: 49-Euro-Ticket: Gut fürs Klima?

28.04.2023 | 07:26 Uhr
Am Montag startet das sogenannte Deutschlandticket. Es soll mehr Bürger in Bus und Bahn bringen. Aber wird es wirklich ein "Klimaticket"? Verbände und Experten sind eher skeptisch.
Das 49-Euro-Ticket erlaubt deutschlandweit beliebig viele Fahrten im Regional- und Nahverkehr.Quelle: imago
Das sogenannte Deutschlandticket ist ab dem 1. Mai gültig und soll einen Anreiz setzen, um vom Auto auf Busse und Bahnen umzusteigen. Doch was bringt es dem Klimaschutz?
Das Ticket gehe in die richtige Richtung - da sind sich Verbände und Experten einig. Doch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) müsse ausgebaut werden. Nötig seien weitere Maßnahmen, damit Pendler vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen.

Greenpeace: Ticket kann nur ein Anfang sein

"Jede Fahrt, bei der das Auto stehen bleibt und stattdessen der ÖPNV genutzt wird, ist gut fürs Klima", sagte Greenpeace-Expertin Marissa Reiserer.
Das 49-Euro-Ticket macht Bus und Bahn deutlich unkomplizierter, zaubert aber keine neuen Bahnhöfe, Haltestellen und Verbindungen aufs Land. Die Einführung kann deswegen nur der Start sein.
Marissa Reiserer, Greenpeace

Nach langwierigen Diskussionen und Vorbereitungen geht am 1. Mai das 49-Euro-Ticket an den Start. Das im Abo erhältliche Angebot ermöglicht bundesweit Fahrten im öffentlichen Nahverkehr zum Preis von 49 Euro im Monat.

28.04.2023 | 02:26 min
Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, sagte, ob das Ticket CO2 einspare, müsse sich erst zeigen. Dies wäre dann der Fall, wenn eine merkliche Zahl von Autofahrten durch das Ticket wegfielen: "In welchem Maße das stattfindet, lässt sich aktuell aber noch nicht abschätzen."

Verkehrssektor muss aufholen

Der Verkehr ist eines der großen Sorgenkinder beim Klimaschutz. Im vergangenen Jahr wurden gesetzliche Vorgaben zur CO2-Einsparung verfehlt. Die Emissionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr auf 148 Millionen Tonnen CO2 leicht an. Nach dem weitgehenden Ende der Einschränkungen wegen Corona habe der Pkw-Verkehr wieder leicht zugenommen, so das Bundesumweltamt. Der Zuwachs bei den Neuzulassungen von Elektroautos reiche nicht aus, um die Zunahme der Emissionen auszugleichen.
In einem Gutachten des Expertenrats für Klimafragen, der Bundesregierung und Bundestag für eine Bewertung der Emissionsdaten vorlegt, heißt es:
Im Verkehrssektor ist die notwendige Trendwende weiterhin nicht zu beobachten.
Gutachten von Expertenrat
Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, zeigten Szenarien, dass es auch einen Abbau des Bestands fossiler Pkw geben müsste. Dieser Trend, der sich spätestens ab dem Jahr 2025 abzeichnen müsste, sei aber noch nicht zu erkennen.
Quelle: ZDF

Klima-Effekte des Tickets - Experten skeptisch

Eine Bilanz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen zum 9-Euro-Ticket im vergangenen Sommer ergab, dass jede zehnte Fahrt mit dem Ticket eine Autofahrt ersetzte. In den drei Monaten des Angebots seien hochgerechnet rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden.

Das 49-Euro-Ticket erlaubt deutschlandweit beliebig viele Fahrten im Regional- und Nahverkehr. "Man ist besser vorbereitet als bei 9-Euro-Ticket", so der EVG-Vorsitzende Martin Burkert.

28.04.2023 | 04:27 min
Mit dem nun dauerhaft angelegten Deutschlandticket und anderen Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV sei eine signifikante Minderung von Treibhausgas zu erwarten, schrieb die Bundesregierung in der Begründung zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes.
Das Deutschlandticket trägt somit wirksam zum Erreichen der Klimaziele des Bundes im Verkehrssektor bei.
Bundesregierung
Greenpeace-Expertin Reiserer schätzt, dass im ersten Jahr der Klimaeffekt des Deutschlandtickets wohl unter den gut sieben Millionen Tonnen CO2 liegen werde, die ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket pro Jahr eingespart hätte.
Für den Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie lässt sich noch keine seriöse Antwort darauf finden, was das Deutschlandticket dem Klima bringe: "Der Preis ist zu hoch, um nennenswerte, dauerhafte Umstiege zu erwarten." Man gehe maximal von einem Ersatz von Fahrten mit dem Pkw durch den ÖPNV von fünf Prozent aus.
Die Einführung von Tempo 100 auf allen Autobahnabschnitten würde deutlich mehr Einsparungen bringen.
Andreas Knie, Mobilitätsforscher
[Wieso ein Tempolimit noch mehr CO2 einspart - die Gründe im Überblick]
Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, nannte das Deutschlandticket dagegen ein "Klimaticket", weil Bus und Bahn pro Passagier nur ein Drittel soviel CO2 ausstießen wie Autofahrende.
Je nachdem, wie viele Menschen sich entscheiden, wegen des Deutschlandtickets ihr Auto stehen zu lassen oder gar abzuschaffen, können Millionen Tonnen CO2 zusätzlich eingespart werden.
Dirk Flege, Allianz pro Schiene

Greenpeace-Expertin fordert "Ausbauwumms" beim ÖPNV

Das Deutschlandticket nütze nichts, wenn vor allem auf dem Land kein Bus oder keine Bahn fährt. Deswegen müsse dass Angebot ausgebaut werden, forderte Bastian Kettner vom ökologischen Verkehrsclub VCD. Zudem müsse das Ticket von anderen Maßnahmen flankiert werden, etwa höhere Parkgebühren oder mehr Carsharing-Angebote.
Greenpeace-Expertin Reiserer sagte, um das volle Potenzial des Deutschlandtickets zu nutzen, seien ein "Ausbauwumms" und ein bundesweites Sozialticket nötig, damit künftig immer weniger Menschen abhängig seien vom Auto.
Quelle: Andreas Hoenig, dpa

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