: "Eifersüchtig": Wie Habeck um Brasilien wirbt

von Diana Zimmermann
14.03.2023 | 05:11 Uhr
Nach Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier ist jetzt auch Wirtschaftsminister Habeck in Brasilien zu Besuch. Deutschland hat große Hoffnungen für das Amazonas-Land.
Wirtschaftsminister Habeck traf sich unter anderem mit Brasiliens Außenminister Mauro Vieira.Quelle: dpa
Robert Habeck ist Teil einer Charmeoffensive mit existentiellem Hintergrund. Erst reiste der Bundespräsident, dann der Kanzler mit der Entwicklungsministerin und nun Robert Habeck mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im Schlepptau nach Brasilien. Die Außenministerin will auch bald kommen.
Das Land hat nicht nur enorme Mengen an Ressourcen und Rohstoffen, es hat seit der Wiederwahl Lula da Silva auch eine gewählte linke Regierung – wenn auch ohne Mehrheit –, mit der Habeck deutlich lieber verhandelt als mit Kollegen autoritärer Staaten.

China umgarnt Brasilien

Die Erleichterung darüber, es hier mit einer Demokratie zu tun zu haben, schwingt in den vielen Reden und Statements des Wirtschaftsministers durchgehend mit. Immer wieder betont er, Brasilien sei der einzige strategische Partner Deutschlands in Südamerika. Auch in Brasilien wolle man eine Wirtschaft, so Habeck, in der "Wachstum, Wohlstand, Prosperität und der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen keine Gegensätze seien", sondern von Anfang an zusammen gedacht werden müssten.
Das ist mit Bedacht gesagt, denn auch andere Nationen umgarnen die Südamerikaner, die vor allem an grüner Energie so ziemlich alles haben, was die Welt begehrt. Ganz vorne China, der wichtigste Handelspartner.

Mercosur-Abkommen nach wie vor offen

Seit 1999 verhandelt Brüssel mit Brasilia über das Mercosur-Freihandelsabkommen. "Keine Geschwindigkeit, die wir uns noch leisten können", sagt Habeck dazu. Eigentlich ist es ausverhandelt, an zwei Punkten aber hängt die Ratifizierung und der Vizekanzler möchte helfen, dass das nun möglichst schnell geht.
Noch hakt es daran, dass Brasilien für einige seiner Industrien einen Schutz vor ausländischem Wettbewerb haben möchte – so wie Chile es im vergangenen Jahr für seine Lithium-Industrie durchsetzen konnte – und die EU besteht darauf, dass der im Abkommen verankerte Schutz des Regenwaldes überprüf- und kontrollierbar sein muss. Brasilien dagegen pocht auf seine Souveränität.

Habeck beweist Pragmatismus

Die Zeit drängt. Um europäische Normen für den brasilianischen Markt durchzusetzen, muss das Freihandelsabkommen mit der EU vor dem mit China geschlossen werden. Robert Habeck legt sich hier für ein Instrument des Marktliberalismus so ins Zeug, dass selbst Christian Lindner beeindruckt sein müsste. Das ist extrem pragmatisch, für viele in seiner Partei eine Zumutung, Zeitenwende hin oder her, und doch schimpft der politische Gegner Habeck gern einen Ideologen.
In Brasilien empfinden die meisten Habeck eher als beeindruckend prinzipientreu. Ein bisschen deutsch eben. Das aber schätzt man hier sehr. Deutsche Unternehmen sind seit über 100 Jahren am Amazonas aktiv, inzwischen sind es etwa 1.600, die dem Land auch in den Krisen der Vergangenheit treu blieben. Daraus auch speist sich die Zuversicht der Bundesregierung, dass die Deutschen es leichter haben werden als ihre Konkurrenten, wenn es darum geht, vermehrt Energie- und Rohstoffhandel mit Brasilien zu treiben.

Klimaschutz als Randthema

Naturgemäß hat Brasilien andere Prioritäten als Deutschland und der umweltschützende Eifer der brasilianischen Gesprächskollegen fällt doch stark gegen den des Vizekanzlers ab. Der Gouverneur von Minas Gerais, in dessen Hauptstadt Belo Horizonte Habeck die 39. Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage eröffnete, empfing die beiden deutschen Minister zwar mit allem Pomp und Musikkapelle in seinem Palácio de Liberdade - den übrigens eine atemberaubende gusseiserne Treppe aus Deutschland schmückt - vergaß aber in seinem gar nicht so kurzen Eingangsstatement komplett, Klima- und Umweltschutz auch nur zu erwähnen.
Der Energieminister Alexandre Silveira wiederum, mit dem Robert Habeck am Montag eine Energiepartnerschaft zur Intensivierung energiepolitischer Zusammenarbeit gerade in Sachen grüner Wasserstoff unterschrieb, erwähnt den Klimaschutz eigentlich nie, ohne sofort hinzuzufügen, dass dieser dem sozialen Ausgleich dienen müsse.

Habeck: "Eifersüchtig" auf Brasiliens Energiemix

Aus den Zwischentönen kann man erkennen, dass Habeck das alles weiß und doch macht er weiter damit, Brasilien als eine Art Paradies zu beschreiben. Zum Beispiel, wenn er sagt, er sei "ein bisschen eifersüchtig" auf Brasiliens Energiemix.
Das Land scheint, was die Erneuerbaren Energien anbelangt, tatsächlich in Deutschlands Zukunft zu liegen, bezieht 82 Prozent seines Stroms aus ihnen, in den kommenden Jahren aber wird sich der Stromverbrauch um 30 Prozent erhöhen und 80 Prozent davon werden mit fossilen Brennstoffen und Atomkraft abgedeckt werden. Da klingt die goldene oder grüne Zukunft schon etwas weniger goldgrün.

Trotz des Ukraine-Kriegs stehen viele Länder an Russlands Seite. Die ZDF-Korrespondenten wollen herausfinden, warum. Eine Spurensuche in China, Brasilien, Südafrika und Thailand.

22.02.2023 | 62:37 min

Marina Silva im Krankenhaus

Ein besonders bitterer reality check war, dass kurz vor dem mit ihr anberaumten Treffen in der brasilianischen Hauptstadt die Nachricht kam, Umweltministerin Marina Silva, Ikone der Umweltbewegung, sei schwer erkrankt und im Krankenhaus. Marina Silva haben Robert Habeck und Cem Özdemir in den vergangenen Tagen immer wieder als Garantin dafür zitiert, dass Brasilien es ernst meine mit dem Schutz des Regenwaldes.
Die selbst in Amazonien geborene Silva war bereits aus der letzten Regierung Lula ausgetreten, weil sie dessen Bemühungen um den Schutz des Regenwaldes als nicht ausreichend empfand. Wenn Habeck ihr heute eine schnelle Genesung wünschte, so hoffte er dabei sicher auch, dass eine Gleichgesinnte schnell an ihren Regierungsposten zurückkehren möge.

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