: USA: Mehrzahl der Russen um Kiew abgezogen

04.04.2022 | 22:00 Uhr
Deutschland weist 40 russische Diplomaten aus, zwei Drittel der russischen Soldaten laut USA um Kiew abgezogen, Selenskyj reist nach Butscha. Die Lage am Montag in der Ukraine.
Militärfahrzeuge fahren durch das Stadtzentrum von Kiew, nachdem die ukrainische Regierung erklärt hat, dass ihre Truppen die Kontrolle über die gesamte Region Kiew zurückerlangt haben.Quelle: dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Weltweites Entsetzen über Gräueltaten in Butscha
  • Der Westen plant weitere verschärfte Sanktionen
  • Deutschland weist 40 russische Diplomaten aus
  • Selenskyj kritisiert Angela Merkel für Russland-Politik
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier räumt Fehler in Moskau-Politik ein
  • Bundesnetzagentur als Treuhänderin für Gazprom Germania eingesetzt
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Entwicklungen im Ukraine-Krieg an Tag 40:

  • Auf einem US-Satellitenfoto soll auf dem Grundstück einer Kirche in Butscha, einem Vorort von Kiew, ein mehrere Meter langer Graben zu sehen sein, in dem nach ukrainischen Angaben Hunderte Zivilisten begraben worden sein sollen, die von russischen Truppen getötet worden sind.
Ein US-Satellitenbild soll eine Grabstelle mit einem etwa 14 Meter langen Graben vor einer Kirche in Butscha zeigen.Quelle: Reuters
  •  Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel - ebenso wie den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy - in einer Videobotschaft aufgefordert, sich die Folgen ihrer gescheiterten Russland-Politik in Butscha anzusehen. Merkel verteidigte die Entscheidung, dass die Ukraine 2008 nicht in die Nato aufgenommen wurde.
  • Selenskyj machte sich in Begleitung von bewaffneten Sicherheitskräften selbst ein Bild von den Zerstörungen in Butscha. Dort seien Kriegsverbrechen begangen worden, sagte er. "Die Welt wird das als Genozid anerkennen." Die Frage eines Reporters, ob es nun immer noch möglich sei, mit Russland über Frieden zu verhandeln, bejahte der ukrainische Präsident: "Die Ukraine muss Frieden bekommen".
  • ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf berichtet aus Butscha: "Das ist in seinem Ausmaß so grauenvoll und unvorstellbar, dass man dem wirklich nur eine exakte und gute Aufarbeitung entgegensetzen kann. Auch, um der russischen Propaganda entgegenzuwirken." Als Journalistin habe sie selten solche grausamen Bilder gesehen.
  • Die UN haben seit dem Einmarsch russischer Truppen den Tod von 1.417 Zivilisten in der Ukraine dokumentiert. Unter ihnen waren 121 Kinder und Jugendliche, wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf mitteilte. Demnach gab es außerdem verifizierte Informationen über 2.038 Verletzte, darunter 171 Kinder und Jugendliche. Binnen eines Tages sollen laut UN außerdem 38.650 Menschen geflüchtet sein. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) meldete über 4,215 Millionen Flüchtlinge seit Beginn der Invasion am 24. Februar.
  • Mehr als 2.600 Menschen sind nach ukrainischen Angaben am Sonntag aus besonders umkämpften ukrainischen Städten in Sicherheit gebracht worden, fast 1.500 von ihnen aus der Region Luhansk. Die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk warf der russischen Seite dabei vor, gegen die vereinbarte Feuerpause verstoßen zu haben.

Fragen und Antworten zum Russland-Ukraine-Konflikt

Die Situation in den ukrainischen Städten und Siedlungen am Montag:

