: Lawrow: Russland nicht im Krieg mit der Nato
29.04.2022 | 23:58 Uhr
Laut Außenminister Sergej Lawrow sieht Russland sich nicht im Krieg mit der Nato. Der Bürgermeister von Mariupol beschreibt die Zustände im Azovstal-Stahlwerk. Der Überblick.Das Wichtigste in Kürze
- Russland laut Außenminister Sergej Lawrow nicht im Krieg mit der Nato
- Russisches Gasunternehmen gibt Pipelines in Polen frei
- Putin will an G20-Gipfel teilnehmen - Selenskyj auch eingeladen
- Kreml: Keine ausländischen Staatsgäste bei Militärparade am 9. Mai
- Moskau bestätigt Angriff auf Kiew während Besuchs von UN-Chef Guterres
Anmerkung der Redaktion
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen am 65. Tag in Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Das ist an Tag 65 im Ukraine-Krieg passiert:
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt vor einem Abbruch der Friedensverhandlungen mit Russland. Er verweist nach einem Bericht der Agentur Interfax auf die Wut der Menschen über die Gräueltaten russischer Truppen. "Die Menschen (Ukrainer) wollen sie töten. Wenn es eine solche Haltung gibt, ist es schwer, Sachen zu regeln." Russland sieht sich selbst nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow nicht im Krieg mit der Nato. Eine derartige Entwicklung würde das Risiko eines Atomkrieges steigern, erklärt Lawrow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA. Lawrow gibt der Ukraine die Schuld für ins Stocken geratene Friedensgespräche.
- Nach einem Gaslieferstopp durch ein russisches Unternehmen hat der polnische Konzern PGNiG die Versorgung schrittweise wiederhergestellt. PGNiG teilte mit, das russische Unternehmen Novatek Green Energy sei der Forderung nachgekommen, seine Pipelines polnischen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Diese hätten nun damit begonnen, die die zehn betroffenen Gebiete wieder mit Gas zu versorgen. Dazu gehörte der beliebte Ostseebadeort Leba.
- Der Bürgermeister von Mariupol hat auf die sich verschlechternden humanitären Bedingungen im belagerten Azovstal-Stahlwerk der weitgehend von russischen Truppen eingenommenen ukrainischen Stadt hingewiesen. Jenen, die sich in dem weitläufigen Stahlwerk versteckten, gingen Nahrung, Wasser und Medikamente aus, sagte Wadym Bojtschenko. "Einheimische, die es schaffen, Mariupol zu verlassen, sagen, es sei die Hölle, aber wenn sie diese Festung verlassen, sagen sie, es sei noch schlimmer", sagte Bojtschenko laut einem Übersetzer. "Sie betteln darum, gerettet zu werden." Er fügte hinzu: "Da ist es keine Frage von Tagen, es ist eine Frage von Stunden."
- Russland wird zu seiner traditionellen Militärparade am 9. Mai keine ausländischen Staatschefs einladen. Die Parade soll anlässlich des 77. Jahrestages über den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg abgehalten werden. "Die Sache ist die, dass es kein Jubiläum ist diesmal", begründet das ein Kremlsprecher russischen Agenturen zufolge. In der Vergangenheit hatte es schon Jahre ohne Einladungen gegeben, aber auch solche, in denen Staatschefs auch bei Nicht-Jubiläen anwesend waren.

Trotz weiterer Warnungen gegen den Westen präsentiert sich Moskau betont gelassen. Auch die Vorbereitungen für die Militärparade am 9. Mail laufen.
29.04.2022 | 01:22 min- Die Bundesregierung prüft nach Angaben aus Sicherheitskreisen offenbar gerade die Lieferung von Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine. Die Kreise bestätigen einen entsprechenden Bericht der "Welt". Die Haubitze gilt als sogenannte schwere Waffe.
