: König zwischen Regierungstreue und Meinung

03.10.2022 | 15:10 Uhr
Die britische Königin Elisabeth II. hat ihre Meinung stets für sich behalten. Das könnte sich mit dem neuen König ändern. Charles III. äußert sich mal deutlicher, mal subtiler.
Als Thronfolger hat Charles sich für den Klimaschutz eingesetzt. Als König reist er nicht zum Weltklimagipfel nach Ägypten.Quelle: dpa
Hände schütteln, einer jubelnden Menge winken, noch mehr Hände schütteln, ein paar warme Worte hier und da: Die Bilder des ersten öffentlichen Besuches von König Charles III., die am Montag im schottischen Dunfermline entstehen, wirken vertraut.
Auch als Thronfolger hat der 73-Jährige mit seiner Frau Camilla schon Hunderte Besuche im Königreich und darüber hinaus absolviert. Kehrt im Königshaus nach der mehrwöchigen Trauerphase für die gestorbene Queen nun also "business as usual" ein? Jein. Denn während der neue König sich in den Alltag einfindet, dringen bereits ungewohnte Töne durch die Mauern des Palastes.

Charles' Teilnahme am Weltklimagipfel abgesagt

So bestätigte dieser am Sonntag, dass der König im kommenden Monat nicht zum Weltklimagipfel nach Ägypten reisen werde - und zwar auf Anraten der neuen britischen Premierministerin Liz Truss.
Charles - ein schon lange engagierter und bestens vernetzter Vorkämpfer für den Klimaschutz - soll zuvor bereits Pläne und Verabredungen für den Gipfel getroffen haben. Doch als britisches Staatsoberhaupt handelt der König traditionell im Einvernehmen mit der Regierung - und diese hat unter der neuen Regierungschefin keine allzu grüne Agenda.
Charles sei "persönlich enttäuscht", sagte ein nicht namentlich genannter Insider, der dem König nahe stehen soll, der "Sunday Times", die die Kontroverse öffentlich machte. Er werde aber seinen Weg finden, trotz Abwesenheit seine Stimme bei dem internationalen Treffen hörbar zu machen.

Royale Zurückhaltung Teil der Vergangenheit?

Dass Charles' Ansichten mit der Ideologie der aktuellen konservativen Regierung nicht übereinstimmen dürften, ist ein offenes Geheimnis. So ließ er etwa vor einigen Monaten - damals noch als Thronfolger - durchblicken, dass er den Plan der Tories, Asylsuchende nach Ruanda auszufliegen, für "entsetzlich" halte. In seiner ersten Rede als König bedauerte er direkt, sich nicht mehr wie bisher für einige seiner Herzensangelegenheiten einsetzen zu können.

Viel zu aufwändig

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Habt ihr schon mal einen britischen Geldschein in der Hand gehabt? Wenn ja, dann habt ihr vielleicht das Bild der Queen darauf gesehen. Denn auf britischem Geld ist immer die aktuelle Königin oder der aktuelle König gedruckt. Mit dem neuen König Charles III. muss also komplett neues Geld hergestellt werden - und bis das fertig ist, kann es wohl ungefähr zwei Jahre dauern.

Auch andere Dinge müssen jetzt geändert werden, zum Beispiel Flaggen, Reisepässe oder Briefmarken. Ganz schön viel Aufwand also. Und das alles passiert nicht nur einmal: All diese Dinge werden sich wieder ändern, wenn nach König Charles irgendwann jemand Neues auf den Thron folgt... Manche finden dieses ewige Hin und Her ziemlichen Quatsch.

Viel zu teuer

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All diese Änderungen sind nicht nur aufwändig, sondern auch ganz schön teuer. Und auch insgesamt verschlingt das britische Königshaus jede Menge Geld. Der Buckingham Palace zum Beispiel ist schon ziemlich alt und muss deshalb immer wieder renoviert werden. Bezahlt wird all das aus Steuergeldern - also von dem Geld, das Britinnen und Briten an den Staat zahlen.

Einige finden das ungerecht. Sie fänden es besser, wenn der Staat stattdessen Geld für andere Dinge ausgeben und zum Beispiel ärmere Menschen unterstützen würde.

Andere sagen jedoch, dass die Königsfamilie Großbritannien ja auch Geld bringt: Wenn zum Beispiel Royal-Fans aus der ganzen Welt als Touristen nach Großbritannien reisen, ist das wiederum gut fürs das Land.

