FAQ

: Warum reden alle wieder über Kampfjets?

von Florian Neuhann und Kristina Hofmann
17.05.2023 | 13:09 Uhr
Die Ukraine möchte sie unbedingt: Kampfjets. Bislang gibt es nur vage Andeutungen von einigen Nato-Ländern. Deutschland hält sich bisher raus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Mehrere europäische Staaten wollen, dass die Ukraine Kampfflugzeuge bekommt. Konkret geht es dabei um F-16-Jets.

17.05.2023 | 01:38 min

Warum reden jetzt alle über Kampfjets?

Der Wunsch der Ukraine nach Kampfjets ist nicht neu. Schon seit Monaten werben Vertreter der ukrainischen Regierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Westen dafür. Im März erhielt die Ukraine dann die erste Zusage von Polen und der Slowakei. Beide Länder liefern sowjetische Mig-29-Kampfjets, die noch aus alten Beständen der DDR stammen - weshalb die Bundesregierung ihre Zustimmung erteilen musste.
Doch die sowjetischen Kampfjets sind alt und in vielen Fällen den modernen russischen Waffen unterlegen. Deshalb drängt die Ukraine seit Wochen auf moderne westliche Kampfjets. Auf seiner Europareise in den vergangenen Tagen hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das Thema auf jeder seiner Stationen angesprochen, ob in Berlin, Paris oder London.

Wer will Kampfjets liefern?

Neu ist nun, dass sich zwei Regierungschefs aus dem Kreis der Nato erstmals offen für die Lieferung von F-16-Kampfjets aussprechen. Der britische Premierminister Rishi Sunak und der niederländische Premier Mark Rutte trafen sich am Dienstag am Rande des Gipfels des Europarats in Reykjavik. Später erklärte ein Sprecher der britischen Regierung, beide hätten vereinbart, "eine internationale Koalition zu bilden", um die Ukraine mit entsprechenden Kampfjets auszustatten und die Piloten dafür auszubilden.
Militärexperte Keupp über die Debatte um eine Lieferung von Kampfjets:

Die Lieferung moderner westlicher Kampfjets ist für Militärexperte Marcus Keupp nur eine Frage der Zeit, die der Ukraine die Lufthoheit im eigenen Land bringen würde.

17.05.2023 | 04:59 min
Der niederländische Premier Rutte betonte aber am Mittwoch, es seien noch keine konkreten Absprachen zu einer möglichen Lieferung getroffen worden:
Wir können erst dann etwas ankündigen, wenn es auch fertig ist. Aber wir bauen mit anderen Ländern an etwas, was man eine Koalition nennen könnte, mit Ländern, die mitdenken wollen, wie es möglich wäre.
Mark Rutte
Es gelte, was er schon im Mai gesagt habe: "Es gibt hier keine Tabus", so Rutte. Eine Koalition solle aber möglichst schnell gebildet werden.
Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace klang bei seinem heutigen Besuch in Berlin etwas zurückhaltender, denn auch Großbritannien habe keine F-16-Kampfjets: Es gehe nicht darum, jetzt Flugzeuge zu liefern, sondern höchstens die Ukraine dabei zu unterstützen, indem man eine Art Technik-Plattform bildet. "Unsere Rolle ist auf Ausbildung und Koordinierung begrenzt", so Wallace.

Um welche Kampfjets geht es der Ukraine?

Die Ukraine hätte gern F-16-Kampfflugzeuge - Jets aus US-amerikanischer Bauart, die bereits seit den 1970er Jahren produziert werden und seitdem immer wieder modernisiert wurden. Solche Kampfjets haben verschiedene Nato-Staaten im Bestand: Neben den USA sind dies Belgien, Dänemark, Griechenland, Polen, Portugal, Rumänien, die Türkei und die Niederlande.
Insofern ist die Zusage des niederländischen Premiers Rutte von Bedeutung: Sein Land könnte tatsächlich F-16-Kampfjets bereitstellen. Zur Ausbildung von Piloten hatte sich am Montagabend auch der französische Präsident erklärt. Emmanuel Macron sagte ebenfalls: "Es gibt keine Tabus." Sein Land besitzt jedoch ebenso wie Deutschland und Großbritannien keine F-16-Kampfjets.
Für die Lieferung entscheidend ist aber die Zusage der US-Regierung. Die USA sind das Herkunftsland dieser Kampfflugzeuge, daher ist sie vonnöten. Am Montagabend hatte der für nationale Sicherheit zuständige Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, gesagt: Die Position der der USA zu F-16-Kampfjets habe sich nicht geändert. Heißt: Washington selbst will die Maschinen liefern.
Unklar blieb, ob die USA mit einer Lieferung durch andere Staaten einverstanden wären. Frühere Aussagen aus der US-Regierung lassen jedoch annehmen, dass die USA dem wohl nicht widersprechen würden.

Was ist die deutsche Position?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagt es immer wieder, auch am Mittwoch noch einmal beim Gipfel des Europarates in Reykjavik: "Es sind keine Anforderungen da." Deutschland hat die jetzt geforderten Kampfjets nicht. Und: Deutschland kann bei diesen Anfragen auf die gerade erst beschlossene Waffenlieferung in Höhe von 2,7 Milliarden Euro verweisen. "Wir konzentrieren uns auf das, was wir tun", so Scholz. "Das ist unsere Aufgabe."
Was Deutschland hat, sind Eurofighter und Tornados. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass diese Kampfjet-Typen der Ukraine angeboten werden sollen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) lehnt das ab: "Das hat schlicht was mit der Reichweite der Maschine zu tun, mit der Komplexität der Ausbildung", sagte sie im "Deutschlandfunk". Vorstellbar aber sei, dass die F-16-Flugzeuge auf deutschen Militärstützpunkten gewartet werden, so Strack-Zimmermann.
Doch kurzfristig sieht Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auch das eher nicht. Die Ausbildung von Piloten sei aufwändig und könne eher relevant werden, wenn langfristig, nach einem Frieden mit Russland, gesichert werden müsse. "Im Augenblick sehen wir die Situation überhaupt nicht", sagt er beim Besuch seines britischen Kollegen Wallace.

Verteidigungsexperte Mölling ist sich sicher, dass die Ukraine noch in den nächsten Jahren Unterstützung braucht. Dies sei die "Herausforderung, vor der Gesamteuropa" stehen würde.

15.05.2023 | 05:53 min

Wie hoch ist das Risiko einer Eskalation?

Es ist das wichtigste Gegenargument gegen die Lieferung von westlichen Kampfjets: die Gefahr einer Eskalation. Einerseits könnte die Lieferung eine rote Linie des russischen Präsidenten Wladimir Putin überschreiten, wofür es bis dato keine Anzeichen gibt.
Andererseits könnte die Ukraine mit solchen Kampfjets auch weit entfernte Ziele im russischen Hinterland angreifen: Nach Angaben der US-Luftwaffe kann ein F-16 immerhin 860 Kilometer weit fliegen, dort Waffen abschießen und anschließend zum Ausgangspunkt zurückkehren.
Solche Angriffe wären definitiv nicht im Interesse der Nato. Der ehemalige Nato-Chefstratege Fabrice Pothier entgegnet im ZDF-Interview, sie seien auch nicht im Interesse der Ukraine. "Die Ukraine hat sich bis jetzt sehr zurückgehalten. Schon die bisherigen Waffensysteme hätten sie ja sehr viel offensiver, spektakulärer einsetzen können - haben das aber nicht getan. Nach einem Jahr der Zusammenarbeit können wir der Ukraine vertrauen."
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

Thema

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine