FAQ

: Wer profitiert im Kasachstan-Konflikt?

08.01.2022 | 18:33 Uhr
Die Lage in Kasachstan eskaliert: Aus Protest gegen teuren Treibstoff ist ein blutiger Konflikt geworden. Der Präsident nutzt das für sich - aber zu welchem Preis? Eine Übersicht.
Die Ereignisse in der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Kasachstan überschlagen sich: Aus Protesten gegen deutliche Gaspreis-Erhöhungen sind schwerste Ausschreitungen mit Toten und Verletzten geworden. Viele Demonstranten gehen friedlich gegen die autoritäre Staatsführung auf die Straße, daneben liefern sich bewaffnete Mobs Gefechte mit Sicherheitskräften.
Was aber hat Staatschef Tokajew davon, auf die eigenen Leute schießen zu lassen?

Warum ist die Lage in den letzten Tagen so eskaliert?

Seit Jahren sind viele Kasachen frustriert von Korruption und Machtmissbrauch in ihrer Heimat. Die gestiegenen Preise für Treibstoff an den Tankstellen seien da für viele nur symptomatisch gewesen, meinen Experten.
Viele Menschen sind schon lange unzufrieden:
Zu beobachten sei "die Unzufriedenheit mit der Tatsache, dass einerseits das Land über hohe Erdöl- und Gasvorkommen verfügt, dass die Gewinne daraus aber nur bei sehr wenigen ankommen", sagt Andrea Schmitz, Zentralasien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, der dpa.

Welche Absichten verfolgt Präsident Tokajew?

Seit dem Rücktritt des ersten kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew ist Tokajew zwar Staatschef gewesen. Wesentliche Vollmachten aber waren beim 81-jährigen Nasarbajew geblieben, weshalb es in dem Land im Grunde zwei Machtzentren gab.
Tokajew steht im Ruf, wichtige Reformen auch mit Rücksicht auf seinen politischen Ziehvater verschleppt zu haben. Durch die nie dagewesenen blutigen Unruhen in Almaty entsteht nun ein neues System - mit Tokajew im Zentrum.
Karte: Kasachstan - Hauptstadt Nur-SultanQuelle: ZDF
Der frühere Diplomat zog im Grunde parallel zu den Protesten eine Palastrevolution durch, indem er Nasarbajews Machtbasis weitgehend zerstörte.
In nur wenigen Tagen habe Tokajew Nasarbajews Ära endgültig beendet, schreiben Experten der Denkfabrik Moskauer Carnegie Center in einer Analyse. Der Präsident, so Experten, habe wahrscheinlich am meisten durch die Krise gewonnen.

Kommt Kremlchef Wladimir Putin die Krise in Kasachstan gelegen?

Das öl- und gasreiche Land mit Zugang zum Kaspischen Meer ist für Russland der wichtigste Verbündete in der Region Zentralasien. In der kasachischen Steppe liegt auch Russlands Weltraumbahnhof Baikonur, ein strategisch wichtiges Objekt.
Daten und Fakten zu Kasachstan:
Zwar ist Russland in zahlreichen Krisen eingebunden wie etwa in Syrien.
Aber Kasachstan ist eine weitere Gelegenheit für Putin, Stärke zu zeigen. Zudem hebt er die Bedeutung der von Russland dominierten Organisation des Vertrags über die kollektive Sicherheit, einer bisher eher zahnlosen Antwort auf die Nato, die nun den Militäreinsatz führt.
ZDF-Korrespondentin Gaa erklärt die Hintergründe:
Putin dürfte Vorteile durch den Einsatz sehen, weil Russland sich als Garant von Stabilität in Zentralasien zeigen kann. Durch die Unterstützung für Tokajew erhält er sich ein russlandfreundliches System in Kasachstan.
Das war schon bei der Hilfe für den als "letzten Diktator Europas" kritisierten Alexander Lukaschenko in Belarus zu sehen. Kremlkritiker in Moskau betonen, dass Putin durch den Militäreinsatz auch ein Signal an Gegner im eigenen Land sende, dass er um keinen Preis von der Macht lassen und sie notfalls mit Gewalt durchsetzen werde - wie in Belarus und in Kasachstan.

Wie wird es nun weitergehen in Kasachstan?

Durch sein insgesamt hartes Durchgreifen dürfte sich der frühere Diplomat Tokajew nun als ein Politiker profilieren, der mit Einschüchterung und harter Hand regiert.
Die Experten des Carnegie-Zentrums erwarten keine grundlegenden Reformen, sondern vielmehr wie zuletzt in Belarus eine "Verhärtung des Regimes" und Druck auf Andersdenkende. Allerdings ist damit nicht die schwere wirtschaftliche Krise im Land, die sich durch die Lockdowns in der Pandemie verschärfte, gelöst.

Warum ist die Quellenlage so schwierig?

Die autoritären kasachischen Behörden haben vielerorts immer wieder das Internet abgestellt. Die Ex-Sowjetrepublik hat zudem die Grenzen für Ausländer geschlossen. In Almaty ist die Mobilfunkverbindung ständig unterbrochen. Unabhängige Journalisten und Beobachter dort vor Ort zu erreichen, war zuletzt kaum möglich.
Kasachstan versinkt immer mehr im Chaos:
Verfügbar sind vor allem Darstellungen von Behörden, Staatsmedien - und dem Präsidenten selbst. Doch an denen gibt es zumindest erhebliche Zweifel. So behauptete Tokajew etwa, 20.000 "Banditen" hätten Almaty angegriffen.
Der kasachische Politologe Marat Baschimow hingegen meint, derart viele Terroristen hätten im Vorfeld wohl schwerlich von den gut aufgestellten kasachischen Sicherheitsorganen unbemerkt agieren können.
Die aktuelle Lage in Kasachstan ist hier zusammengefasst:
Quelle: H. Wagner/U. Mauder, dpa

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