: Viel Besuch im EU-Wartezimmer

von Theo Koll
06.12.2022 | 15:56 Uhr
Serbien, Albanien und andere Westbalkanstaaten liegen mitten in der EU - und sie wollen in die EU. Doch sie sitzen seit Jahren im Wartezimmer. Das soll sich ändern.
Nun sind sie also zum ersten Mal in einem der Westbalkanländer zu Gast, die Europäer, die schon Europäer mit EU-Mitgliedschaft sind. Albaner wollen rein in diesen Club, sind proeuropäisch und Tirana grüßt die Gäste mit einer für den Gipfel gesperrten Pracht-Allee - geschmückt mit den Bildnissen großer Europäer.
Seit vielen Jahren versuchen die sechs Balkanstaaten Mitglied der EU zu werden, Kosovo will noch in 2022 einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Die Bemühungen unterscheiden sich allerdings nur im Tempo der Reform-Langsamkeit.
Entsprechend sitzt der Westbalkan seit Jahren im Wartezimmer der EU - auch Bosnien-Herzegowina wird wohl kommende Woche den Kandidatenstatus bekommen - andere hingegen sind sogar noch immer im Wartezimmer zum Wartezimmer.

EU legt Vorschlag zur Normalisierung der Beziehungen vor

Denn die EU hat schlechte Erfahrungen gemacht mit Ländern, die die Aufnahmekriterien nicht wirklich erfüllt haben. Und dass Serbien und Kosovo sich seit Jahren aneinander reiben, zuletzt beim Streit um KFZ-Kennzeichen, trägt nicht dazu bei Aufnahme-Bereitschaft von Kritikern zu steigern.
Die EU aber müht sich, hat heute einen Vorschlag zur Normalisierung der Beziehungen vorgelegt. 
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Ukraine-Krieg hat politische Dynamik verändert

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die politische Dynamik verändert, auch für die Aufnahme-Frage der Staaten des Westbalkan. Die Sechs mussten zusehen, wie schnell die EU die Ukraine und die Republik Moldau an die EU heranführten.
Und die 27 der EU haben größere Sorgen denn je, dass Russland balkanischen Frust für eigene Zwecke ausnutzt. Serbien, als historischer Verbündeter Russlands, hat sich den Sanktionen gegen den Aggressor nicht angeschlossen.
Staaten, sagt Ursula von der Leyen, müssten sich entscheiden, auf welcher Seite sie stünden: "Auf der Seite der Demokratie? Das ist die Europäische Union." Die Gradwanderung im Wartezimmer ist nicht leichter geworden. 

Was passiert beim EU-Westbalkan-Gipfel?

Zu dem Treffen sind alle Mitgliedsstaaten der EU-27 und die Partner im Westbalkan eingeladen. Ziel des Gipfels ist es, die strategische Partnerschaft zwischen der EU und dem Westbalkan zu stärken. Viele Staaten in der Region sind EU-Beitrittskandidaten.

In Tirana soll es auf der Tagung um die gemeinsame Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs, Migration sowie Energie- und Ernährungssicherheit gehen. Auch Digitalisierung und Informationsmanipulation aus dem Ausland und Cybersicherheit sind Themen des Gipfels.

Quelle: Europäischer Rat

EU: Geld für Energiesicherheit und Erneuerbare

Die EU gibt jetzt Geld für Energiesicherheit und Erneuerbare aus. Ein Milliarden-Unterstützungspaket soll Haushalten und Unternehmen in den Westbalkanstaaten zugute kommen. Die noch teuren Roaminggebühren sollen ab Oktober 2023 weniger werden und am Ende ganz entfallen.

Zusammenarbeit bei Energie, Migration und Bildung

Im Anschluss an den Gipfel sprach EU-Ratspräsident Charles Michel von einem "historischen Treffen". Gemeinsam habe man eine Erklärung mit konkreten Zusagen verabschiedet. Geplant seien ein Finanzierungspaket für die Region, um die Folgen des Ukraine-Krieges abzufedern. Dazu gehörten laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Haushaltszuschüsse in Höhe von 500 Millionen Euro sowie Investitionen in die Energieinfrastruktur von ebenfalls 500 Millionen.
Auch ein "Aktionsplan für gemeinsames Management der Einwanderung in die EU" solle kommen, so von der Leyen. Man befürworte die Beitrittsbemühungen der Länder der Region. Hier sehe von der Leyen "neuen Schwung" und einen "wichtigen Schritt". Man empfehle den Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem "wirklich wichtigen Gipfeltreffen". Auch der Ort der Begegnung, die albanische hauptstadt Tirana sei ein "wichtiges Zeichen". Scholz lobte die "Beschleunigung" des EU-Beitrittsverfahrens der Länder des Westbalkans auf dem Gipfel - einen Beitritt der Länder wolle man "schnell organisieren".

Michel: Länder müssen ihre "Hausaufgaben machen"

Geplant sei auch eine Zusammenarbeit zwischen Universitäten: So sei künftig das Erasmus-Plus-Programm auch für Studierende in Albanien möglich, ein Campus der Universität Brügge sei in der albanischen Hauptstadt Tirana geplant. Ab dem nächsten Jahr sollen zudem Roaming-Gebühren in dem Land schrittweise abgesenkt werden. Laut Albaniens Ministerpräsident Edi Rama seien die Fortschritte des Gipfels "fantastisch". Er fügte hinzu:
Die EU braucht den Westbalkan genau so sehr, wie der Westbalkan die EU.
Edi Rama, Ministerpräsident Albaniens
Laut Michel müssten die Länder der Region nun ihre "Hausaufgaben machen". Dies gelte im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Korruption. Ursula von der Leyen betonte, man erwarte von den Ländern, sich der Politik der EU anzuschließen und europäische Regeln zu respektieren.

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