Exklusiv

: Haldenwang sieht Extremisten in AfD gestärkt

07.08.2022 | 13:32 Uhr
Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes sieht die extremistischen Strömungen in der AfD gestärkt. Besonders eine Person sei noch mächtiger geworden, sagt Haldenwang.
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sieht die rechtsextremistischen Kräfte in der AfD gestärkt.Quelle: dpa, Kay Nietfeld
Seit Juni hat die AfD einen neuen Vorstand - gewählt auf einem chaotischen Parteitag, mit einer Doppelspitze aus Alice Weidel und Tino Chrupalla. Der Verfassungsschutz schaut bei der Partei genau hin, darf sie sogar beobachten. Gegenüber ZDFheute erläutert Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesverfassungsschutzes, erstmals seit dem AfD-Parteitag, wie seine Behörde die Partei nun einschätzt.
ZDFheute: Seit März dieses Jahres wird die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Verdachtsfall für rechtsextreme Bestrebungen beobachtet. Wie beurteilen Sie seitdem die jüngste Entwicklung der Partei?
Thomas Haldenwang: Das BfV nimmt wahr, dass die Urteile des VG Köln offensichtlich nicht dazu geführt haben, dass die vom BfV als Verdachtsfall eingestufte AfD eine Kurskorrektur vorgenommen hat.
Ganz im Gegenteil lassen besonders die Ergebnisse des Bundesparteitags den Schluss zu, dass die extremistischen Strömungen in der Partei zuletzt sogar noch einen Einfluss- und Bedeutungszuwachs verzeichnen konnten.
Thomas Haldenwang, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz
ZDFheute: Es gab zuletzt einen Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg, davor einen denkwürdigen Bundesparteitag in Riesa, inwiefern hat sich nach Einschätzung Ihres Amtes dort eine Radikalisierung der Partei gezeigt?
Nach dem Bundesparteitag der AfD in Riesa sehen wir eine Stärkung der extremistischen Strömungen in der Partei.
Thomas Haldenwang, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz
Haldenwang: Im neuen Bundesvorstand findet sich kein dezidierter Kritiker des formal aufgelösten rechtsextremistischen Verdachtsfalls "Flügel" mehr. Es ist deshalb derzeit nicht zu erwarten, dass aus dem Bundesvorstand heraus noch offen oder gar offensiv gegen die rechtsextremistische "Flügel"-Führungsfigur Björn Höcke und dessen Unterstützerumfeld Stellung bezogen wird.
Mag sich Höcke auch nicht in allen Punkten in Riesa durchgesetzt haben, etwa bei der von ihm mit Pathos vertretenen Europa-Resolution, so ist dennoch eine nochmals gewachsene Machtposition Höckes festzustellen.

Auf ihrem Parteitag wählt die AfD einen Vorstand "nach dem Geschmack" des Thüringer Landeschefs Björn Höcke. Die AfD häutet sich und legt endgültig ihren rechtsextremen Kern frei.

19.06.2022 | 05:38 min
ZDFheute: Demokratisch gewählte Regierungsvertreter werden als 'globalistische Sprechpuppen' diffamiert, ein 'Weltkampf' zwischen Globalisten und Nationalstaat ausgerufen - wie bewerten Sie diese neue Eskalationsstufe von extrem-rechten AfD-Vertretern?
Haldenwang: Es ist bedenklich, dass dieses Narrativ den Blick von relevanten Teilen der Partei auf sämtliche Probleme und Herausforderungen der Gegenwart prägt.
Besonders seit dem Beginn der Corona-Pandemie haben die Diffamierungen gegen andere Parteien und das politische System in Gänze nach unserer Bewertung nochmals zugenommen.
Thomas Haldenwang, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz
ZDFheute: Inwiefern werden hier auch antisemitische Codes bemüht?
Haldenwang: Wenn man sich die letztlich nicht verabschiedete Europa-Resolution etwas genauer anschaut, lautet darin ein entlarvender Satz: 'Den Globalisten war der Nationalstaat als einziger ernstzunehmender Gegenspieler multinationaler Konzerne und supranationaler Organisationen ein Dorn im Auge.'
Hinter diesem Satz verbirgt sich ein verschwörungstheoretisches Narrativ, das sich in ähnlichen Formulierungen in einer Vielzahl von Aussagen der AfD beziehungsweise einzelner Mitglieder findet.
Thomas Haldenwang, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz
Dieses Narrativ enthält letztlich auch antisemitische Codes, die - ob bewusst oder unbewusst - damit weiterverbreitet werden.
Das Interview führten David Gebhard und Julia Klaus. Mehr zum Thema sehen Sie im ZDF-Sommerinterview mit Alice Weidel (AfD) um 19:10 im ZDF und in der ZDFheute-App.

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