: Heusgen: "Da war kein Platz für Russland"

19.02.2023 | 21:46 Uhr
EU gegen Putin, USA gegen China - ein Hauch Kalter Krieg wehte durch die Sicherheitskonferenz. Chef Heusgen erklärt im ZDF, warum Russland nicht dabei war, China aber schon.
Sehen Sie oben das ganze Interview im Video und lesen Sie es hier in den wichtigsten Auszügen. Das sagt der neue Chef der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen ...

... dazu, dass Russland diesmal ausdrücklich nicht eingeladen war:

"Zu einem Dialog gehören zwei Parteien. Und wir sehen gerade, dass Russland keinen einzigen Abstrich macht an seiner Maximalposition und das ist die Eroberung der Ukraine. Russland hat die Eigenständigkeit, die Unabhängigkeit der Ukraine infrage gestellt und bis heute gibt es keine Abstriche daran. Und wir können in München jetzt nicht den unsäglichen Propaganda-Reden von dem Außenminister Lawrow folgen. Es ist viel wichtiger, dass wir hier Einheit im atlantischen Bündnis beweisen.
Wir müssen zusammenstehen gegen jemanden, der eben das internationale Recht mit Füßen tritt und da war kein Platz für Russland.

... dass China aber diesmal schon eingeladen war:

"Er (der chinesische Top-Diplomat Wang Yi) dagegen durfte reden. Er hat nicht die Ukraine überfallen. Und wir machen es ja auch so bei der Münchner Sicherheitskonferenz, dass wir nur ganz wenige Länder dann nicht einladen. Es war wichtig, dass China hier war. Und wir sind auch froh, dass wir als Münchner Sicherheitskonferenz, die Grundlage geboten haben dafür, dass der amerikanische Außenminister und der chinesische Außenminister sich hier getroffen haben.
US-Außenminister Blinken traf Top-Diplomaten Wang Yi - die Atmosphäre war kühl:
Das ist wichtig, dass München das bietet. Aber da hoffen wir eben darauf, dass die beiden sich einigen, dass es auch in der Eskalationsspirale, die wir manchmal ein bisschen sehen, zwischen den USA und China, dass wir einen Beitrag leisten, dass vielleicht das Ganze ein bisschen niedriger gehalten wird." 
Bilanz: Das war die Münchner Sicherheitskonferenz:

... dazu, dass Europa es nicht mal schafft, 60 funktionierende Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern:

"Ja, das ist jetzt wirklich absolut dringlich. (...) Und hier hat Deutschland jetzt die Führung übernommen. (...) Heute bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat der Außenbeauftragte der Europäischen Union den Vorschlag gemacht, dass wir auch die Munitionsbeschaffung, dass wir das auf europäischer Ebene machen, damit wir der Ukraine schnell helfen können.
Und es wäre ganz wichtig, dass jetzt hier sofort operiert wird und dass wir das machen. Denn die russischen Truppen machen ihre Fortschritte. Sie haben eben selbst auch gesagt, wie wichtig das ist, dass sie Munition bekommen. Und hier müssen wir agieren. Die Europäische Union ist bereit dazu, und wir müssen jetzt auch als Deutschland da sofort mitmachen."

... dazu, ob man überhaupt nochmal mit Putin reden kann:

"(...) Wir haben schon einem wirklich über Wochen, Monate, Jahre (mit Russlands Präsident Putin das Minsker Abkommen von 2015 - Anm.d.Red.) verhandelt. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das getan. Putin hat das alles zunichte gemacht. Jetzt gibt es auf diesem Weg nichts. Wir müssen die Ukraine stärken.

Was sind die Minsker Abkommen?

Quelle: ap
Nach Kämpfen zwischen von Russland unterstützten separatistischen Kräften in der Ostukraine und ukrainischen Einheiten, sollten die Minsker Abkommen von 2014 und 2015 den Konflikt im Osten der Ukraine befrieden.

Wer war an den Minsker Abkommen beteiligt?

Es gibt zwei nach der belarussischen Hauptstadt Minsk benannte Vereinbarungen: Die erste war im September 2014 von Vertretern Russlands, der Ukraine, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie den selbsternannten Volksrepubliken "Luhansk" und "Donezk" unterzeichnet worden. Vereinbart wurden zwölf Punkte, darunter eine sofortige Waffenruhe, ein Gefangenenaustausch sowie ein OSZE-Monitoring in der Ostukraine. Das Abkommen hielt aber nur rund drei Wochen, dann flammten die Kämpfe um den Flughafen Donezk wieder auf.

Die zweite Minsker Vereinbarung wurde von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem französischen Präsidenten Francois Hollande, Russlands Staatschef Wladimir Putin und dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ausgehandelt und im Februar 2015 unterzeichnet.

Was sahen die Minsker Abkommen vor?

Die Abkommen sahen unter anderem vor:

  • einen sofortigen Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen durch beide Seiten
  • die unverzügliche Freilassung aller Geiseln und rechtswidrig festgesetzten Personen
  • In Luhansk und Donezk sollten Wahlen abgehalten werden.
  • Kiew sollte eine Verfassungsreform verabschieden, die den Separatisten-Gebieten im Donbass einen Sonderstatus einräumt.

Wie wurden die Minsker Abkommen umgesetzt?

Die Überwachung der Vereinbarungen obliegt dem sogenannten Normandie-Format, in dem sich Vertreter Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands in unregelmäßigen Abständen treffen. Die Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk sind nicht Teil des Formats. Der erste große Verstoß gegen das zweite Minsker Abkommen folgte schon wenige Tage nach seiner Unterzeichnung, als die pro-russischen Separatisten die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Debalzewe verkündeten.

Seither wird das Abkommen nach OSZE-Angaben beinahe täglich gebrochen. Ziel bleibt ein nachhaltiger Waffenstillstand. "Substantielle Fortschritte" werden laut Auswärtigem Amt "durch noch weit voneinander entfernte Positionen" weiterhin erschwert. 

Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, Auswärtiges Amt, AFP

Und wenn die Russen einsehen, dass sie militärisch nicht weiterkommen, dann kann man noch mal überlegen, dass man eine Art Minsker Abkommen macht. Aber diesmal müssen wir der Ukraine auch die Versicherung geben, Sicherheitsgarantien geben, dass nicht Russland, wenn es sich es auf einmal anders überlegt, dass dann nicht Russland noch mal die Ukraine überfallen kann, so wie es das jetzt vor einem Jahr gemacht hat." 
Das Interview führte heute journal-Moderatorin Anne Gellinnek.
Die Münchner Sicherheitskonferenz in der Rückschau zum Nachlesen:
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