnahmen sind nur eine von mehreren Stellschrauben. Zudem sind Disziplinarmaßnahmen stets nur reaktiv. Diskutiert werden daher auch Möglichkeiten, radikale Personen gar nicht erst in den Staatsdienst zu lassen. Eine Option ist eine vorherige Sicherheitsüberprüfung, die bisher nur beim Bundeskriminalamt und bei einigen Landespolizeien stattfindet. Solche Maßnahmen sind allerdings nicht Gegenstand von Faesers Gesetzesentwurf.
Charlotte Greipl ist Mitarbeiterin der ZDF-Redaktion Recht und Justiz

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