: Warum Aktivisten Suppe auf Gemälde schütten

von Nils Metzger
26.10.2022 | 16:35 Uhr
Immer mehr Museen werden zum Ziel von Klimaaktivisten. Sie schmieren Lebensmittel auf Bilder oder kleben sich fest. Was steckt hinter dem Protest? Welche Kunstwerke sind betroffen?
Kartoffelbrei als Klima-Statement: Aktivisten der "Letzten Generation" vor dem beschmierten Monet-Gemälde in Potsdam.Quelle: picture alliance / abaca
Aktionistische Teile der Klimabewegung nehmen Museen ins Visier. Seit Anfang Sommer sind es nicht mehr nur Straßen, an denen sich Aktivisten festkleben, sondern immer öfter auch Kunstwerke in berühmten Museen. Deutlich mehr als ein Dutzend solcher Aktionen haben schon stattgefunden.

Welche Kunstwerke sind bislang betroffen?

In Großbritannien klebten sich im Juli mehrfach Aktivisten der Gruppe "Just Stop Oil" an Gemälderahmen, Mitte August zwei Personen an den Sockel der Laokoon-Gruppe in den Vatikanischen Museen. Im Potsdamer Museum Barberini schütteten zwei Vertreter der Organisation "Letzte Generation" am vergangenen Sonntag Kartoffelbrei auf ein Gemälde des Impressionisten Claude Monet, rund eine Woche zuvor war es Suppe auf Vincent Van Goghs Sonnenblumen in London.
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Dauerhaft beschädigt wurden die eigentlichen Kunstwerke dabei bislang nicht, jedoch mehrere Rahmen. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sprachen vergangenen Donnerstag von einer beschädigten Patinierung am Rahmen der "Sixtinischen Madonna" des Malers Raffael. Die Kosten für eine Ausbesserung beliefen sich auf 3.000 bis 5.000 Euro, so das Museum.
Auch bei einer Klebe-Aktion in der Berliner Gemäldegalerie sei ein Schaden am Rahmen des Bildes "Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" von Lucas Cranach dem Älteren entstanden. Das Museum Barberini schätzt den entstandenen Kartoffelbrei-Schaden auf eine "fünfstellige Summe"; das Museum bleibt bis zum 30. Oktober geschlossen.

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Was sagen Kunst-Experten zu den Protesten?

Vor allem die Form der Proteste sorgt unter Kunsthistorikern und Museen für Unverständnis. Kerstin Thomas, Erste Vorsitzende des Deutschen Verbands für Kunstgeschichte, sagt ZDFheute:
Wir verstehen die klimapolitischen Anliegen der Protestierenden, appellieren aber an sie, ihre Wut nicht an der Kunst abzuladen, die keine Schuld an der Klimakatastrophe hat und selbst ein schützenswertes Gut ist.
Prof. Kerstin Thomas, Institut für Kunstgeschichte, Universität Stuttgart
Und auch Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die die Staatlichen Museen zu Berlin betreibt, ist empört:
Wir sind uns einig, dass die Ziele der Klimaaktivisten noch so ehrenwert sein mögen, die Mittel sind es nicht. Diese Art eines die Kultur abwertenden Protests verurteilen wir scharf! Naturerbe und Weltkulturerbe gehören zusammen, man kann nicht das eine gegen das andere ausspielen.
Prof. Hermann Parzinger, Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Kunst und Museen seien nicht für den Klimawandel verantwortlich. Umgekehrt seien Museen offene Orte für den Austausch über gesellschaftliche Probleme. Wer Kunst und Kulturgegenstände zerstöre, schade der Auseinandersetzung mit der Geschichte und verhindere, dass man daraus lerne, betonen mehrere befragte Experten.

Angriffe auf Kunstwerke sind nicht neu

Gegen Kunstwerke gerichteter Protest und Aktivismus sind nicht neu. Anders als bei den aktuellen Klimaprotesten richteten sich diese Aktionen jedoch meist gegen die konkreten Künstler oder Motive und nicht ausschließlich ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu generieren. Schon 1914 zerschnitt die Suffragette Mary Richardson Diego Velázquez Nacktbild "Venus vor dem Spiegel". Sie wollte damit kritisieren, "wie Männer sie den ganzen Tag lang anglotzen" und damit ihre Unterstützung für eine andere verhaftete Frauenrechtlerin ausdrücken.

