: Konsumlaune bleibt "historisch niedrig"

von Peter Aumeier
27.10.2022 | 07:30 Uhr
Die Kauflaune der Deutschen ist gedrückt. Im neuesten GfK-Konsumklimaindex scheint die Talfahrt vorerst gebremst. Aber reicht das, damit viele Einzelhändler den Winter überstehen?
Ladenbesitzerin Romana SchemmQuelle: Peter Aumeier
Romana Schemms kleiner Delikatessenladen in der historischen Altstadt von Nürnberg ist mit seinen zwei tiefen Rundbogenfenstern einfach zu finden. Seltene Gewürzmischungen, edler Gin oder Sardinendosen aus Portugal - schon der Geruch macht Kunden Appetit. "Doch die Lage ist nicht einfach", sagt Romana Schemm, "denn das Geschäft läuft nicht gut."
Wie in vielen Bereichen des Einzelhandels spüre man einen Rückgang des Geschäfts seit Februar von 30 bis 40 Prozent, ergänzt ihr Mann Manfred Gendsior, der für die Buchhaltung zuständig ist.
Die Leute verlieren offenbar momentan total die Kontrolle.
Romana Schemm
"Sie kaufen nicht, obwohl wir noch die alten Preise haben. Wir haben ja schon früh unsere Waren für dieses Jahr eingekauft."

Verbraucherstimmung rutscht vorerst nicht weiter ab

  • Nach mehreren Rekordtiefs in Folge hat sich die Stimmung der Verbraucher in Deutschland etwas stabilisiert. Das Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK prognostiziert für November einen leichten Anstieg des Konsumklimas um 0,9 Punkte auf minus 41,9 Punkte. Vor Beginn der Corona-Pandemie lag dieser Wert vergleichsweise konstant bei plus 10 Punkten.
  • Etwas optimistischer sind die Deutschen bei der Einkommenserwartung geworden. Hier verzeichnete die GfK gegenüber dem Vormonat ein Plus von 7,2 Punkten. Dennoch liegt der Wert mit einem Minus von 84 Punkten gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch extrem niedrig. Die Forscher führen das vor allem auf den Kaufkraftverlust durch die hohen Preise zurück.
  • Die Lust der Verbraucher zur Ausgabe größerer Geldbeträge stieg den Forschern zufolge um zwei Punkte, liegt aber ebenfalls noch klar im Minus.
  • Die Erwartungen hinsichtlich der Konjunktur in Deutschland hat sich indessen noch etwas weiter verschlechtert und sank um 0,3 Punkte.

Quelle: dpa

Bürkl: Situation bleibt angespannt

Diese große Zurückhaltung der deutschen Verbraucher kennt er ganz genau: Rolf Bürkl, Konsumexperte des Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK; viele kennen das Unternehmen noch unter dem Namen "Gesellschaft für Konsumforschung". "Die Situation bleibt für die Verbraucherstimmung weiterhin sehr angespannt", sagt Bürkl.
Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar war das Konsumklima Monat für Monat weiter in den Keller gerauscht. In der aktuellen Studie für den abgelaufenen Oktober sieht Bürkl erstmals, dass die Tendenz zumindest nicht schlechter wird: "Die Stimmung im Oktober hat sich wieder etwas beruhigt, aber auf historisch niedrigem Niveau", sagt er. Doch es sei momentan sicherlich noch zu früh, von einer Trendwende zu sprechen.

Wird es im Winter schlimmer?

"Die Inflation ist zuletzt in Deutschland auf zehn Prozent gestiegen, die Sorgen um die Sicherheit der Energieversorgung werden nicht geringer. Deshalb bleibt abzuwarten, ob die aktuelle Stabilisierung von Dauer ist oder angesichts des kommenden Winters eine weitere Verschärfung der Lage befürchtet werden muss."
Auch Obst- und Gemüsehändler Reinhard Roth auf dem Nürnberger Hauptmarkt nebenan, dort, wo Ende November der berühmte Nürnberger Christkindlesmarkt erstmals wieder stattfinden wird, erlebt die Situation ähnlich:
Der Sommer war schon nicht gut, der Herbst ist jetzt noch schlechter.
Reinhard Roth
Seit 38 Jahren führt er den Stand. Da sei es während der Corona-Zeit noch besser gelaufen, meint er. "Die Touristen kaufen nichts und die andere Laufkundschaft bleibt einfach weg", erzählt der Händler. Das erlebt Romana Schemm genauso: "Die Straßen sind voll mit Menschen, aber es kommt keiner rein."

Enorme Verunsicherung

"Gerade die Inflationsrate ist derzeit so hoch, wie das letzte Mal in den 50er Jahren", erklärt Bürkl: "Also hat ein großer Teil der Bevölkerung nie Erfahrungen gemacht, mit derart hohen Inflationsraten. Das sorgt natürlich für enorme Verunsicherung. Für Sorgen bei vielen Haushalten, ob sie ihre Rechnungen, vor allem die Energierechnungen, künftig noch bezahlen können."
Die Anschaffung von Möbeln, Kleidern und Unterhaltungselektronik würde derzeit verschoben oder ganz aufgegeben. Besonders bei den Menschen, die auch in der Vergangenheit keine Möglichkeit hatten, Rücklagen zu schaffen, meint Rolf Bürkl. Für die Gesamtwirtschaft war in der Vergangenheit der Konsum immer eine wichtige Stütze gewesen.

Schemm: Das Geld wird fehlen

"Der Laden war immer mein Lebensraum gewesen", erzählt Romana Schemm, "aber ich habe Betriebswirtschaft studiert, ich kann auch rechnen." Viele ihrer Waren hätten ein Mindesthaltbarkeitsdatum, nachdem diese nicht mehr verkauft werden können. Das Geld wird dann fehlen. Sollten zudem sie oder ihr Mann krank werden, wäre das der "worst case".
Deshalb sei es auch das anstehende Weihnachtsgeschäft für ihren Laden so wichtig, sagt sie: "Da müssen wir gucken, wie lange wir das wirtschaftlich durchhalten können. Ich werde mir an Silvester überlegen, wie ich in die Zukunft gehe. Silvester macht man Pläne für die Zukunft."
Peter Aumeier ist Korrespondent im ZDF-Landessstudio Bayern.

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