: Boris Johnson "wird nicht vermisst werden"
07.07.2022 | 16:54 Uhr
Der Druck wurde zu groß: Der britische Premier Boris Johnson hat verkündet, zurücktreten zu wollen. Die ersten Reaktionen auf die Entscheidung fallen größtenteils positiv aus.Boris Johnson will gehen - allerdings erst wenn seine Partei einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für seinen Posten als britischen Premierminister gefunden hat. Der britischen Politik könnten stürmische Zeiten bevorstehen. Das zeigt sich bereits an den ersten Reaktionen aus dem Norden des Vereinigten Königreichs.
Nach dem angekündigten Rückzug hat die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ihre Forderung nach Unabhängigkeit bekräftigt. Es sei zwar eine Erleichterung, dass Johnson gehe, sagte Sturgeon am Donnerstag der BBC. Aber wichtiger sei, dass Schottland eine Alternative zum "kaputten Westminster-System" benötige - unabhängig davon, wer Johnson nachfolge.
Schottland würde niemanden dieser Leute als Premier wollen.
Sturgeon hat für Oktober 2023 ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum angekündigt. Allerdings ist noch unklar, ob eine Abstimmung rechtmäßig wäre.
"Der Premierminister hat das Richtige getan"
Auch der walisische Regierungschef Mark Drakeford begrüßte Johnsons Rückzug. "Alle vier Länder benötigen eine stabile britische Regierung, und deshalb freue ich mich sehr, dass der Premierminister nun das Richtige getan und seinem Rücktritt zugestimmt hat", twitterte Drakeford. Der Politiker ist Mitglied der Labour-Partei, die im britischen Parlament in der Opposition sitzt. Die Chefin der stärksten irischen Partei Sinn Fein, Mary Lou McDonald, sagte, Johnson habe sich immer negativ gegen Irland verhalten und "wird nicht vermisst werden". Nun sei ein Wandel nötig.
Auch im EU-Parlament zeigen sich Politiker und Politikerinnen erleichtert über Johnsons Ankündigung. "Es ist überfällig, dass Johnson zurücktritt. Seine Amtszeit als Premierminister war eine Katastrophe für die Beziehungen zwischen der EU und UK", teilte etwa die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament, Anna Cavazzini (Grüne), mit. Er habe Konflikte mit der EU systematisch als Ablenkungsmanöver genutzt, um von den hausgemachten Skandalen abzulenken.
"Entscheidend ist, dass das Vereinigte Königreich weiterregiert werden kann", betonte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, David McAllister (CDU). Beide Abgeordneten hatten vor allem mit der Regierung in London zu tun, als Streitigkeiten zwischen der EU und Großbritannien um Brexit-Regeln für die britische Provinz Nordirland ausbrachen.
García: Längst überfälliger Rücktritt
Die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Iratxe García, sagte, die Amtszeit Johnsons habe die Beziehungen zu Großbritannien auf einen historischen Tiefpunkt gesenkt. "Sein längst überfälliger Rücktritt muss einen Wendepunkt markieren." Das Vereinigte Königreich habe etwas Besseres verdient. An eine mögliche Nachfolge gerichtet, sagte sie: "Hören Sie bitte auf, Brücken zu uns abzubrechen, fangen Sie bitte an, sie zu bauen."

Nach zahlreichen Skandalen und über 50 Rücktritten von Regierungsmitgliedern ist der britische Premier Boris Johnson heute zurückgetreten.
07.07.2022 | 03:15 minAuch die britische Außenministerin Liz Truss begrüßt die Entscheidung von Johnson, wie sie auf Twitter schreibt. "Der Premierminister hat die richtige Entscheidung getroffen." Man bräuche nun "Ruhe und Einheit" und müsse weiterregieren, bis ein neuer Regierungschef gefunden sei.
Das ukrainische Präsidialamt dankte Johnson auf Twitter für die Unterstützung der Ukraine "in den schwersten Zeiten". Auch der ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, bedankte sich bei Johnson. Wegen seiner Rolle im Brexit habe er ihn nicht gemocht, "aber, mein Gott, er hat das Richtige für die Ukraine getan." Anton Gerashchenko, Berater des Ministers für innere Angelegenheiten der Ukraine, nannte Johnson auf Twitter einen "wahren Freund der Ukraine".
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hingegen sagte, Russland hoffe, "dass eines Tages in Großbritannien professionellere Leute an die Macht kommen, die Entscheidungen im Dialog treffen können".
Quelle: dpa, afp