- Russland bereitet sich darauf vor, am Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer im November in Indonesien teilzunehmen. Das hat das Gastgeberland Indonesien mitgeteilt. Offenbar ist nur noch nicht sicher, ob Putin vor Ort oder virtuell teilnehmen wird. Indonesien hat allerdings auch den ukrainischen Präsidenten Selenskyj eingeladen, dessen Land nicht zu den G20-Staaten gehört. Forderungen westlicher Länder, Putin auszuladen, hat Indonesien, das derzeit den G20-Vorsitz innehat, zurückgewiesen.
- Russland hat bestätigt, die ukrainische Hauptstadt während des Besuchs von UN-Generalsekretär António Guterres beschossen zu haben. "Hochpräzise, luftgestützte Langstreckenwaffen der russischen Luftwaffenkräfte haben die Produktionsgebäude des Raketen- und Raumfahrtunternehmens Artiom in Kiew zerstört", erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Guterres habe Kiew nach dem Raketenangriff "geschockt" verlassen, erklärte eine UN-Sprecherin.
- Bei dem Raketenangriff auf Kiew sind nach Angaben des Rettungsdienstes mindestens zehn Menschen verletzt worden. Ein 25-stöckiges Wohngebäude soll teilweise zerstört worden sein. Selenskyj sprach von fünf Raketen, mit denen Kiew angegriffen worden sei.
- Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj glaubt weiterhin, dass mit Hilfe der UN Evakuierungen in Mariupol möglich sind - auch wenn Russland Kiew während des Besuchs von UN-Generalsekretär António Guterres angegriffen habe. "Wir brauchen auch die russische Seite, die ohne Zynismus an die Sache herangeht und das, was sie sagt, tatsächlich umsetzt." Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte zuvor gesagt, dass die Zivilisten in Azovstal das Stahlwerk in jede Richtung verlassen könnten. Über einen Abzug der ukrainischen Streitkräfte werde Moskau aber nicht verhandeln.
- An der Grenze zwischen der Ukraine und Russland ist nach russischen Angaben ein Grenzübergang von ukrainischer Seite aus angegriffen worden. "Gegen 8:00 Uhr (7:00 Uhr MESZ) wurde in der Ortschaft Krupez der Grenzübergang mit Granatwerfern beschossen", teilte der Gouverneur der westrussischen Region Kursk, Roman Starowoit, in seinem Telegram-Kanal mit. Demnach gab es weder Schäden noch Verletzte. Die russischen Grenztruppen hätten das Feuer erwidert und den Beschuss damit gestoppt.
Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:
- Prominente wie die Feministin Alice Schwarzer, der Schriftsteller Martin Walser und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar haben in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appelliert. Putin dürfe kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato geliefert werden, schreiben die Unterzeichner. Sie warnen vor der Gefahr eines Dritten Weltkrieges. Anders als viele Kritiker, die Scholz eine zaudernde Haltung vorwerfen, bekunden sie (u.a. Autor Alexander Kluge, Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, Kabarettist Gerhard Polt, Schauspieler Lars Eidinger und Schriftstellerin Juli Zeh) ihre Unterstützung dafür, dass der Bundeskanzler bisher alles getan habe, um eine Ausweitung des Kriegs zum Dritten Weltkrieg zu vermeiden.
Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.
- In Anlehnung an eine Regelung aus dem Zweiten Weltkrieg wollen die USA die Lieferung von Rüstungsgütern an die Ukraine und andere osteuropäische Staaten erleichtern. Der Gesetzentwurf, den das US-Repräsentantenhaus beschlossen hat, soll Präsident Biden bis 2023 ermächtigen, der Ukraine und anderen Staaten, die vom russischen Angriffskrieg betroffen sein sollten, militärische Ausrüstung zu leihen oder zu verpachten. Bestimmte formale Anforderungen sollen dabei ausgesetzt werden.
- Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) prüft im Moment einen Bericht der Ukraine, wonach eine russische Rakete direkt über ein Atomkraftwerk geflogen sein soll. "Hätte sich eine solche Rakete verirrt, hätte das schwerwiegende Auswirkungen auf die Anlage haben und möglicherweise zu einem nuklearen Unfall führen können", sagt IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi. Kiew habe der Behörde offiziell mitgeteilt, dass die Rakete am 16. April über die Anlage etwa 350 Kilometer südlich von Kiew geflogen sei. Grossi erwähnt nicht, wer die Rakete abfeuerte, doch Kiew hatte Moskau zuvor beschuldigt, Raketen gezielt über Kernkraftwerke gelenkt zu haben.
- Die Bundesregierung soll in einem Energie-Krisenfall in den Markt eingreifen und Unternehmen zur Not auch enteignen können. Das sieht eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes vor. Sie könnte die Grundlage bilden dafür, dass die Raffinerie in Schwedt (Brandenburg) unter staatliche Aufsicht kommt - diese ist fast vollständig vom russischen Staatskonzern Rosneft übernommen worden.
- Schweden und Finnland streben weiter an, sich gleich und in etwa gleichzeitig für oder gegen eine Nato-Mitgliedschaft zu entscheiden. Hinsichtlich der laufenden Prozesse sei es sehr wichtig, dass die beiden Länder Entscheidungen "in die gleiche Richtung und im gleichen Zeitrahmen" treffen, sagte der finnische Außenminister Pekka Haavisto nach einem Treffen mit seiner schwedischen Kollegin Ann Linde in Helsinki. Natürlich werde die Unabhängigkeit der jeweiligen Entscheidungsfindung dabei vollständig respektiert.
Ukraine: Hier können Sie spenden
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.
Wie arbeitet das Aktionsbündnis?
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Die Situation in den ukrainischen Städten:
- In der Ukraine liefern sich beide Seiten verlustreiche Kämpfe um die Vorherrschaft im Osten des Landes. Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch räumte schwere Verluste ein, betonte jedoch, sie seien auf russischer Seite sehr viel höher. "Ihre Verluste sind kolossal." Westliche Experten erklärten allerdings, die russischen Verluste seien zurückgegangen, jedoch "immer noch ziemlich hoch".
- Die russischen Streitkräfte haben nach ukrainischen Angaben ihre Bodenangriffe im Osten der Ukraine in der Nacht vorläufig eingestellt. "In Richtung Isjum hat (der Feind) keine aktiven Angriffshandlungen durchgeführt", teilte der ukrainische Generalstab am Vormittag in seinem Lagebericht mit. Die russischen Kräfte beschränkten ihre Aktivitäten demnach auf Aufklärung und Artilleriebeschuss. Die Gegend um Isjum im Gebiet Charkiw war in den vergangenen Tagen die Hauptstoßrichtung der russischen Truppen.
- Auch an anderen Frontabschnitten blieb es verhältnismäßig ruhig. Vor Donezk meldete der ukrainische Generalstab ebenfalls Artilleriebeschuss, aber keine weiteren Sturmversuche.
- Auch die ukrainische Armee beschränkte sich nach Angaben des Generalstabs in erster Linie auf Abwehrarbeiten. So wurden in der Nacht 15 Flugobjekte abgeschossen: neben einem Flugzeug fünf Marschflugkörper und neun Drohnen.
- Ukrainische Truppen haben zudem laut einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA ein Öldepot in der von prorussischen Separatisten gehaltenen Stadt Donezk beschossen und beschädigt. Die Agentur beruft sich auf einen Vertreter der Separatisten. Online veröffentlichte Bilder zeigten die brennende Anlage.
Das war an Tag 64 im Ukraine-Krieg passiert:
Russland greift Kiew mit Raketen an - während UN-Chef António Guterres in der Stadt ist. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von einer "Demütigung" der Vereinten Nationen, Außenminister Dmytro Kuleba von einem "abscheulichen Akt der Barbarei". Außerdem: US-Präsident Joe Biden beantragt beim Kongress 33 Milliarden Dollar für die Ukraine. Lesen Sie hier, was am Donnerstag passiert ist: