: Karlsruhe weist Klage der AfD-Fraktion ab
Kandidaten der AfD für das Amt eines Bundestags-Vizepräsidenten verfehlen immer wieder die erforderliche Mehrheit. Zuletzt musste sich im Dezember 2021 der AfD-Abgeordnete Michael Kaufmann geschlagen geben.
Zwei Misserfolge
Die AfD sieht sich diskriminiert, strengte zwei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an. Doch auch juristisch blieb sie heute ohne Erfolg.
Mit der ersten Klage hatte die AfD-Bundestagsfraktion einen Anspruch auf einen Posten im Präsidium geltend machen wollen. Das Karlsruher Gericht verwarf den Antrag jedoch als offensichtlich unbegründet.
Gericht: Kein Besetzungsrecht
Zwar ist in der Geschäftsordnung des Bundestags vorgesehen, dass jede Fraktion mindestens einen Bundestagsvizepräsidenten stellt. Doch die Richterinnen und Richter machten in ihrem schriftlichen Beschluss deutlich, dass der von einer Fraktion aufgestellte Kandidat oder die Kandidatin nur dann einen Sitz im Präsidium erhält, wenn er eine Mehrheit erreicht.
Das Grundgesetz sehe für die Bestimmung des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter eine Wahl vor und kein Besetzungsrecht. Den Abgeordneten Vorgaben zu machen, wen sie zu wählen hätten, widerspräche dem Grundsatz einer freien Wahl.
Der Anspruch der AfD-Fraktion sei darauf beschränkt, dass sie einen Kandidaten für die Wahl vorschlagen kann und die Wahl ordnungsgemäß durchgeführt wird, so das Gericht. Scheitere der Kandidat, bleibe die Stellvertreterposition unbesetzt, solange ein neuer Personalvorschlag keine Mehrheit erreiche.
Kandidatenvorschlag muss von Fraktion erfolgen
Bereits am Vormittag hatten die Richterinnen und Richter des zweiten Senats ein Urteil verkündet und eine weitere Klage aus den Reihen der AfD zum Bundestagspräsidium abgewiesen.
Darin ging es um die Frage, ob neben der Fraktion auch ein einzelner Abgeordneter einen Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten vorschlagen kann. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Fabian Jacobi hatte dies im November 2017 versucht, das Bundestagspräsidium seinen Vorstoß aber als unzulässig zurückgewiesen.
Eine ausdrückliche Regelung in der Geschäftsordnung zur Frage, wer die Wahlvorschläge macht, gibt es nicht. Allerdings ist es jahrzehntelange Praxis des Bundestags, dass das Vorschlagsrecht nur den Fraktionen zusteht, nicht einzelnen Abgeordneten. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte nun, dass der Bundestag das so weiterführen und das Wahlvorschlagsrecht auf die Fraktionen beschränken kann.
Ziel: Effektive Abläufe
Grundsätzlich hätten einzelne Bundestagsabgeordnete zwar das Recht, Wahlvorschläge zu unterbreiten, führte die Vorsitzende des zweiten Senats Doris König bei der Urteilsverkündung aus. Daher greife die Beschränkung auf die Fraktionen in die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten ein. Das sei aber gerechtfertigt, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen.
Dahinter steht der Gedanke, dass die Akzeptanz der Mitglieder des Bundestagspräsidiums höher ist, wenn eine ganze Fraktion hinter ihnen steht. So kann die Organisation der Abläufe des Bundestags effektiver koordiniert werden, weil Kompromisse und Verständigung eher möglich sind.
Zudem argumentierten die Richterinnen und Richter, dass die Einschränkung für die Abgeordneten vergleichsweise geringfügig sei, weil diese sich innerhalb ihrer Fraktion für einen von ihnen favorisierten Kandidaten einsetzen könnten. Die AfD kann nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht weiterhin nur über die Fraktion weitere Kandidaten aufstellen und auf eine Mehrheit hoffen, um doch noch einen Bundestagsvizepräsidenten zu stellen.
Aktuell besteht das Präsidium des Deutschen Bundestags aus Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und ihren vier Stellvertretern Aydan Özoğuz (SPD), Yvonne Magwas (CDU/CSU), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Pau (Die Linke) sowie Wolfgang Kubicki (FDP). Die Bundestagspräsidentin oder ihre Stellvertreter leiten die Sitzungen des Parlaments und vertreten den Bundestag nach außen.
Samuel Kirsch arbeitet als Jurist in der Redaktion Recht und Justiz.