: "Wir sterben hier, und es kümmert niemanden"

20.11.2022 | 18:15 Uhr
Kämpfe, Hunger und Unterdrückung - die Lage der Menschen im Kongo wird immer schlimmer. Und die Welt schaut weg, kritisieren Aktivisten.
Zwei kongolesische Soldaten laufen neben Menschen, die vor der Gewalt im Land fliehen. Quelle: Reuters
Rebecca Kabugho ist in Eile. Sie hat gerade bei Freunden Kleider gesammelt, einige haben ihr noch Geld mitgegeben. Kabugho hält am Straßenrand in der ostkongolesischen Stadt Goma Ausschau nach einem Motorradtaxi. Sie will aufs Land fahren. Zu den Menschen, die vor den Kämpfen zwischen der Armee und der Miliz M23 geflüchtet sind.
Kabugho ist Teil der Bürgerbewegung "Goma activ". Die Gruppe bringt Brei für die Kinder in die Lager, sie singen und tanzen mit ihnen, wollen sie so auf andere Gedanken bringen.

Kämpfe zwischen Miliz und Regierung nehmen zu

Seit sich der Konflikt im März erneut zugespitzt hat, sind nach Angaben der Vereinten Nationen über 262.000 Menschen im Kongo vertrieben worden.
Manche haben nur Moskitonetze, nicht mal eine Zeltplane.
Rebecca Kabugho
Nachts wird es kalt in den Lagern. Manche sterben an Erschöpfung, Frauen gebären ohne jede Hilfe am Straßenrand.
Die Miliz M23 wird nach einem internen UN-Bericht und laut der kongolesischen Regierung von Ruanda unterstützt. Die Regierung von Ruanda bestreitet das. Der Konflikt zwischen den beiden Nachbarländern besteht seit dem Völkermord 1994 in Ruanda, wonach sich viele Täter in den Ostkongo abgesetzt hatten.

Ruanda marschiert mehrmals in den Kongo ein

Das nahm Ruanda mehrmals zum Vorwand, im Kongo einzumarschieren und dort Milizen zu unterstützen - unter anderem die Vorgänger der heutigen M23. Im Zuge von Friedensverhandlungen wurde mehrfach erfolglos versucht, die Gruppe in die kongolesische Armee zu integrieren.

Der Kongo ist reich an Rohstoffen. Doch nur wenige profitieren davon.

15.10.2020 | 44:06 min
Aktuell fordert die Miliz hochrangige Posten im kongolesischen Militär. Ein Großteil der Bevölkerung ist überzeugt, dass es ihr dabei vor allem um die reichen Rohstoffvorkommen in der Region geht.
Schon die belgischen Kolonialherren haben Land und Menschen ausgebeutet, später sind die Nachbarn Uganda und Ruanda einmarschiert. Das Misstrauen gegenüber Fremden sitzt tief in der kongolesischen Gesellschaft. Und es trifft auch Hilfsorganisationen und die UN-Friedenstruppe Monusco.

Bevölkerung misstrauisch gegenüber UN-Soldaten

Anfang November wurden ein Konvoi der Monusco angegriffen und ein Lastwagen verbrannt. Die Angreifer waren überzeugt, die Blauhelme würden Kämpfer der M23 nach Goma schmuggeln. Vor wenigen Tagen warfen Geflüchtete Steine nach UN-Soldaten.
In dieser Feindseligkeit sieht Aktivistin Kabugho vor allem Frust.
Als die Ukraine überfallen wurde, ist der Westen zu Recht sofort zur Hilfe geeilt, hat Flüchtlinge aufgenommen und Solidarität bewiesen. Wir sterben hier jeden Tag, und es kümmert niemanden.
Rebecca Kabugho, Aktivistin der Bürgerbewegung "Goma activ"
Vor dem Tod hat auch Zola Kitandala Lulonga Angst: "Wir werden verhungern." Lulonga ist Lehrer in Goma und stöhnt über die hohen Preise für Mehl, Palmöl, Tomaten und Holzkohle.
Seit die M23 mehrere Ortschaften vor der Stadt Goma eingenommen hat und eine wichtige Zufahrtsstraße blockiert, ziehen die Preise an. So gibt es für umgerechnet 50 US-Cent nur noch drei statt fünf Tomaten.
Sicherheitsexperten in Goma sind sich uneinig, ob die M23 die Stadt einnehmen will, so wie es der Miliz 2012 gelungen ist, oder ob sie Goma abriegeln will, um die Bevölkerung mürbe zu machen. Hilfsorganisationen evakuieren bereits ihre ausländischen Angestellten. Europäische Botschaften raten ihren Landsleuten, das Haus in Goma nicht zu verlassen.
Gefahr geht nicht nur von den Milizen aus: Wer nur die leiseste Kritik an der Regierung oder an der Armee übt, ist verdächtig. Geheimdienst, Polizei und Militär durchsuchen systematisch Wohnungen nach Waffen oder angeblichen Spionen der M23. Die kongolesische Presseunion droht Journalisten, die "unpatriotisch" berichten, den Presseausweis zu entziehen.

Verhandlungen in Kenia

Die ostafrikanische Staatengemeinschaft EAC schickt Truppen in den Kongo. Erste Soldaten aus Kenia sind bereits eingetroffen. Gleichzeitig fordert die EAC zu Gesprächen auf. Seit April verhandelt die kongolesische Regierung in der kenianischen Hauptstadt Nairobi mit zahlreichen bewaffneten Gruppen, die den Ostkongo unsicher machen.
Am Montag sollen die Gespräche weitergehen. Ob die M23 dabei ist, ist fraglich. Bisher weigert sich die Regierung, mit der Miliz zu reden.
Quelle: Judith Raupp, epd

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