: Welche Rolle ausländische Kämpfer spielen

von Nils Metzger
17.05.2023 | 16:17 Uhr
Wagner-Söldner wollen in Bachmut einen US-Veteranen getötet haben. Bei Gefechten kommen immer wieder ausländische Freiwillige auf Seiten der Ukraine ums Leben. Wie ist die Lage?
Die Beerdigung des US-Veteranen Christopher Campbell Anfang Mai in Kiew. Er kämpfte in der "Internationalen Legion" der Ukraine und starb in Bachmut. (Archivbild)Quelle: AP
Jewgeni Prigoschin hat gute Presse gerade dringend nötig. Seit Tagen steht der Chef der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner unter Druck, nachdem Geheimdienst-Leaks darauf hindeuten, er habe russische Militärstellungen an die Ukraine verraten wollen.
Gute Presse heißt in der menschenverachtenden Wagner-Welt: Prigoschin präsentiert in einem am Dienstag auf Telegram veröffentlichten Video die Leiche und Ausweisdokumente eines angeblich in Bachmut getöteten US-Bürgers. Ob Prigoschin tatsächlich an der Front war, ist nicht zu verifizieren.
Russische Propagandakanäle feiern seitdem den "Tod eines weiteren US-Söldners" und werfen der Nato vor, mit solchen Kämpfern verdeckt in den Krieg einzugreifen. Es ist ein typischer Fall, wie gezielt Falschinformationen über die Rolle von internationalen Freiwilligen in der Ukraine gestreut werden.

Ukrainische Soldaten an der Front in Bachmut: Sie wollen russische Einheiten zurückdrängen und isolieren. Helferinnen und Helfer kämpfen um das Überleben der Verwundeten.

16.05.2023 | 02:33 min

Was ist über den toten US-Veteran bekannt?

Tatsächlich handelt es sich bei dem Toten um einen Ex-Soldaten aus den USA. Angehörige bestätigten seine Identität gegenüber dem Medium "Idaho Statesman", auch andere Medien bestätigten seine Identität. Es handelt sich um den 45-jährigen früheren Angehörigen einer US-Spezialeinheit ("Green Beret") Nick Maimer aus dem US-Bundesstaat Idaho.
Nach eigenen Angaben reiste Maimer Anfang Mai 2022 in die Ukraine und bereitete dort Trainingsprogramme für die ukrainischen Territorialverteidigungskräfte vor. In einem Facebook-Video aus dieser Zeit sagte Maimer:
Ich war in Polen, als der Krieg losging; und da ich ein früherer Soldat mit über 20 Jahren Erfahrung war, wusste ich, dass ich helfen kann. Ich wollte nicht unbedingt kämpfen, sondern habe viel spezifische Erfahrung im Ausbilden ausländischer Streitkräfte.
Nick Maimer, getöteter US-Veteran
Der US-Sender CNN berichtet, dass Maimer durch Artillerie in Bachmut getötet worden sei. "Die Stellung, in der sie waren, kam unter heftigen Artilleriebeschuss, das Gebäude fing an, einzustürzen. Da konnten die meisten Amerikaner und Ukrainer dort fliehen. Leider hat Nick es nicht rausgeschafft", zitiert der Sender einen amerikanischen Freund Maimers in der Ukraine. In welcher Rolle oder für welche ukrainische Einheit er in Bachmut war, ist bislang nicht bekannt.

Wie viele internationale Kämpfer sind derzeit in der Ukraine?

