: Europas Angst vor Giorgia Meloni
In Brüssel gibt es dieser Tage Diplomaten wichtiger EU-Mitgliedsstaaten, die so gut es geht beschwichtigen. Man müsse abwarten, wie die Wahl in Italien ausgeht. Meist würden sich harte Wahlkampfsprüche in der Praxis erledigen. Und schließlich habe Giorgia Meloni - die Vorsitzende der rechtsextremen "Fratelli d’Italia" und nach Umfragen mögliche künftige Ministerpräsidentin Italiens - ja gesagt, dass sie weiter zu EU und Nato stehe.
Es regiert das Prinzip Hoffnung: dass alles schon nicht so schlimm wird. Dabei ist die Frage, ob es nicht schon schlimm genug wird - zumindest aus Sicht von europafreundlichen Parteien. Was passiert, sollte das EU-Gründungsmitglied Italien bald von Rechten und Rechtsextremen regiert werden?
Von der Leyen droht mit "Werkzeugen" der EU
Was wird aus der Russland-Politik der EU - wo sich Melonis Mitstreiter, Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi, gerade erst wieder hervorgetan hat mit merkwürdigen Erklärungen für Russlands Krieg: Putin sei zum Einmarsch in die Ukraine quasi gedrängt worden, so Berlusconi.

Italien wählt und nach den letzten Prognosen wird das Mitte-Rechts-Bündnis die neue Regierung stellen. An ihrer Spitze: Giorgia Meloni, deren Partei in Umfragen stärkste Partei ist.
21.09.2022 | 06:13 minBekommt Ungarns Premier Orban mit Giorgia Meloni bald eine neue Verbündete in seinem Feldzug gegen Brüssel? Immerhin hatte Meloni "Italy first" zu ihrem Leitmotiv erhoben. Und erst am Freitag wurden missverständliche Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von Melonis Getreuen dankbar aufgegriffen. "Wir werden sehen. Wenn die Dinge in eine schwierige Richtung gehen - ich hatte schon über Ungarn und Polen geredet - dann haben wir Werkzeuge", hatte von der Leyen bei einer Veranstaltung an der US-Universität Princeton gesagt.
Italien wählt ein neues Parlament. Der Mitte-Rechts-Block mit der postfaschistischen Giorgia Meloni an der Spitze hat gute Chancen zu gewinnen und die neue Regierung zu stellen.
23.09.2022 | 02:34 min- "Wir sind besorgt", sagt die Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, die Spanierin Iratxe García Pérez, zu ZDFheute. "Wir sehen anderswo, was passiert, wenn Rechtspopulisten die Macht übernehmen: Sie untergraben den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung und die Pressefreiheit."
- Ein "weiteres Unwetter" fürchtet der Chef der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen. "Dabei brauchen wir am Beginn einer tiefen Rezession mehr europäische Zusammenarbeit und eine handlungsfähige Europäische Union."
- Nur die AfD freut sich offen über die Aussicht auf eine rechte Regierung: Einen "überfälligen Wandel" sieht AfD-Europaparlamentarier Bernhard Zimniok - und spricht von einem möglichen "Signal auch für andere EU-Staaten wie Deutschland."
Was kommt nach dem Pro-Europäer Mario Draghi?
Dass Meloni sich im Wahlkampf bemüht moderat gab, sich von früheren Ideen eines EU-Austritts verabschiedet hat und etwa in einem Video auf Englisch, Französisch und Spanisch die Ängste der Europäer zu zerstreuen versuchte: Das beeindruckt dabei die wenigsten.
Rechtspopulisten quer durch Europa haben einfach verstanden, dass sie von EU-Geldern profitieren können.
"Die größere Gefahr sehe ich darin, dass Meloni versuchen wird, die EU von innen auszuhöhlen, sie handlungsunfähig zu machen", sagt Expertin Sophie Pornschlegel vom European Policy Centre in Brüssel.
Andere, wie der einflussreiche CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, fürchten eine Rückkehr der Euro-Krise, sollte Meloni an die Macht kommen. "Eine weitere Erhöhung der Schulden, wie sie sowohl Frau Meloni als auch Herr Salvini vorschlagen, würde die Stabilität des Euros massiv gefährden", so Ferber zu ZDFheute.
Das zweifelhafte Engagement von CSU-Politiker Manfred Weber
Die deutliche Kritik eines Konservativen ist bemerkenswert - hatte doch Ferbers Fraktionsvorsitzender, der CSU-Politiker Manfred Weber, im Wahlkampf offensiv für Silvio Berlusconi geworben.
Silvio Berlusconi mit Manfred Weber auf Instagram
Berlusconis Partei "Forza Italia" wiederum paktiert im Rechtsbündnis mit Giorgia Meloni. Es ist ein Werben, das selbst in Webers eigenen Reihen für deutliches Grummeln sorgt. Steht die Brandmauer zur extrem Rechten noch, fragt sich manch Konservativer im Parlament. Kaum einer will den eigenen Fraktionschef öffentlich kritisieren.
Andere tun das dafür umso schärfer: Ein "schwerer Fehler" sei das Engagement Webers, sagt der Grüne Andresen. Die Sozialdemokratin García Pérez wird noch deutlicher: "Es ist eine Schande", sagt sie zu ZDFheute. Und weiter: "Das wäre in der Union unter Führung von Angela Merkel nie passiert." Manfred Weber selbst wollte sein Engagement auf Nachfrage von ZDFheute nicht weiter kommentieren.