: Weltweite Hungersnot: "Die Lage ist explosiv"
25.04.2022 | 22:26 Uhr
Schon vor dem Krieg waren 150 Millionen Menschen mehr in Hungersgefahr als zwei Jahre zuvor. Dies hat sich noch verschärft, Entwicklungsministerin Schulze will Maßnahmen treffen. Hunger und Armut: Der Ukraine-Krieg hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Menschen vor Ort, sondern führt auch weltweit zu einem Preisanstieg von Lebensmitteln, da viele Länder fast komplett von Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine abhängig sind - so auch der Libanon. Dort war Entwicklungsministerin Svenja Schulze am Montag, wo sie dem UN-Welternährungsprogramm (WFP) zehn Millionen Euro Förderung für die weitere Arbeit in Aussicht stellte. Zudem wolle sie sich angesichts der drohenden Hungerkrise für eine deutliche Aufstockung der geplanten deutschen Haushaltsmittel einsetzen, so Schulze.
"Es ist ganz wichtig zu sehen, dass Putin jetzt auch mit dem Hunger sozusagen Krieg führt", sagte Schulze im ZDF heute journal. "Und deswegen müssen wir dem etwas entgegensetzen. Die Lebensmittelpreise steigen gerade enorm, und wenn die Hilfe weitergehen soll, dann braucht das Welternährungsprogramm einfach mehr Geld. Und es braucht auch zusätzlich noch eine bessere Koordinierung", so Schulze.
Es gehe aber nicht nur um Geld, betonte Schulze. Es gehe auch darum, dass die Hilfeleistungen auf der Welt besser koordiniert würden. Sie fordere deshalb ein globales Bündnis zur Ernährungssicherheit.
WFP: Preise gehen durch die Decke
"Die Situation ist explosiv", verdeutlicht der Deutschlandchef des WFP, Martin Frick, im Interview mit dem ZDF heute journal die angespannte Lage. "Wir hatten bereits im Januar, bevor der Ukraine-Krieg überhaupt begonnen hat, 150 Millionen mehr Menschen in Hungersgefahr als zwei Jahre zuvor. Covid, Klimawandel, all das hat dazu beigetragen. Jetzt ist der Überfall auf die Ukraine dazugekommen, hat die Preise durch die Decke getrieben. Das treibt Staaten und Familien an den Rand", erklärt Frick. Das liege daran, dass es weltweit nur sieben große Produzenten für Weizen gebe.
Drei Länder halten im Prinzip 60 Prozent der Weizenvorräte der Welt. Insofern ist die Verwundwundbarkeit da sehr hoch.
Rationen im Jemen mussten gekürzt werden
Entwicklungsministerin Schulze erklärte, es gebe zwar genug Weizen auf der Welt, aber es sei einfach nicht mehr möglich, dass es die Länder kaufen, weil das Geld dafür fehle.
Dass es auch eine "entwicklungpolitische Triage" gebe, bestätigte Frick. Das würde bereits seit Monaten betrieben, seit Dezember habe man im Jemen Rationen um die Hälfte kürzen müssen, um überhaupt noch alle Menschen erreichen zu können, die dringend Hilfe bräuchten.
Wir haben momentan eine Situation, in der wir nur die Hälfte derjenigen, die wirklich Akuthilfe brauchen, auch tatsächlich versorgen können.
Politische Unruhen befürchtet
Die angespannte Situation könnte auch zu politischen Unruhen führen, so Frick. "Wir haben das gesehen beim arabischen Frühling, als der rasant gestiegene Brotpreis bestimmt nicht der Grund, aber der Auslöser für den arabischen Frühling war. Jetzt haben wir eine Situation, die schlimmer ist", beschreibt der Deutschland Chef des UN-Welternährungsprogramms.
"Die allermeisten afrikanischen Länder zum Beispiel sind rettungslos überschuldet und können sich diese Preise gar nicht leisten", so Frick.
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Quelle: ZDF, EPD