  • Russlands Militär hat nach Einschätzung der US-Regierung etwa zwei Drittel seiner Truppen rund um Kiew abgezogen. Die übrigen Soldaten seien weiter vor der ukrainischen Hauptstadt in Stellung gebracht, sagte ein hoher Pentagon-Vertreter. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Truppen umgerüstet, mit Nachschub versorgt und vielleicht sogar mit zusätzlichen Kräften verstärkt werden, um dann in die Ukraine zurückgeschickt zu werden", sagte der Regierungsvertreter weiter.
  • Russische Truppen griffen die südukrainische Hafenstadt Odessa nach Angaben der Regionalverwaltung in der Nacht zum Montag erneut mit Raketen an. Auch der Bürgermeister der rund 130 Kilometer entfernten Stadt Mykolajiw meldete mehrere Raketenangriffe. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.
Quelle: ZDF
  • Bei einem Angriff auf ein Wohngebiet in Charkiw im Nordosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben sieben Menschen getötet und 34 weitere verletzt worden. Unter den Verletzten seien auch drei Kinder, teilte die örtliche Staatsanwaltschaft am Sonntag auf Telegram mit. Die Ukraine macht Russland für den Angriff verantwortlich.
  • Die schweren Kämpfe in der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol halten an. Das britische Verteidigungsministerium teilt mit, die Stadt werde weiterhin intensiv und wahllos angegriffen. Nach Angaben des Bürgermeisters ist die Stadt fast vollständig verwüstet. 90 Prozent der Infrastruktur in der Stadt seien zerstört und 40 Prozent könnten nicht wiederhergestellt werden.
  • Russische Truppen sollen damit begonnen haben, sich aus der ostukrainischen Region Sumy zurückzuziehen. Es sei aber noch zu früh, um von einer Befreiung der Region zu sprechen, sagte der Chef der Gebietsverwaltung von Sumy, Dmytro Schywyzkyj, in einer Videobotschaft.
  • Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben einige Orte in der Region Tschernihiw von russischen Truppen zurückerobert. Humanitäre Hilfe sei nun in diese Gegenden unterwegs, teilten die ukrainischen Streitkräfte mit.

Reaktionen auf den russischen Angriff:

  • Als Reaktion auf die Gräueltaten gegen Zivilisten in Butscha weist die Bundesregierung 40 russische Diplomaten aus. Sie hätten nun fünf Tage Zeit, Deutschland zu verlassen. Die Arbeit der betroffenen Botschaftsangehörigen sei "eine Bedrohung für diejenigen, die bei uns Schutz suchen", erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Dies werden wir nicht weiter dulden."
  • Nach Bekanntwerden der Ereignisse in Butscha bereitet der Westen verschärfte Sanktionen gegen Russland vor. Die EU werde "dringend die Arbeit an weiteren Sanktionen gegen Russland vorantreiben", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag. Die Bilder und Videos aus dem Ort hatten weltweit Entsetzen ausgelöst. Zahlreiche westliche Vertreter, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, sowie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte sprachen von einem Kriegsverbrechen Russlands.
  • Auch die US-Regierung will noch in dieser Woche neue Sanktionen gegen Russland ankündigen. Auf die Frage nach einem möglichen Importstopp für russisches Öl und Gas in Europa sagte Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, es gebe sowohl mit der EU als auch den Mitgliedsstaaten Gespräche über "die volle Bandbreite an Sanktionen".
  • UN-Menschenrechtschefin Michelle Bachelet hat derweil unabhängige Untersuchungen zu möglichen Kriegsverbrechen an Zivilisten in Butscha gefordert. "Es sollte alles getan werden, um Beweise zu sichern", sagte die Hochkommissarin. Alle Leichen sollten exhumiert, identifiziert und untersucht werden. Berichte aus Butscha und anderen Gegenden würden "schwerwiegende und beunruhigende Fragen über mögliche Kriegsverbrechen" und andere Rechtsverletzungen aufwerfen, sagte Bachelet.
  • Die Bundesnetzagentur wird auf Anordnung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorübergehend als Treuhänderin für die Gazprom Germania eingesetzt. Hintergrund sind demnach unklare Rechtsverhältnisse sowie der Verstoß gegen die Meldepflicht im Rahmen der Außenwirtschaftsverordnung.
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Fehler in seiner Russland-Politik eingeräumt. "Meine Einschätzung war, dass Wladimir Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt", sagte Steinmeier. "Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler", fügte er hinzu.
  • Die spanische Polizei hat bei einer gemeinsamen Aktion mit US-Beamten die Luxusjacht "Tango" des russischen Oligarchen Viktor Wekselberg auf Mallorca durchsucht und beschlagnahmt. Es habe ein Rechtshilfeersuchen der USA vorgelegen, teilte die paramilitärische Polizeieinheit Guardia Civil weiter mit.
  • Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind in Deutschland in mehr als 400 Fällen Menschen beider Staaten Opfer kriegsbezogener Straftaten geworden. Unter 308 anti-russischen Straftaten waren 15 Gewalttaten, wie Faeser der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte. Aber auch Ukrainer werden ihr zufolge immer häufiger angegriffen: 109 anti-ukrainische Straftaten wurden registriert, davon 13 Gewalttaten. 

Das ist an Tag 39 passiert

Die Bilder toter Zivilisten aus Butscha verstören. Dennoch kehren manche Ukrainer jetzt zurück nach Kiew. Was sind ihre Gründe dafür? 
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Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP

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