: Lauterbach: Manche Regeln waren "Schwachsinn"

von Pierre Winkler
10.02.2023 | 00:33 Uhr
Karl Lauterbach distanziert sich im Nachhinein von einigen Corona-Maßnahmen, spricht von "Exzessen" der Bundesländer und gerät heftig mit dem Juristen Heribert Prantl aneinander.

Eine Bilanz nach drei Jahren Corona, über die Überlastung von Kinderkrankenhäusern sowie über psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen als Folge der Pandemiemaßnahmen

09.02.2023 | 76:06 min
Längst nicht alles war gut und richtig – aber das meiste schon. So lautet Karl Lauterbachs (SPD) Fazit der deutschen Corona-Politik knapp drei Jahre nach den ersten großflächigen Infektionen.
"Die Schulschließungen und auch die Kitaschließungen, das hätte man so lange nie durchziehen dürfen", sagte Lauterbach am Donnerstagabend bei Markus Lanz. Die Politik hätte "viel konsequenter" die Themen Digital- und Wechselunterricht sowie Lüftungskonzepte angehen müssen.

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Vom mahnenden Experten zum Bundesminister

Stattdessen habe man "die Betriebe laufen lassen, das war die falsche Priorität". Der heutige Bundesgesundheitsminister Lauterbach war zu Beginn der Pandemie noch einfacher Abgeordneter, hatte aber als mahnender Experte erheblichen Einfluss auf die damalige schwarz-rote Bundesregierung.
Darum schloss er sich selbst auch mit ein, als er sagte, dass "vieles, von dem, was wir gemacht haben, richtig gewesen" sei. Mit eben manchen sehr drastischen Ausnahmen: "Was Schwachsinn gewesen ist, wenn ich so frei sprechen darf, sind diese Regeln draußen", sagte Lauterbach, und meinte etwa Verbote, sich in Parks aufzuhalten oder ohne Maske joggen zu gehen.
"Das ist natürlich klar, das sind Exzesse gewesen", sagte er. Aber weder er noch der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn seien dafür verantwortlich gewesen, sondern:
Da haben die Länder massiv überreizt, und kein Land mehr als Bayern.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister

Lauterbach: "Sehr gut durchgekommen"

Heute gelten die letzten Corona-Maßnahmen nur noch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Deutschland sei "sehr gut durchgekommen", bilanzierte Lauterbach: "Wir sind in Deutschland vorsichtiger gewesen als andere europäische Länder, haben daher aber auch eine geringere Sterblichkeit gehabt, obwohl wir eine sehr alte Bevölkerung haben."
Lauterbach zufolge seien bislang rund 180.000 Menschen in Deutschland an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Deutschland liegt damit weltweit auf Rang 9, mit einer deutlich geringeren Sterberate als etwa Italien, Großbritannien oder die USA.

Deutsches "Sonderproblem"

"Das ist keine schlechte Zahl, aber wir wären noch besser gewesen, wenn es nicht diese ständige Politisierung der Maßnahmen gegeben hätte", sagte Lauterbach. Gemeint waren die gerade zu Beginn sehr präsenten Proteste gegen die Maßnahmen.
Das sei ein deutsches "Sonderproblem" gewesen, "dass durch eine Querdenkerfront, die sich aufgebaut hat, die Impfungen bei älteren Menschen nie so weit ausgebreitet werden konnten, wie notwendig gewesen wäre".

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Kritik von Heribert Prantl an Lauterbach

An dieser Stelle hakte sich der Journalist und Jurist Heribert Prantl ein und attackierte Lauterbach scharf. "Da sind doch Sie mit dran schuld, dass es die Querdenker gab", warf er dem SPD-Politiker vor. "In der Art und Weise, wie sie Kritik abgebügelt haben, wie sie Andersdenkende als 'Verschwörungstheoretiker' bezeichnet haben."
Lauterbach habe "hysterisiert" und dadurch "die Querdenkerei mit großgezogen". Für Lauterbach "ein haltloser Vorwurf":
Dass jetzt diejenigen, die versucht haben, die Bevölkerung zu schützen, auch ältere Menschen, und das gemacht haben im Einklang mit der Wissenschaft, plötzlich verantwortlich gemacht werden für die Querdenker, das ist perfide und nicht richtig.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister

In der Bilanz uneinig

Es werde auch in Zukunft Pandemien geben. Durch Prantls Worte entstehe der Eindruck, bei Corona habe man "das alles gar nicht gebraucht". Und genau dieser Schluss sei "Gift", entgegnete Lauterbach.
Prantls Corona-Bilanz fiel entsprechend anders aus als die des Ministers: "Mir war dieser Staat, der mein Staat ist, der unser Staat ist, nie so fremd wie in dieser Zeit. Er war unbarmherzig und er ist mir manchmal unheimlich erschienen in der Art und Weise, wie er auftrat."

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