: Krim-Brücke zerstört: Was das bedeuten könnte

von Jan Schneider
08.10.2022 | 19:21 Uhr
Auf der Brücke zwischen der Krim und dem russischen Festland ist es zu einer Explosion gekommen. Ein Wegfall dieser Verbindung hätte einige Konsequenzen für Russland und den Krieg.

Was wir wissen ...

  • Auf der Brücke, die die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet, ist es zu einer Explosion gekommen.
  • Eine Lastwagenbombe soll sieben mit Treibstoff beladene Eisenbahnwaggons in Brand gesetzt haben, was zum teilweisen Einsturz von zwei Brückenabschnitten geführt habe.
  • Der Straßen- und Eisenbahnverkehr auf der Krim-Brücke ist für Russland strategisch äußerst wichtig, ein Wegfall der Verbindung würde zu großen logistischen Schwierigkeiten führen.
Bei der schweren Explosion auf der Brücke zwischen Russland und der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind nach russischen Angaben mindestens drei Menschen gestorben. Teile der strategisch wichtigen Straßen- und Eisenbahnbrücke, die die Krim mit dem russischen Festland verbindet, sind beschädigt worden. Die Detonation habe sich in einem Lkw-Transporter ereignet, teilt das russische Nationale Anti-Terror-Komitee mit. Sieben Treibstoff-Anhänger eines Zuges hätten dadurch Feuer gefangen. Zwei Bereiche der Straßenbrücke sind teilweise eingestürzt, wie sich auf Videos gut erkennen lässt.
Die Explosion auf der Krim-Brücke im Video:
Die Lokomotive und mehrere Waggons seien auf dem Weg nach Kertsch gewesen, hieß es. Der Verkehr wurde nach der Explosion eingestellt. Mehrere Stunden später wurde die Brücke für Autos und Züge wieder freigegeben. Pkw und Busse dürften die Brücke nur nach gründlicher Durchsuchung wieder passieren, für Lastwagen bleibe sie vorerst weiter gesperrt, schrieb Krim-Verwaltungschef Sergej Aksjonow am Nachmittag auf Telegram.
Quelle: ZDF

Wer könnte hinter der Explosion stecken?

Bisher hat sich die Ukraine nicht zu dem Angriff bekannt. Der Vorfall wurde aber von einigen hochrangigen Personen kommentiert: Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Oleksij Danilow, postete auf Twitter ein Video mit der brennenden Brücke auf der linken Seite und auf der rechten ein Video von Marilyn Monroe mit ihrem berühmten Song "Happy Birthday Mr. President". Wladimir Putin feierte am Freitag seinen 70. Geburtstag.
Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak twittert:
Die Krim, die Brücke, der Anfang. Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurückgegeben werden.
Mychailo Podoljak auf Twitter
Die Ukraine hatte immer wieder angekündigt, sich die Krim zurückzuholen. Die Militärführung in Kiew kündigte auch einen Beschuss der Brückenanlagen an, sobald es die vom Westen gelieferten schweren Waffen dafür gebe. Russland wiederum betonte, dass ein Angriff auf die Brücke ein klares Überschreiten der roten Linie sei.

Die Krim-Brücke in Zahlen

Quelle: AP
Mit 19 Kilometern Länge gilt die Krim-Brückenanlage als längstes Bauwerk Europas. Kremlchef Putin hatte sie selbst 2018 eröffnet. Passagierzüge rollen seit Ende 2019, Güterzüge seit Sommer 2020 über die Brücke.

Welche Auswirkungen hat das für den Krieg?

Logistik spielt im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine entscheidende Rolle. Die ukrainische Gegenoffensive ist auch deshalb so erfolgreich, weil sehr effektiv Nachschubwege der russischen Truppen abgeschnitten und Lager zerstört wurden.
Mit dem Wegfall der Krim-Brücke wäre die Versorgung der Halbinsel für Russland erheblich schwerer. Die einzige weitere Möglichkeit, die Krim auf dem Landweg zu versorgen, besteht in einer Bahnstrecke von Donezk über Melitopol. Mittlerweile ist die Frontlinie jedoch so weit in die von Russland besetzten Gebiete verschoben, dass diese Bahnstrecke in Reichweite der ukrainischen Artillerie gekommen ist. Ein sicherer Transport von Nachschub ist auf diesem Weg nicht mehr möglich. Das spielt auch eine große Rolle beim Kampf um die Stadt Cherson im Süden des Landes. Dort wurde die russische Armee in den letzten Tagen immer weiter zurückgedrängt.
Selbst wenn Russland jetzt eine Haltelinie aufbaut, kann diese nicht mehr versorgt werden.
Christian Mölling, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
In Anbetracht des nahenden Winters wird dieses Problem sogar noch wachsen. Neben Nahrungsmitteln, Munition und Treibstoff muss dann auch Heizmaterial auf die Krim gebracht werden. Bis zu 70.000 russische Kämpfer sollen sich auf der illegal annektierten Halbinsel aufhalten.

Wie könnte Putin reagieren?

Laut Kremlangaben ist Russlands Präsident Wladimir Putin über den schweren Brand auf der Brücke informiert worden. Er habe angewiesen, eine Kommission zur Untersuchung der Ursachen des Feuers einzusetzen. Der Machtapparat in Moskau hatte für den Fall eines Angriffs auf die Brücke stets mit einem Gegenschlag auf die Kommandozentralen in Kiew gedroht.
Sicherheitsexperten halten dies jedoch für wenig erfolgversprechend. Zum einen wisse Russland nicht, wo genau sich der ukrainische Präsident aufhalte, zum anderen hätten Angriffe auf zivile Infrastruktur etwa in Kiew keine Auswirkungen auf den Kriegsverlauf, meint Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Auch Russland-Experte Nico Lange sieht keine direkte Reaktion auf die Explosion:
Ich erwarte, wie schon bei den Schlägen gegen die Krim, keine besondere Reaktion Russlands - die Möglichkeiten Putins sind schlicht beschränkt.
Nico Lange, Russland-Experte
In russischen Telegram-Kanälen wird nun noch vehementer ein Angriff mit Nuklearwaffen auf die Ukraine gefordert, diese schätzen die Experten, mit denen ZDFheute gesprochen hat, jedoch weiter als unwahrscheinlich ein.

Die Bevölkerung der Krim flieht

Eine direkte Auswirkung hat die Explosion bereits. Vor Tankstellen auf der Krim bilden sich lange Schlagen. Russischen Angaben zufolge könnten mehr als 50.000 Touristen festsitzen. Der US-Sicherheitsexperte Mick Ryan vermutet, dass viele Menschen versuchen werden, von der Halbinsel zu fliehen:
Und wenn wir von der Abwanderung der Russen nach dem jüngsten Angriff auf einen Marinefliegerstützpunkt beeindruckt waren, wird der Ansturm, die Krim zu verlassen, jetzt wahrscheinlich noch größer sein.
Mick Ryan, Militärexperte
Die Explosionen seien ein massiver Gewinn an Einfluss für die Ukraine und eine Demonstration für Moskau und den Rest der Welt, dass Russland seine erst vor kurzem illegal annektierten Provinzen nicht schützen kann. Das Misstrauen in Putin und sein Militär werde zunehmen, so Ryan.
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Quelle: Mit Material von AP und dpa

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