: Bundeskanzler: Baerbock plant Kiew-Besuch

05.05.2022 | 22:34 Uhr
Außenministerin Baerbock reist demnächst nach Kiew. Putins belarussischer Verbündeter Lukaschenko hat mit einem schnelleren Sieg Russlands gerechnet.
Nach wochenlanger Verstimmung zwischen Berlin und Kiew soll Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) "demnächst" in die Ukraine reisen. Das kündigte Kanzler Scholz an.Quelle: dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Kanzler Scholz kündigt Ukraine-Reise von Außenministerin Baerbock an
  • Putin-Freund Lukaschenko wundert sich über Länge des Krieges gegen Kiew
  • Ukraine: Anhaltende Kämpfe um Asow-Stahlwerk trotz angekündigter Feuerpause - Kreml dementiert
  • Bundespräsident Steinmeier und Selenskyj räumen Irritationen aus

Anmerkung der Redaktion

Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Die Lage an Tag 71 im Ukraine-Krieg:

  • Mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko hat erstmals ein enger Verbündeter Putins eingestanden, dass er mit einem schnellen Sieg Russlands gerechnet habe und nicht damit, dass sich die Invasion derart hinziehe. "Ich habe das Gefühl, dass sich diese Operation in die Länge gezogen hat, " sagte Lukaschenko in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP. Er warf der Ukraine ebenfalls vor, Russland zu provozieren.
  • Nachdem ein Telefonat zwischen Präsident Steinmeier und Präsident Selenskyj alle Irritationen ausgeräumt hat, hat Bundeskanzler Olaf Scholz während einer Pressekonferenz eine "Reise der Außenministerin" nach Kiew angekündigt. Die Reise von Annalena Baerbock werde "demnächst" stattfinden, so Scholz.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russlands Präsident Wladimir Putin weitreichende Eroberungspläne vorgeworfen. "Ich bin sicher, dass Russland vorhatte, die gesamte Ukraine in kurzer Zeit zu erobern", sagt er in Berlin. Deshalb sei es eine große Leistung der ukrainischen Armee, die russische Invasion zurückgewiesen zu haben. Aber angesichts des unglaublichen Material-Einsatzes Russlands gebe es wenig Hoffnung, dass der Krieg schnell zu Ende gehe.
  • US-Präsident Joe Biden hat erneut mit Bundeskanzler Olaf Scholz über das weitere Vorgehen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beraten. Das teilte das Weiße Haus mit. Zudem hätten beide Staatschefs betont, so ein Regierungssprecher in Berlin, dass sie keine Gebietsgewinne Russlands in der Ukraine anerkennen würden. Auch jüngste Äußerungen der russischen Führung, die demokratisch legitimierte ukrainische Führung zu verurteilen, verurteile man gemeinsam.
ZDF-Korrespondent Koll zum heutigen Gespräch zwischen Steinmeier und Selenskyj:

  • Der russische Präsident Wladimir Putin fordert die Ukraine erneut dazu auf, den im Asowstal-Stahlwerk verschanzten Kämpfern die Aufgabe zu befehlen. Russland sei weiter bereit, den eingeschlossenen Zivilisten auf dem Gelände in Mariupol einen sicheren Abzug zu ermöglichen, heißt es in einer Erklärung des Präsidialamts in Moskau. Dies habe Putin Israels Ministerpräsidenten Naftali Bennett in einem Telefonat mitgeteilt.
  • Russland zeigt sich ganz siegessicher - trotz der westlichen Unterstützung für die Ukraine. "Unserem Militär ist bekannt, dass die USA, Großbritannien und die Nato als Ganzes ständig Geheimdienstinformationen und andere Daten an die ukrainischen Streitkräfte übermitteln", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Peskow verwies zudem auf westliche Waffenlieferungen an die Ukraine. Auch nach mehr als zwei Monaten kommen russische Truppen im Nachbarland Beobachtern zufolge deutlich schlechter voran als vom Kreml erhofft.
Eine kurze Bilanz des Ukraine-Kriegs:
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Dabei seien die Irritationen aus der Vergangenheit ausgeräumt worden, teilte das Bundespräsidialamt mit. Insider sagen zudem, dass Selenskyj sowohl Steinmeier als auch Kanzler Olaf Scholz nach Kiew eingeladen habe. Mit dem Gespräch und der Einladung endet ein wochenlanges Tauziehen um einen von der Ukraine abgesagten Kiew-Besuch Steinmeiers.
  • Die russischen Raketenangriffe auf Eisenbahnanlagen haben den Zugverkehr in der Ukraine gestört. Nach einem Überblick der Bahngesellschaft Ukrsalisnyzja waren Fernzüge mit Verspätungen von bis zu zwölf Stunden unterwegs. "Russland versucht, unsere Logistik zu ruinieren, weil sie uns im Felde nicht besiegen können", schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, auf Telegram. Er bestätigte den Angriff auf ein Objekt der Eisenbahn mitten in der Stadt Dnipro.
  • Derweil haben russische Streitkräfte in Kaliningrad nach Angaben aus Moskau Angriffe mit nuklearwaffenfähigen Raketen simuliert. Im Rahmen einer Übung hätten rund hundert Soldaten den "elektronischen Start" von mobilen ballistischen Raketensystemen mit Atomwaffen vom Typ Iskander simuliert, erklärte das russische Verteidigungsministerium.

Die Situation in den ukrainischen Städten:

  • Der stellvertretende Kommandeur des ukrainischen Asow-Regiments hat eindringlich um eine Evakuierung des belagerten Stahlwerks in Mariupol gebeten. Er sagte in einer Videobotschaft aus den Bunkern der Anlage, verwundete Soldaten müssten unter Qualen sterben, weil sie nicht behandelt werden könnten. Die Welt müsse Druck auf Russland ausüben. Palamar forderte Präsident Selenskyj auf, die Evakuierung der verletzten Soldaten und der ausharrenden Zivilisten zu unterstützen. Russland beachte keine ethischen Normen und ermorde Menschen vor den Augen der Welt. Russland erklärte, seine Soldaten drängen nicht in das unterirdische Labyrinth ein

Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?

Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.

Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.

Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?

Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.

Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?

Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.

Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.

  • Die Kämpfe um das Asowstal-Stahlwerk in Mariupol haben nach ukrainischen Angaben weiter angedauert. Russland versuche, die letzten verbliebenen ukrainischen Verteidiger auf dem Gelände zu "vernichten", erklärte die ukrainische Armee. Der Kreml dementierte und erklärte, die Feuerpause werde eingehalten. Moskau hatte am Mittwochabend eine dreitägige Feuerpause zur Evakuierung von Zivilisten angekündigt. Die russischen Streitkräfte wollten demnach am Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils von 8 bis 18 Uhr Fluchtkorridore aus dem Industriekomplex öffnen.
  • Nach dem massiven Beschuss mehrerer ukrainischer Städte im Donbass melden die örtlichen Behörden Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung. Der Leiter der Militärverwaltung des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, teilte auf seinem Telegram-Kanal mit, nach einem Raketeneinschlag in Kramatorsk gebe es 25 Verletzte. Es seien neun Wohnhäuser beschädigt worden, die Schule und Objekte der zivilen Infrastruktur. In Tschasiw Jar habe es mindestens einen Toten gegeben. Der Gouverneur der umkämpften Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sprach von mindestens fünf Toten durch den Beschuss der Städte Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, Hirske und Popasna.
  • In ukrainischen Städten sind in der Nacht zum Donnerstag landesweit Luftangriffssirenen zu hören gewesen. Kurz darauf folgte Raketenbeschuss in den Städten Tscherkassy, Dnipro und Saporischschja.
  • Das Ausreiseverbot für Männer im wehrfähigen Alter aus der Ukraine könnte nach Überlegungen der Kiewer Führung gelockert werden. "Es wird jetzt diskutiert, dass bestimmte Kategorien von Männern zumindest für kurze Zeit ins Ausland gehen dürfen", sagte Präsidentenberater Olexij Arestowytsch im ukrainischen Fernsehen. Dabei nannte er unter anderem Wissenschaftler oder Geschäftsleute.

Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:

  • Die Bundesregierung will Sanktionen gegen russische Oligarchen besser durchsetzen. Dabei geht es darum, Vermögenswerte wie Luxusjachten, Villen und Flugzeuge einzufrieren. Um Probleme zu beheben, sollen bis zur Sommerpause des Bundestags gesetzliche Änderungen beschlossen werden, hieß es aus Regierungskreisen. Unter anderem soll ein nationales Register für Vermögen unklarer Herkunft und für sanktionierte Vermögenswerte eingerichtet werden.
  • Die Ukraine hat seit dem Beginn der russischen Invasion Rüstungsgüter und finanzielle Hilfen im Volumen von über zwölf Milliarden Dollar (11,4 Milliarden Euro) aus dem Ausland erhalten. Das erklärt Ministerpräsident Denys Schmyhal bei der Geberkonferenz. Er dankt für die unerschütterliche Hilfe während des gesamtes Krieges.
  • Deutschland wird die Ukraine mit weiteren 125 Millionen Euro für humanitäre Hilfe unterstützen. Das kündigt Bundeskanzler Olaf Scholz im Rahmen der Warschauer Geberkonferenz an. Zudem seien weitere 140 Millionen Euro für die Entwicklungshilfe der Ukraine vorgesehen.
Auch die EU, die die Geberkonferenz ausgerichtet hatte, macht Gelder für die Ukraine frei:
  • Eine internationale Geberkonferenz für die Ukraine-Flüchtlingshilfe in Warschau hat Zusagen in Milliardenhöhe eingebracht.Das teilte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im Anschluss mit. Die Weltgemeinschaft dürfe sich nicht an die Bilder der Zerstörung gewöhnen. Präsident Selenskyj hatte zuvor per Videoschalte eine Art Marshall-Plan wie für den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg verlangt. Dies garantiere, dass Millionen vertriebener Ukrainer nach Hause zurückkehren könnten.
  • Bundestagspräsidentin Bärbel Bas will als bislang höchste Repräsentantin Deutschlands nach Kiew reisen. Sie habe den Wunsch, auf Einladung ihres Amtskollegen Ruslan Stefantschuk in die Ukraine zu fahren, gemeinsam mit ihm aller Opfer des Zweiten Weltkriegs zu gedenken und politische Gespräche zu führen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. Das Weltkriegsgedenken in der Ukraine ist am 8. Mai.
  • Seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind mehr als 600.000 ukrainische Staatsangehörige in Deutschland angekommen und von den Behörden erfasst worden. Wie viele von ihnen inzwischen in einen anderen EU-Staat weitergereist oder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, geht aus den Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) allerdings nicht hervor, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte.
  • CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen forderte bei "Lanz" ein sofortiges deutsches Ölembargo gegen Russland. "Beim Öl ist Putin wirklich massiv schwer zu treffen", so Röttgen. Er plädierte auch für ein Gasembargo in den kommenden Wochen. Gleichzeitig übte er Kritik an Robert Habeck. "Habeck hat nicht seit sechs, acht Wochen gesagt, wir arbeiten am Embargo, stellt euch ein. Sondern die deutsche Ansage war: Wir sind gegen ein Energieembargo", sagte Röttgen.
  • Schweden hat Regierungsangaben zufolge von den USA gewisse Sicherheitszusagen im Falle eines Beitrittsverfahrens zur Nato erhalten. "Sie würden bedeuten, dass Russland sich darüber im Klaren sein kann, bei irgendeiner Art von negativen Aktivitäten gegen Schweden, womit es gedroht hat, die USA dies nicht einfach so zulassen würden ... ohne eine Reaktion", sagte Außenministerin Ann Linde nach einem Treffen mit ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken.

Das war an Tag 70 passiert:

Russland kündigt eine Feuerpause für Stahlwerk in Mariupol an, Selenskyj erteilte russischen Forderungen nach Gebietsabtretungen erneut eine klare Absage. Die Lage an Kriegstag 70:

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.

Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Quelle: dpa, Reuters, AP, AFP, epd, ZDF

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