Viel zu altmodisch

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Kennt ihr noch andere berühmte Königinnen oder Könige? Sissi von Österreich vielleicht oder Karl der Große? Sie haben eine Sache gemeinsam: Ihre Herrschaft liegt schon lange Zeit zurück. Manche sagen, dass das ganze königliche System ziemlich veraltet ist. Sie finden es ungerecht, dass man in die Königsfamilie geboren wird und das Volk nicht darüber entscheidet kann, wer auf den Thron darf.

Viel zu wenig aufgearbeitet

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Wusstet ihr, dass der britische König nicht nur Staatsoberhaupt von Großbritannien ist, sondern auch von anderen Ländern und Inseln - zum Beispiel in der Karibik? Das hängt mit der britischen Vergangenheit zusammen: Vor einigen Jahrhunderten eroberten europäische Seefahrer mit Gewalt fremde Länder - ganz nach dem Motto: "Das gehört jetzt uns". Die Menschen, die dort lebten, wurden unterdrückt oder sogar versklavt. Dieses Erobern fremder Länder und die Unterdrückung der Menschen nennt man Kolonialismus. Großbritannien war die größte Kolonialmacht der Geschichte und hat über viele Jahrhunderte eine große Rolle im Kolonialismus gespielt - genauso wie andere Länder, die heute noch Monarchien sind, wie zum Beispiel die Niederlande, Spanien und Belgien. Bis heute leiden viele Menschen in vielen Ländern unter den Folgen der Unterdrückung. Die Königsfamilien werden dafür kritisiert, dass sie den Menschen nicht geholfen haben, zum Beispiel mit Geld, und sich vor allem für ihre schlimmen Taten bis heute nicht offiziell entschuldigt haben. Deshalb finden es einige Leute nicht so gut, die funkelnde königliche Welt anzuhimmeln, ohne über die Vergangenheit zu reden.
Interessanter als die Meinungsverschiedenheiten an sich ist jedoch, dass die Öffentlichkeit davon überhaupt erfährt. Das sei nur möglich, wenn Charles dies persönlich absegne, spekulierten Royal-Experten auf Twitter.
Zu Zeiten von Queen Elizabeth II. wurde zwar auch endlos über deren persönliche Meinung und vermeintliche politische Signale sinniert. Doch ihre strikte Zurückhaltung in diesen Fragen wurde über die Jahrzehnte zum Markenzeichen.
Die gestrichene Klima-Mission ist ein erstes Zeichen, dass man dies Charles wohl auch in seiner neuen Rolle nicht nachsagen wird. Doch ob er es auf eine offene Konfrontation mit der Regierung ankommen lässt, muss sich erst noch zeigen.

Charles III. zeigt Verbundenheit mit Schottland

Bei seinem Besuch in Dunfermline setzte Charles ebenfalls Signale - wenn auch subtilere. Landestypisch in einen blau-grün-karierten Schottenrock gekleidet beglückwünschte er den Ort zu seinem neuen Status als eigenständige Stadt und er erinnerte daran, dass die "tiefe Liebe zu Schottland" ein Fundament des Lebens seiner vor wenigen Wochen gestorbenen Mutter Elizabeth II. gewesen sei.

Seit drei Jahrhunderten gehört Schottland zu Großbritannien. Was würde eine Unabhängigkeit bedeuten? Der Autor Christopher Brookmyre gewährt uns Einblick in die schottische Seele.

11.09.2014 | 05:47 min
Dass sich Charles als erstes im nördlichsten britischen Landesteil zeigt, gilt als starkes Zeichen für die Zugehörigkeit Schottlands zum Königreich und seine eigene Verbundenheit. In den kopfsteingepflasterten Straßen von Dunfermline, das rund 30 Kilometer nordwestlich von Edinburgh liegt, empfingen Hunderte Schaulustige freudig das Königspaar. Charles und Camilla besuchten dort auch eine mittelalterliche Kirche, in der mehrere frühere schottische Könige begraben liegen.
Später wollte das Königspaar im Holyrood-Palast, der königlichen Residenz in Schottland, Menschen aus indischen, pakistanischen und anderen in Großbritannien vertretenen asiatischen Gemeinschaften empfangen. "Das ist sehr wichtig für ihn", kommentierte der Historiker Anthony Seldon der BBC zufolge.
Er will von allen Glaubensrichtungen und Gruppen akzeptiert werden und eine verbindende Figur sein.
Anthony Seldon, Historiker
Gerade in turbulenten politischen Zeiten wolle der Monarch eine Institution sein, die spaltenden Kräften entgegenstehe.
Quelle: dpa, Larissa Schwedes

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