: Kolumbianische Kohle für Berlin

von Tobias Käufer, Buenos Aires
03.01.2023 | 17:37 Uhr
Der Import von kolumbianischer Steinkohle in Deutschland ist stark gestiegen. Die Branche in Kolumbien jubelt über glänzende Geschäfte, die sozialen Probleme bleiben.
Das kolumbianische Kohlebergwerk "El Cerrejón" wird von Umweltschützern und Menschenrechtsverteidigern kritisiert.Quelle: dpa
Als Gustavo Petro und Francia Marquez im Frühjahr Wahlkampf führten, stand der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ganz oben auf der Prioritätenliste des ersten linken Präsidenten Kolumbiens und der afrokolumbianischen Umweltaktivistin, die mittlerweile Vizepräsidentin ist.
Doch die Realität ist stärker als jedes Wahlkampfversprechen der Ampel-Koalition in Deutschland - das gilt genauso für das linke Regierungsbündnis in dem südamerikanischen Land.
Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache als noch im Wahlkampf. Weil Deutschland selbst aus der Kohleförderung raus will, nehmen die Kohleimporte aus anderen Ländern deutlich zu. Das EU-Embargo gegen russische Kohle hat das noch einmal verstärkt.

Steinkohle-Importe haben sich vervielfacht

Das Statistische Bundesamt berichtet, dass sich die deutschen Steinkohle-Importe von Januar bis September 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine mehr als verzweieinhalbfacht haben. Das sind rund 4,8 Millionen Tonnen mehr als im Vorjahr.

Kolumbianische Kohlebranche jubelt

Kolumbiens Bergbaubranche jubelt über den unverhofften Exportsegen. Gerade wegen der Ankündigungen der neuen Regierung hatte sich der Sektor um seine Zukunft gesorgt.
Es war ein historisches Jahr für die Bergbauexporte, hauptsächlich aufgrund von Kraftwerkskohle. Es wurden auch nie zuvor gesehene Exporte von metallurgischer Kohle registriert.
Juan Camilo Nariño, Präsident des Kolumbianischer Bergbauverbands (ACM)
Die neue Regierung in Bogota will aber langfristig an ihren Zielen festhalten. Dazu zählt auch die Entscheidung, keine neuen Lizenzen mehr für künftige Tagebauprojekte zu erteilen. Mittelfristig gäbe es dazu keine Alternative, heißt es aus Bogotá.
Für Kolumbiens Kohleförderer Nummer eins, die größte offene Kohlemine Lateinamerikas "El Cerrejón", gilt das allerdings nicht. Hier kann weiter der Kohlehunger Deutschlands gestillt werden.

Kohlemine "Cerrejón" ist umstritten

Die Mine ist seit Jahren umstritten, war stets das Ziel scharfer Kritik von Umweltschützern und Menschenrechtsverteidigerin. Jüngst gab es Berichte über Blockaden und Proteste, weil entlassene Arbeiter der Region eine Wiedereinstellung forderten. "Wir kommen aus der Region und verdienen es, in diesem Unternehmen weiterbeschäftigt zu werden", sagte Ramón Redondo, Sprecher der Protestierenden, gegenüber der Zeitung "El Tiempo".
Die Mine gehört zum Schweizer Bergbau-Konzern Glencore, der nach eigenen Agaben erst im Januar 2022 den Kauf der Mine abgeschlossen hatte und sich nun über eine glänzende Geschäftsentwicklung freuet.

Vorwurf: Bevölkerung profitiere nicht

Ein Argument, das die Minenbetreiber vor Ort immer wieder ins Feld führen: Die Region profitiere von den Erträgen, "El Cerrejon" sei der wichtigste Arbeitgeber der Region.
Kolumbiens amtierende Vizepräsidentin Francia Marquez hatte im Wahlkampf noch den Sinn des Bergbaus in Frage gestellt, wenn sich an der sozialen Lage in der Region nichts ändere. "In La Guajira befindet sich die größte Kohlemine Kolumbiens, und in diesem Departement sterben Kinder an Hunger. Ist das Entwicklung?", fragte Marquez auf Twitter.

Präsident Petro zeigt sich selbstkritisch

Trotz des Rekordjahres für den Bergbau verhungern aber weiter indigene Kinder in der Region. Es kommt von den Gewinnen zu wenig an der Basis an. Präsident Petro hat das Thema nun zur Chefsache erklärt und zeigt sich angesichts fehlender Fortschritte selbstkritisch:
Die Tatsache, dass ich zum dritten Mal in vier Monaten komme, bedeutet, dass wir versagen.
Gustavo Petro, Präsident Kolumbiens
Den Fakt, dass 20 indigene Kinder seit seinem Amtsantritt an Unterernährung gestorben sind, müsse man ein Scheitern nennen, sagte Petro.

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