: Prorussische Separatisten planen Referendum
27.03.2022 | 23:55 Uhr
Luhansker Separatisten wollen Beitritt zu Russland. Neue Verhandlungen am Montag. Selenskyj fordert erneut schwere Waffen. Der 32. Kriegstag im Rückblick.Das Wichtigste in Kürze
- Luhansker Separatisten setzen mit geplantem Referendum Kiew unter Druck
- Ukrainische Behörden melden Probleme bei Fluchtkorridor für Mariupol
- Ukraine und Russland wollen am Montag in der Türkei weiterverhandeln
- Selenskyj fordert erneut Kampfflugzeuge und Panzer
- Blockierte Schwarzmeerhäfen: Ukraine exportiert Getreide mit dem Zug
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Der 32. Kriegstag in der Ukraine:
- Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den russischen Staatschef Wladimir Putin dringend um einen Waffenstillstand in der Ukraine gebeten. In einem Telefongespräch am Sonntag habe Erdogan auch auf eine Verbesserung der humanitären Lage in der Region gedrängt, teilte sein Präsidialamt mit .
- Mehr als einen Monat nach Kriegsbeginn hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit russischen Journalisten Kremlchef Wladimir Putin eine Verzögerung der Friedensverhandlungen vorgeworfen. In dem rund anderthalbstündigen Video-Gespräch, das etwa das kritische Portal Meduza am Sonntagabend veröffentlichte, forderte Selenskyj einmal mehr einen Abzug russischer Truppen von ukrainischem Territorium.
- Russland und die Ukraine werden nach Angaben der ukrainischen Regierung am Montag in der Türkei eine neue Verhandlungsrunde starten. "Bei den heutigen Gesprächen per Videokonferenz wurde beschlossen, die nächste Runde in Präsenz in der Türkei vom 28. bis 30. März abzuhalten", teilte der ukrainische Unterhändler David Arachamia am Sonntag im Online-Netzwerk Facebook mit. Am 10. März hatten bereits Verhandlungen auf Ministerebene im türkischen Antalya stattgefunden, die keine konkreten Fortschritte im Bemühen um eine Waffenruhe in der Ukraine gebracht hatten.
- Die prorussischen Separatisten im umkämpften Gebiet Luhansk im Osten der Ukraine wollen über einen Beitritt der Region zu Russland abstimmen lassen. Sie haben das "absolute verfassungsmäßige Recht" dazu, sagte der Luhansker Separatistenführer Passetschnik der Staatsagentur Tass zufolge am Sonntag. Damit erhöhen die Separatisten den Druck auf die Regierung in Kiew. Russlands Präsident Putin hatte im Februar die abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk als Staaten anerkannt und zu deren Schutz vor der ukrainischen Armee die russische Invasion in die Ukraine gestartet. Der ukrainische Präsident Selenskyj lehnt einen Verzicht auf Gebiete des Landes ab.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ruft die internationale Gemeinschaft erneut zur Lieferung schwerer Waffen auf. In einer Videobotschaft forderte er Kampfflugzeuge und Panzer für die ukrainischen Streitkräfte. Die schwer umkämpfte Hafenstadt Mariupol etwa könne nicht ohne ausreichende Bestände an Panzern, schwerem Gerät und Flugzeugen befreit werden.
- Russische Luft- und Raketenstreitkräfte beschießen nach britischen Angaben weiterhin Ziele in der gesamten Ukraine, darunter auch in dicht besiedelten Gebieten. Dabei verlasse sich Russland weiterhin auf sogenannte Abstandsmunition, die aus dem russischen Luftraum abgefeuert werde, um die eigenen Flugzeuge nicht der ukrainischen Luftabwehr auszusetzen, heißt es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Diese russischen Waffen versagten allerdings laut US-Berichten in bis zu 60 Prozent der Fälle, was die Nachschubprobleme bei Waffen auf russischer Seite noch verstärken werde. Dies werde dazu führen, dass die Russen entweder auf weniger hochentwickelte Raketen zurückgreifen oder ihre Flugzeuge höheren Risiken aussetzen müssten.
