: Nato-Erweiterung: Türkei stellt Forderungen

21.05.2022 | 22:22 Uhr
Erdogan stellt Forderungen zur Nato-Erweiterung, Selensky pocht auf mehr Sanktionen gegen Moskau, Biden unterzeichnet ein Milliarden-Hilfspaket. Die Lage an Tag 87.
Im Streit um den geplanten Nato-Beitritt von Schweden und Finnland hat der türkische Präsident Erdogan an beide Länder Forderungen gestellt.

Das Wichtigste in Kürze

  • US-Präsident Biden setzt Milliarden-Hilfspaket für Ukraine in Kraft
  • Laut Außenminister Di Maio arbeitet Italien an Plan für Friedenslösung
  • Russland stoppt Gaslieferungen nach Finnland
  • UN: mehr als 6,4 Millionen Flüchtlinge aus Ukraine ausgereist
  • Russland von Basketball-EM ausgeschlossen

Anmerkung der Redaktion

Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Das war die Lage an Tag 87:

  • Im Streit um den geplanten Nato-Beitritt von Schweden und Finnland hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beide Länder am Samstag zur Beendigung ihrer Unterstützung für "terroristische" Gruppen aufgerufen. Die Türkei erwarte von Schweden, dass das Land "konkrete und ernsthafte Schritte" gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Ableger unternimmt. In einem Telefonat mit dem finnischen Präsidenten Niinistö sagte Erdogan, es sei "unvereinbar mit dem Geist der Freundschaft und des Bündnisses", vor "Terrororganisationen" die Augen zu verschließen. Erdogan telefonierte auch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die Gespräche müssten noch fortgesetzt werden, so der Nato-Generalsekretär im Anschluss auf Twitter.
Tweet des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg
  • US-Präsident Joe Biden hat das Milliarden-Hilfspaket der USA für die Ukraine in Kraft gesetzt. Biden unterzeichnete das entsprechende Gesetz am Samstag in Seoul bei seiner ersten Asien-Reise seit Amtsübernahme. Zuvor hatte der Kongress das Paket mit einem Volumen von fast 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) mit großer Mehrheit beschlossen. Biden hatte den Kongress ursprünglich um 33 Milliarden Dollar gebeten. Das Parlament stockte die Summe dann noch auf. Aus dem Paket entfällt rund die Hälfte der Gesamtsumme auf den Verteidigungsbereich.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj pocht auf eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland. Nach einem Telefonat mit Italiens Ministerpräsident Mario Draghi unterstrich er die Notwendigkeit, dass die Blockade der ukrainischen Seehäfen aufgehoben wird.
  • Moskau setzt US-Präsident Joe Biden, Außenminister Antony Blinken und CIA-Chef William Joseph Burns auf die Liste der Amerikaner, die nicht länger nach Russland einreisen dürfen. Insgesamt verhängt Moskau ein Einreiseverbot gegen 963 US-Bürger. Aus Kanada stehen nun unter anderem auch die Frau von Premierminister Justin Trudeau, Sophie Trudeau, sowie der Mann von Vize-Regierungschefin Chrystia Freeland, Graham Bowley, auf der sogenannten Stop-Liste.
  • Italien hat nach den Worten seines Außenministers einen Plan für eine Friedenslösung im Ukraine-Krieg entwickelt. "Es braucht jetzt eine diplomatische Gegenoffensive", sagte Luigi Di Maio im Interview der Zeitung "La Stampa". Derzeit versuchten nur einzelne Staaten zu vermitteln, nun wolle man alle relevanten internationalen Organisationen dazu bringen, mitzuarbeiten. Ein erstes Ziel sei, lokale Kampfpausen zu erreichen, danach solle ein Waffenstillstand, die Arbeit an der Neutralität und am Ende ein Friedensabkommen folgen.
  • Auch Präsident Selensky betonte, dass der Krieg letztlich nur durch Diplomatie beendet werden könne. Der Krieg werde "blutig sein, es wird heftige Kämpfe geben, aber endgültig enden wird er nur durch Diplomatie", sagte der Staatschef am Samstag dem ukrainischen Fernsehsender ICTV. "Es gibt Dinge, die wir nur am Verhandlungstisch erreichen können." Die Ergebnisse der Verhandlungen müssten "gerecht" für die Ukraine sein. Selenskyj zufolge sollte es ein Dokument über Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben, das "von den Freunden und Partnern der Ukraine, ohne Russland" unterzeichnet wird. Parallel solle es "eine bilaterale Diskussion mit Russland" geben.
Der russische Energiekonzern Gazprom hat wie angekündigt die Gaslieferungen nach Finnland eingestellt.Quelle: dpa
  • Russland hat seine Gaslieferungen nach Finnland gestoppt. "Die Erdgaslieferungen nach Finnland im Rahmen des Gasum-Liefervertrags wurden ausgesetzt", teilte der staatliche finnische Energiekonzern Gasum am Samstag mit. Gasum erklärte, Gas werde nun aus anderen Quellen über die Balticconnector-Pipeline bezogen, die Finnland und Estland miteinander verbindet. Bereits am Freitag hatte Gasum betont, dass ein russischer Lieferstopp nicht zu Versorgungsproblemen in Finnland führen werde.
  • Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums steht Russland ein Mangel an unbemannten Aufklärungsdrohnen bevor. Verstärkt werde die angenommene Knappheit dadurch, dass Russland wegen der Sanktionen bei der Herstellung neuer Drohnen eingeschränkt werde. Mit den Drohnen späht Russland Ziele für Luftschläge oder Artillerieangriffe aus.
Tweet des brit. Verteidigungsministeriums
  • Nach Wochen heftiger Kämpfe hat Russlands Armee eigenen Angaben zufolge das Stahlwerk Azovstal in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol komplett unter ihre Kontrolle gebracht. Alle feindlichen Kämpfer hätten sich ergeben, teilte das Verteidigungsministerium in der Nacht zum Samstag in Moskau mit. Die weitläufige Industrieanlage am Asowschen Meer war der letzte Ort in der strategisch wichtigen Hafenstadt im Südosten der Ukraine, der noch nicht vollkommen unter russischer Kontrolle gestanden hatte. Die ukrainische Seite äußerte sich zunächst nicht zur angeblichen Einnahme des Werks.
  • Noch vor der russischen Verkündung der Einnahme des Stahlwerks von Mariupol hat Präsident Selenskyj ein Fernsehinterview aufgenommen und darin den Westen für die aktuelle Entwicklung mitverantwortlich gemacht. Er habe die westlichen Staats- und Regierungschefs wiederholt aufgefordert, sein Land mit "geeigneten Waffen" zu versorgen, "damit wir Mariupol erreichen können, um diese Menschen zu befreien".
  • Wegen der massiven Zerstörung in seinem Land brachte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache zudem einen Fonds ins Gespräch für Entschädigungszahlungen an Länder, denen Russland mit Angriffen Schaden zugefügt habe. Das könne in einem "multilateralen Abkommen" geregelt werden. Selenskyj schlug vor, russisches Kapital und Eigentum im Ausland einzufrieren oder zu beschlagnahmen und diesem neuen Fonds zuzuführen. "Das wäre gerecht", meinte er.

Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?

Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.

Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.

Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?

Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.

Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?

Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.

Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.

Die Situation in den ukrainischen Städten:

  • Der ukrainische Generalstab hat eine Vielzahl von russischen Angriffen im Land registriert und auf die Gefahr von Luftschlägen aus dem benachbarten Land Belarus hingewiesen. Der Schwerpunkt der Kämpfe liegt laut dem Lagebericht vom Samstag weiter im Osten der Ukraine. Nach Darstellung des Generalstabs in Kiew geht es dem Gegner weiter darum, die komplette Kontrolle über die Gebiete Luhansk und Donezk zu erlangen, um einen Landkorridor auf die von Russland 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim abzusichern.
  • Russland hat nach eigenen Angaben in der Ukraine eine große Lieferung westlicher Waffen zerstört. Die Lieferung sei in der Region Schytomyr östlich von Kiew durch seegestützte "Kalibr"-Lenkwaffen zerstört worden, erklärte das russische Militär der Agentur Interfax zufolge.

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.

Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.

Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:

  • Laut der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar mehr als 6,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine ausgereist. Die meisten Menschen zogen in die Nachbarländer Polen (3,4 Millionen), Rumänien (943.000), Russland (888.000) und Ungarn (627.000), teilte die Organisation der "Welt am Sonntag" mit. Bezüglich der nicht-benachbarten Staaten nennt UNHCR keine genauen Zahlen, führt aber Deutschland vor Tschechien und Italien als Hauptaufnahmeländer jenseits der unmittelabaren Nachbarstaaten auf. Das decke sich mit den offiziellen Angaben der jeweiligen Staaten. In Deutschland wurden laut Bundesinnenministerium bereits mehr als 700.000 Ukraine-Flüchtlinge im Ausländerzentralregister registriert.
  • Der frühere Schach-Weltmeister Garri Kasparow und der Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski wurden von der russischen Regierung auf deren Liste der "ausländischen Agenten" gesetzt. Der Grund: Der 59 Jahre alte Kasparow und der 58-jährige Ex-Oligarch Chodorkowski ließen sich ihre Aktivitäten auch durch "Quellen" in der Ukraine finanzieren, so das russische Justizministerium, das am Freitag in einer aktualisierten Fassung seiner Liste der "ausländischen Agenten" bekannt gab.
  • Russland ist von der diesjährigen Basketball-EM (1. bis 18. September) ausgeschlossen worden. Das entschied der Vorstand des europäischen Verbandes FIBA Europe. Russland hätte in der Vorrundengruppe A in Tiflis/Georgien spielen sollen. Die Entscheidung ist eine weitere Konsequenz aus dem Angriffskrieg in der Ukraine. Montenegro rückt als bestes nicht-qualifiziertes Teams für die russische Mannschaft nach. Die 41. EuroBasket wird in Deutschland (Köln/Berlin), Tiflis, Mailand und Prag ausgespielt.

Das passierte an Tag 86:

Die G7 sagen der Ukraine 9,5 Milliarden Dollar zu. Alle Kämpfer im umkämpften Stahwerk Asovstal in Mariupol haben sich ergeben. Die Lage an Tag 86.
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Quelle: dpa, AP, AFP, Reuters, ZDF, KNA

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