Offizielle Zahlen hierzu gibt die Ukraine seit Längerem nicht mehr heraus. Im April 2022 sprach die ukrainische Regierung von rund 20.000 Freiwilligen, für die sie sogar eine offizielle "Internationale Legion" eingerichtet haben. Deren Webseite befindet sich aktuell "im Umbau", Aktivitäten in den sozialen Medien sind zurückgefahren. Auf eine schriftliche Anfrage reagierte die "Legion" nicht.
All das zeigt: Das Anwerben internationaler Kämpfer ist weit weniger im Fokus der ukrainischen Streitkräfte als noch zu Beginn des Krieges. Laut Recherchen des US-Magazins "Vice" sollen Ende Februar nur noch etwa 2.000 ausländische Kämpfer in der Ukraine gewesen sein, die meisten davon erfahrene Veteranen.
Gerade gibt es keine große Warteschlange (…). Die Romantiker aus dem Februar und März [2022] sind wieder weg.
Ukrainischer Offizieller gegenüber "Vice"
Vor allem in den sozialen Medien spielen die internationalen Freiwilligen jedoch weiterhin eine wichtige Rolle. Viele von ihnen unterhalten auch nach ihrer Abreise aus der Ukraine weiterhin Kanäle, über die sie Spenden sammeln, oder Informationen über den Kriegsverlauf teilen. Da manche der Freiwilligen dabei immer wieder Militärgeheimnisse preisgegeben haben, weisen die ukrainischen Streitkräfte inzwischen explizit darauf hin, dass es ihnen etwa nicht gestattet ist, ohne Rücksprache Interviews zu geben.
Zwar deuten jüngste Geheimdienst-Leaks darauf hin, dass sich auch eine niedrige Zahl an Spezialkräften einzelner Nato-Staaten in der Ukraine befinden, sie sollen aber primär für den Schutz der Botschaften eingesetzt werden.

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Wie viele ausländische Freiwillige sind schon gestorben?

Die ukrainische Regierung macht grundsätzlich nur sehr begrenzt Angaben zu eigenen Verlusten. So ist das auch bei internationalen Rekruten. Fest steht, dass sie wie reguläre Soldaten an allen Frontlinien eingesetzt werden - und darum auch vielfach bei Gefechten sterben.
Schwerpunkt zuletzt: Bachmut. Anfang Mai fand in Kiew die Beerdigung eines aus Florida stammenden Veteranen statt. Mit ihm wurden am 26. April noch zwei weitere kanadische Freiwillige getötet. In der gleichen Woche starb auch ein 26-jähriger früherer US-Marine bei der Evakuierung von Zivilisten aus Bachmut. Am 3. Dezember starben dort fünf georgische Kämpfer.
Ende Februar zeichnete Präsident Wolodymyr Selenskyj zwei getötete polnische Kämpfer posthum mit einem Tapferkeitsorden aus. Am 25. März twitterte der polnische Kanzleramtschef Michal Dworczyk:
Es ist eine tragische Woche – insgesamt drei unserer Landsleute, die auf Seiten der Ukraine kämpfen, wurden getötet.
Michal Dworczyk, Kanzleramtschef Polen, Ende März
Diese einzelnen Meldungen können nur ein sehr grobes Bild der Lage geben. Berichte über getötete deutsche Kämpfer gibt es bislang nur einen: Nach ukrainischen Angaben ist im Juni 2022 ein deutscher Kämpfer bei Gefechten getötet worden.

Dürfen Ausländer für die Ukraine kämpfen?

Je nach Staat existieren sehr unterschiedliche Gesetze mit Blick auf das Kämpfen in ausländischen Streitkräften. Deutschland verbietet zwar das Anwerben für fremde Streitkräfte, nicht aber das Kämpfen und auch Töten in diesen. Somit dürfen Deutsche den ukrainischen Streitkräften beitreten - müssen dabei natürlich alle auch sonst geltenden völkerrechtlichen Regeln beachten. Wer aktuell aktiver Soldat der Bundeswehr ist, darf nicht unerlaubt der Ukraine dienen.
Umgekehrt war die Ukraine früh bemüht, einen rechtlichen Rahmen für die vielen internationalen Freiwilligen zu schaffen. Im Bereich militärische Ausbildung und zivile Hilfe sind zwar zahlreiche private Organisationen aktiv; wer kämpfen möchte, muss sich aber den offiziellen Streitkräften anschließen. Kämpfer dort erhalten einen regulären Sold. Manche der Freiwilligen dienten auch schon vor dem Februar 2022 im Donbass und der Dienst in den Streitkräften ist für alle Freiwilligen auch eine Möglichkeit, schnell die ukrainische Staatsbürgerschaft zu erhalten.
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