- Die Ukraine hat wegen der Blockade seiner Schwarzmeerhäfen durch Russland mit den ersten Getreidelieferungen per Zug nach Europa begonnen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Sie beruft sich dabei auf einen am Sonntag veröffentlichten Bericht des Agrarberatungsunternehmen APK-Inform. 98 Prozent der Getreideausfuhren wurden bisher von den Schwarzmeerhäfen aus verschifft. Laut ukrainischen Verkehrsbehörden könnten monatlich bis zu 600.000 Tonnen Getreide per Zug nach Europa exportiert werden - etwa 12 Prozent der Vorkriegsmenge.
Fragen und Antworten zum Russland-Ukraine-Konflikt
- Wie verhält sich die EU, wenn ein Mitgliedsland angegriffen wird?
- Warum ein Deutscher in der Ukraine kämpft
- Was ist bekannt über russische Atomwaffen?
- Ist es denkbar, dass Putin entmachtet wird?
- Alle aktuellen Entwicklungen der Russland-Ukraine-Krise im Liveblog
- Seit Kriegsausbruch vor einem Monat seien bereits zwölf Journalisten ums Leben gekommen. Weitere zehn Reporter seien im Verlauf der Kämpfe teils schwer verletzt worden. Das teilte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa auf ihrer Facebook-Seite mit.
- Nach UN-Angaben sind mittlerweile mehr als 3,7 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Allein 2,3 Millionen Menschen aus der Ukraine sind nach Polen geflüchtet, 572.000 nach Rumänien und 376.000 in die Republik Moldau.
ZDFheute Infografik

Mehr
Mehr
Mehr
Die Situation in den ukrainischen Städten
- Die russischen Streitkräfte haben in der Ukraine nach Angaben aus Moskau ein großes Treibstofflager in der Nähe der westukrainischen Stadt Lwiw (früher Lemberg) zerstört. Aus dem Brennstoffdepot sei das ukrainische Militär im Westen des Landes und nahe Kiew versorgt worden, teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, mit. Das deckte sich mit Angaben aus der Ukraine vom Vortag. Mit von Flugzeugen und Kriegsschiffen abgefeuerten Raketen seien mehrere Militärobjekte in den Gebieten von Lwiw und Kiew zerstört worden, sagte der russische Generalmajor.
- In der von russischen Truppen eingekreisten Stadt Tschernihiw im Norden der Ukraine sei die Infrastruktur durch "aktive Kampfhandlungen" fast vollständig zerstört worden, teilte die Regionalverwaltung am Sonntag mit. Betroffen seien Strom-, Heizung- und Wasserversorgung; nur die Gasversorgung funktioniere noch teilweise. Es werde versucht, die Schäden zu reparieren, schrieb Verwaltungschef Wjatscheslaw Tschaus auf Telegram. Von Tschernihiw führt eine strategisch wichtige Straße 125 Kilometer nach Süden in die Hauptstadt Kiew.
- Der Bürgermeister von Mariupol, Wadym Bojtschenko, berichtet in einem Gespräch mit der Agentur Unian von extrem schweren Kämpfen. "Ihre Aufgabe ist einfach, die Stadt von der Erdoberfläche auszuradieren, samt Bewohnern", warf er den russischen Militärs vor. Zuletzt hatten die Behörden Mariupols die Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung mit 2.187 angegeben. Mittlerweile sei die Zahl "erheblich höher", so Bojtschenko, ohne weitere Details zu nennen. Von den ursprünglich 540.000 Einwohnern sei bereits über die Hälfte evakuiert worden.
- In der ostukrainischen Stadt Charkiw ist nach lokalen Medienberichten der nukleare Forschungsreaktor "Neutronenquelle" erneut unter Artilleriebeschuss geraten. Eine Überprüfung des Ausmaßes der Schäden sei wegen der ununterbrochenen Kampfhandlungen vor Ort unmöglich, teilte die staatliche Atomaufsicht mit. Vor knapp zwei Wochen war die Anlage bei einer Bombardierung beschädigt worden. Der Reaktor war zu Kriegsbeginn in einen sogenannten unterkritischen Zustand heruntergefahren worden.