Im Rahmen der Black Lives Matter Proteste wurden mehrfach Statuen von Personen, die in den globalen Sklavenhandel oder die Sklaverei in den USA verwickelt waren, vom Sockel gestürzt. Immer wieder wurden auch Kunstobjekte, die sich mit religiösen Themen und der Kritik daran befassen, von Radikalen beschädigt.

Wie rechtfertigen sich die Klimaaktivisten?

Auf einem toten Planeten werde es auch keine Kunst mehr geben, rechtfertigen mehrere Gruppen ihren Protest. Für den deutschen Klimaaktivisten Tadzio Müller ist der Kunstprotest erfolgreich darin, die Gesellschaft aus ihrer Verdrängung des Klimawandels reißen. "Wenn ich Tomatensuppe auf ein Bild schütte, dann geht es um Aufmerksamkeit. Und gerade reden alle darüber."
Andere Aktionsformen, etwa sich nur auf die Kunstsammlungen von Superreichen und Unternehmen zu konzentrieren, hätten in den vergangenen Jahren keinen Effekt gezeigt, sagt Müller, der die Anti-Kohle-Gruppe "Ende Gelände" mitgegründet hat. "Wir sind im Klimanotstand und trotzdem schützt niemand das Klima." Den Museen und Kunsthistorikern gehe es jetzt nur um Statusverteidigung, so Müller zu ZDFheute.
Wenn Menschen in Bolivien nicht mehr am Klimawandel sterben müssen, dann scheiße ich dafür auf jedes einzelne Bild in einem deutschen Museum.
Dr. Tadzio Müller, Klimaaktivist

Wie schützen sich Museen jetzt?

Eine Reihe von Museen berichten ZDFheute übereinstimmend, dass sie besorgt sind wegen der Protestwelle - und Vorkehrungen treffen. Über die Details ihrer Sicherheitskonzepte wollen sie meist jedoch nicht offen sprechen. Auch, weil die Angst vor Nachahmern groß ist.
"Die Sicherheitsstandards der Staatlichen Museen zu Berlin sind sehr hoch. Wir tauschen uns mit den jetzt betroffenen Häusern aus und geben diese Erkenntnisse an unser Aufsichtspersonal weiter", berichtet SPK-Präsident Parzinger ZDFheute.
Mehrere der betroffenen Bilder wurden durch eine schützende Verglasung vor dauerhaften Schäden bewahrt. Für viele der berühmtesten Gemälde sind solche Schutzgläser inzwischen Standard, doch vor allem bei großformatigen Bildern ist das nicht immer möglich. Manche Museen haben nun Taschenkontrollen verschärft und striktere Begrenzungen erlassen, was Besucher mitnehmen dürfen.
Es beruhige ihn zumindest etwas, dass viele der Aktivisten sich bewusst für Ausstellungsobjekte mit Sicherheitsverglasung entschieden hätten, erzählt ZDFheute ein Vertreter eines deutschen Museums, der nicht namentlich genannt werden möchte. "Die gezielte Zerstörung von Kunstwerken steht bislang offenbar nicht im Vordergrund."

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Welche Strafen drohen Klima-Aktivisten?

Wer sich in Museen an Bilder klebt, muss mit Strafen rechnen:
Das ist Sache des Rechtsstaates, der darauf die richtigen Antworten finden wird. Die Handlungen könnten Straftatbestände erfüllen: gemeinschädliche Sachbeschädigung oder ggf. auch Hausfriedensbruch.
Prof. Hermann Parzinger, Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Es laufen aktuell zahlreiche Ermittlungen wegen Klebe-Aktionen in Museen. Den Beteiligten können erhebliche Kosten für eine Restauration in Rechnung gestellt werden. Die britische Gruppe "Just Stop Oil", die seit mehreren Wochen auch Lobby-Büros und Luxuskaufhäuser in London mit Farbe besprüht, kann dabei aber auf Großspenden zurückgreifen. Die Öl-Erbin und Philanthropin Aileen Getty stellte der Gruppe zuletzt eine Million US-Dollar zur Verfügung. Auch die deutsche "Letzte Generation" erhielt bereits Finanzmittel ihrer Stiftung.
Bislang zeichnet sich nicht ab, dass die Protestaktionen in Museen aufhören werden.

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