: Wie Habeck in Norwegen Akzente setzt

von Henner Hebestreit
06.01.2023 | 18:39 Uhr
Robert Habeck konnte in der Partnerschaft mit Norwegen bei seinem Besuch vor Ort wichtige Vereinbarungen erzielen. Das könnte innerhalb der Grünen aber noch zu Streit führen.
Robert Habeck (M, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, beantwortet Fragen von Journalisten. Quelle: dpa
Es ist schon ungewöhnlich, wenn sich Norwegens Regierungschef und sein halbes Kabinett reichlich Zeit nehmen für den Besuch eines ausländischen Fachministers. Robert Habeck wird es gefreut haben, im tief verschneiten Oslo so hofiert zu werden.
Für den grünen Wirtschaftsminister und Vizekanzler war es ein guter Start ins neue Jahr, denn in Norwegen hat er publikumswirksam gleich zwei Akzente gesetzt.

Weiterer Ausbau der Energiepartnerschaft

Vor allem ging es um Würdigung Norwegens als Deutschlands aktuell wichtigsten Energielieferanten und die Zündung einer neuen Stufe der beiderseitigen Energiepartnerschaft.
Auch Dank Norwegen ist Deutschland nach dem Ausfall Russlands als Gasexporteur eine Versorgungskrise bisher erspart geblieben – jetzt wollen beide Staaten noch einen Schritt nach vorne machen und bei den Themen Wasserstoff und der Entsorgung von Kohlendioxid kooperieren.

Mit Zusagen zu Panzern gepunktet

Doch diese sehr ambitionierten Pläne hat Habeck mit seinem zweiten Akzent fast in den Hintergrund gedrängt: Denn von Reportern gefragt, was er von amerikanischen und französischen Ankündigungen halte, leichte Panzer in die Ukraine zu schicken, kündigte er eine baldige Entscheidung auch der Bundesregierung über deutsche Panzerlieferungen an.
Die ließ dann nicht lange auf sich warten – und Habeck dürfte sich gefreut haben, hier den ersten Aufschlag gemacht zu haben.

Sicherung der Versorgung mit grüner Energie

Dann gab Robert Habeck wieder den tatkräftigen Wirtschaftsminister, dem wenig wichtiger ist als Deutschlands Energieversorgung sicherer und grüner zu machen: Mit seinen norwegischen Partnern vereinbarte er den Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft. Bis 2030 soll eine Pipeline gebaut werden, die diesen vergleichsweise sauberen Energieträger nach Deutschland bringt.
Erstmal als sogenannten "blauen" Wasserstoff, der noch mithilfe von norwegischem Erdgas produziert wird, später soll das Gas dann mit regenerativer Energie in Windparks erzeugt werden.

CO2-Emissionen reduzieren

Beides verspricht Norwegen gute Geschäfte: Auch dann, wenn der eigene Gas- und Ölreichtum einmal ausgeschöpft ist. Und die Norweger erhoffen sich noch großes Stück von einem anderen Kuchen: Denn sowohl bei der Produktion von "blauem" Wasserstoff als auch in vielen anderen Industriebereichen fällt Kohlendioxid an. Den wollen sie vor Norwegens Küste entsorgen: fast 3 Kilometer tief unter dem Meeresboden.
Habeck ließ sich dieses sogenannte CCS-Verfahren südlich von Oslo zeigen. Für ihn, so wiederholt er auf dieser Reise fast mantrahaft, "ist Kohlendioxid im Boden allemal besser als in der Atmosphäre." Ein zum deutschen Heidelberg Materials-Konzern (vormals Heidelberg Zement) gehörendes Zementwerk will ab 2024 seine klimaschädlichen Emissionen auf diesem Wege halbieren.

Streit bei den Grünen gut möglich

Hier setzt sich Habeck umweltpolitisch an die Spitze einer Bewegung, die bei Greenpeace und den eigenen Parteifreund*innen alles andere als beliebt ist: Seine Parteifreundin, Bundesumweltministerin Steffi Lemke, erteilte einer dafür nötigen raschen Gesetzesänderung eine Absage und der grüne Kieler Umweltminister Tobias Goldschmidt - Nach-Nachfolger Habecks auf dieser Position – bleibt auch bei seiner ablehnenden Haltung.
Im verschneiten Norwegen redet Habeck dieses Problem klein: "Das wird kein Konflikt werden, der tief geht, sondern vielleicht gibt es gar keinen Konflikt." Es sei ja von der Bundesregierung schon alles auf den Weg gebracht, einen Analysebericht zu CCS habe das Kabinett ja schon gemeinsam verabschiedet.
Norwegens Regierungschef Jonas Gahr Støre unterstützt: "Modernes Wirtschaften bedeutet einen Weg zu finden, den Abgasen das CO2 zu entziehen und es sicher zu lagern. Wir wissen, wie das geht!" Und die Norweger wissen wohl auch, dass man damit künftig sehr viel Geld verdienen kann. Vielleicht erklärt das den "großen Bahnhof" für den deutsche Wirtschaftsminister in und um Oslo.
Henner Hebestreit ist Korrespondent im ZDF-Studio Nordeuropa.

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