Reaktionen auf den russischen Angriff auf die Ukraine
- Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Kritik zurückgewiesen, Deutschland finanziere mit seinen Energieimporten aus Russland den Ukraine-Krieg von Kremlchef Wladimir Putin mit. "Russland kann mit dem Geld, das es auf seinen Konten lagert, gegenwärtig gar nichts anfangen wegen unserer Sanktionen", sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ARD. Es gehe um ein paar hundert Milliarden an Devisenreserven. "Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass es diesen Zusammenhang überhaupt gibt." Zugleich lehnte Scholz einen sofortigen Energie-Importstopp aus Russland ab und warnte vor den Folge eines solchen Schrittes.
- Angesichts der riesigen Fluchtbewegungen aus der Ukraine haben sich Innenministerin Faeser (SPD) und ihr polnischer Kollege mit einem dringenden Hilfsappell an die EU-Kommission gewandt. In einem Schreiben an Kommissionsvize Schinas und Innenkommissarin Johansson dringen die beiden auf mehr Unterstützung bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die anderen EU-Staaten sowie auf finanzielle Hilfe. Möglichkeiten wären ein Pauschalbetrag von 1.000 Euro aus EU-Mitteln für jeden Aufgenommenen und mehr Koordinierung bei der Flüchtlingsverteilung.
- Die Grünen dringen auf den Aufbau einer zentralen Koordinierungsstelle im Kanzleramt für Geflüchtete aus der Ukraine. "Es braucht dringend einen Krisenstab im Bundeskanzleramt zur Koordinierung zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Freiwilligen", sagte Parteichef Omid Nouripour dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nouripour schlug vor: "Die Registrierung von Geflüchteten muss an Knotenpunkten erfolgen, um eine geordnete Verteilung sicherzustellen." Auch müsse die Frage der Finanzierung von Unterbringung und Integration der Menschen zügig geklärt werden.
- Die britische Außenministerin Liz Truss will mehr Druck auf Russland und Präsident Putin ausüben, um das Land in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen. "Wir müssen unsere Sanktionen verstärken. Wir müssen der Ukraine verstärkt Waffen senden", sagte Truss in einem Interview der britischen Sonntagszeitung "Sunday Telegraph". Wenn dann die Zeit für Verhandlungen gekommen sei, solle das Vereinigte Königreich eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der Ukraine spielen.
- Frankreich plant mit der Türkei und Griechenland eine humanitäre Aktion, um kurzfristig Menschen aus der schwer umkämpften Stadt Mariupol zu evakuieren. Das kündigte Präsident Emmanuel Macron nach dem EU-Gipfel in Brüssel an. Es gebe bereits konkrete Gespräche mit dem Bürgermeister von Mariupol sowie eine Abstimmung mit Präsident Selenskyj. Eine Absprache sei auch mit Russland erforderlich, dessen Truppen die Stadt seit Wochen belagern.
- Macron distanzierte sich derweil von der Äußerung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, Wladimir Putin könne "um Gottes Willen" nicht an der Macht bleiben. "Wir sollten sachlich bleiben und alles tun, damit die Lage nicht außer Kontrolle gerät", sagte Macron am Sonntag im Fernsehsender France-3. "Ich würde diese Begriffe nicht benutzen, weil ich weiterhin mit Präsident Putin spreche, weil was wir zusammen wollen ist, den Krieg zu beenden, den Russland in der Ukraine begonnen hat - ohne Krieg zu führen und ohne eine Eskalation."
Das ist im Krieg an Tag 31 passiert:
Russische Raketen treffen ein Treibstofflager in Lemberg. Biden greift Putin in seiner Rede in Warschau scharf an. Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Samstag entwickelt hat:
Quelle: dpa, AFP, AP, epd, KNA, Reuters, ZDF