Exklusiv

: Geldwäsche-Kampf: Lindners Pannen-Behörde

von Julia Klaus und Michael Strompen
16.05.2023 | 15:00 Uhr
Deutschland gilt als Paradies für Geldwäsche. Interne Fälle aus Deutschlands Anti-Geldwäsche-Einheit zeigen, was schief läuft. Was plant Finanzminister Lindner dagegen?

Was läuft schief beim Kampf gegen Geldwäsche? Eine zentrale Behörde macht immer wieder negative Schlagzeilen. Frontal hat interne Fälle zugespielt bekommen, die das Ausmaß zeigen.

16.05.2023 | 12:12 min
Es ist ein kalter Tag im Herbst 2022. Ein Mann betritt die Filiale seiner Bank. Mit dabei hat er: eine Million Euro - in bar. Und das zum zweiten Mal in nur kurzer Zeit. Woher er das Geld hat, will die Bankangestellte von dem eher unauffälligen Kunden wissen. Plausibel erklären kann er es nicht - sie nimmt das Geld an, macht aber wie vorgeschrieben eine Meldung bei der FIU, der Financial Intelligence Unit. Die Behörde in Köln ist ein zentraler Baustein im Kampf gegen Geldwäsche in Deutschland.
Doch bei der FIU liegt die Meldung viel zu lange herum, bevor sie an die zuständigen Strafverfolger weiterleitet wird. Ein Polizist, der den Bargeld-Fall kennt, schildert ZDF Frontal:
Das Geld war längst weiter überwiesen - und damit weg. Schnelle Polizei-Arbeit ist so nicht möglich. Das ist einfach total frustrierend.
Polizist
Deutschland gilt als Paradies für Geldwäsche. Rund 100 Milliarden Euro werden jedes Jahr gewaschen, so eine Schätzung. Illegal erwirtschaftetes Geld, das aus Drogenhandel, Immobilien-Geschäften oder Waffen-Deals stammt, wird gern in Deutschland investiert. Weil es eine stabile Demokratie ist. Und auch, weil der Staat oft so behäbig wirkt gegenüber Geldwäschern.

Sendehinweis frontal

Quelle: ZDF
Sehen Sie mehr zum Thema bei frontal, am Dienstag, 16. Mai 2023, um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.

Riesen-Berg an Geldwäsche-Verdachtsmeldungen

Das liegt auch an der FIU. Wenn Banken, Notare oder Schmuckhändler einen Geldwäscheverdacht haben, müssen sie das der FIU melden. Die prüft den Fall, steuert weitere Infos bei und leitet ihn zeitnah an Polizei oder Staatsanwaltschaft weiter, wo Täter überführt werden sollen - so die Theorie.
Das Problem ist: Das klappt oft nicht. Im Dezember trat FIU-Chef Christof Schulte überraschend zurück. Danach kam heraus: Knapp 290.000 Verdachtsmeldungen hatten sich angestaut - manche waren mehr als zwei Jahre alt. Ein riesiger Skandal. Was folgte daraus?
Nach wochenlanger Recherche treffen ZDF-Frontal-Reporter einen Insider aus der FIU. Er will anonym bleiben - und beschreibt eine überforderte Behörde:
Die Stimmung bei uns ist miserabel. Viele wollen nur noch weg. Es sind einfach viel zu viele Meldungen, es ist eine Flut. Die meisten können wir nicht schnell genug bearbeiten - viele werden auch nie von Mitarbeitern angeschaut. Die sind praktisch für die Tonne.
FIU-Insider
Der Berg an Alt-Fällen soll bis Ende Mai abgearbeitet sein, verspricht die FIU. Doch wie nachhaltig das ist - fraglich. Das jedenfalls schildert der Behörden-Insider:
Jetzt geht man hin und leitet alles mehr oder weniger ungefiltert an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter. Und die versinken dann in einer Masse von Meldungen. Das legt alles lahm, ohne wirklich was zu bewirken.
FIU-Insider

Welche mafiösen Strukturen gibt es in Deutschland? Eike Bone-Winkel ist stellv. Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und analysier die Großrazzia gegen die italiensische 'Ndrangheta-Mafia in Europa und Deutschland.

03.05.2023 | 04:12 min

FIU: Spezial-Einheit im Dauer-Stress

Eine FIU, die besser als bisher schwerkriminelle Geldwäscher entdeckt - das will auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er will deshalb eine neue Behörde aufbauen lassen - die FIU als Teil davon. Doch ob das reicht? Mit den Zuständen in der FIU konfrontiert, antwortet Lindner lapidar gegenüber ZDF Frontal: "Sie hat doch einen neuen Leiter."
Gemeint ist der Schweizer Daniel Thelesklaf, der ab Juli neuer FIU-Chef werden soll. Er hat Erfahrung im Kampf gegen Geldwäsche - doch er übernimmt eine Einheit im Dauer-Stress. Viele Experten bezweifeln zudem, dass eine neue Behörde die Lösung aller Probleme ist. Polizeigewerkschafter Frank Buckenhofer sagt zu ZDF Frontal:
Wir sind der tiefen Überzeugung, dass Minister Lindner mit dieser Entscheidung in die völlig falsche Richtung rennt. Am Ende wird die Geldwäschebekämpfung dadurch komplizierter, behäbiger, strukturell unübersichtlicher.
Frank Buckenhofer, Gewerkschaft der Polizei
Buckenhofer fordert, dass stattdessen bestehende Strukturen gestärkt werden. Zumindest ein wenig ist Lindner dem auch nachgekommen - er will dem Zoll im Kampf gegen Geldwäsche mehr Personal zuteilen.

Deutschland, ein Paradies für Geldwäsche?

09.02.2022 | 09:50 min

Die FIU: Nur ein Teil im komplexen Geldwäsche-Kampf

Doch die Langsamkeit des Staats in Sachen Geldwäsche hängt nicht nur an der FIU - sie ist nur ein Glied einer langen und komplizierten Kette. An die grundsätzlichen Regeln will deshalb die oppositionelle CDU heran. Matthias Hauer, Mitglied im Finanzausschuss, sagt ZDF Frontal:
Wenn Millionenvermögen plötzlich irgendwo auftauchen, dann muss es eine Beweislastumkehr geben.
Matthias Hauer (CDU)
Beweislastumkehr bedeutet: Wer viel Vermögen bewegt, soll im Zweifel nachweisen müssen, woher das stammt - sonst kann der Staat es einziehen. In Italien gibt es das bereits. Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende erklärt die Wirkung:
Wenn ich als Mafioso oder als Autokrat aus irgendeinem Land, wo ich der Bevölkerung das Geld aus der Tasche ziehe, (...) Angst habe, dass es in Deutschland nicht in Sicherheit ist, weil die Behörden mir das im Zweifelsfall wegnehmen können und das auch tatsächlich tun, dann wird Deutschland seine Rolle als Geldwäscheparadies verlieren.
Gerhard Schick, Finanzwende e.V.
Doch danach sieht es - momentan - nicht aus. Und so lange bleibt Deutschland in viel zu vielen Fällen ein Paradies für Geldwäsche.

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