: Neue Proteste "in jeder Stadt, in jedem Dorf"

von Oliver Klein
23.01.2023 | 13:14 Uhr
Aktivisten der "Letzten Generation" haben bundesweit neue Protestaktionen angekündigt - "größer als je zuvor". Sie wollen die Einrichtung eines "Gesellschaftsrats" erzwingen.
Ein Klimaaktivist der "Letzten Generation" klebt sich am Münchner Hauptbahnhof auf die Fahrbahn.Quelle: imago/ZUMA Wire
Vor ziemlich genau einem Jahr, am 24. Januar 2022, blockierten zwei Dutzend Aktivisten der "Letzten Generation" zum ersten Mal Zufahrten von Autobahnen in Berlin. Es folgten unzählige weitere Straßensperrungen, Proteste in Museen, Stadien, selbst an Ölpipelines oder Flughäfen. Die Aktionen sorgten für viel Aufregung, Strafanzeigen, empörte Politiker, fluchende Autofahrer, mehr als 1.200 Mal kamen Protestierende in Polizeigewahrsam.
Doch ihre Ziele, vor allem ein neues Neun-Euro-Ticket und die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen, konnten die Aktivisten bei der Politik bisher nicht durchsetzen. Und so klang Enttäuschung durch, bei einer Online-Pressekonferenz der "Letzten Generation" am Montag: Die Bundesregierung habe "versagt, ihren Job zu machen" - sie sei nicht mal bereit, die einfachsten Schritte zu gehen, erklärte Sprecherin Carla Hinrichs. Dennoch zog sie eine positive Bilanz der Aktionen:
Egal, wie heftig der Gegenwind war: Wir wurden immer mehr.
Carla Hinrichs, Sprecherin der "Letzten Generation"

Neue Strategie: Proteste in ganz Deutschland

Die Aktivisten wollen nun eine neue Strategie verfolgen: Bisher lagen die Schwerpunkte der Protestaktionen in Berlin und München. Doch ab dem 6. Februar sollen die Aktionen auf ganz Deutschland ausgeweitet werden - mit so vielen Menschen wie möglich. "Wir werden versuchen, den Protest in jede Stadt, in jedes Dorf zu tragen", und "an so vielen Stellen wie möglich den Alltag unterbrechen", sagte Sprecherin Aimée van Baalen.
Der Widerstand wird nicht stoppen. Er wird 2023 größer als je zuvor.
Aimée van Baalen, Aktivistin und Sprecherin der "Letzten Generation"

Eine Woche haben die Klima-Aktivisten der 'Letzten Generation' ihre Aktionen in Berlin und München ausgesetzt, ab kommenden Montag soll es weitergehen. Wie? – Das will die Organisation heute bekanntgeben.

02.12.2022 | 02:35 min

"Letzte Generation" fordert jetzt einen "Gesellschaftsrat"

Auch das konkrete Ziel der Aktivisten hat sich nun geändert: Sie fordern nicht mehr, dass die Politik einzelne Maßnahmen umsetzt, sondern die Einberufung eines "Gesellschaftsrats". Dieser soll nicht aus Experten bestehen, sondern aus "Menschen aus der Gesellschaft, zufällig gelost" - auch der "Autofan aus dem Ruhrgebiet", erklärt der "Letzte Generation"-Aktivist Jakob Beyer.
Denn demokratische Verfahren seien nicht demokratisch genug für angemessenen Umgang mit der Klimakatastrophe und einen "tiefgreifenden Wandel", so Beyer. Der Gesellschaftsrat solle konkrete Maßnahmen erarbeiten, mit denen Deutschland bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden könne. Die Vorschläge des Gremiums müssten dann von der Politik verwirklicht werden - dazu solle sich die Bundesregierung zuvor verpflichten.
Wir haben noch die Chance, aus der Zerstörung auszusteigen.
Jakob Beyer, Aktivist der "Letzten Generation"
Zufällig ausgewählte Menschen, die Vorschläge zu einem Problem erarbeiten - aber ohne Verpflichtung für die politischen Entscheidungsträger: So funktioniert grundsätzlich die Idee mit den Bürgerräten:

Es wird weiter geklebt - Protestform soll bleiben

Die Form des Protests an sich - vor allem das Festkleben auf Straßen - werde sich nicht ändern, sagte van Baalen auf Nachfrage von ZDFheute. Doch warum erwarten die Klimakleber dann, dass die Politik - anders als in der Vergangenheit - ihren Forderungen jetzt auf einmal folgt?
Die Erklärung der Aktivisten: Wenn sich nur genug friedlich am Protest beteiligen, gebe es irgendwann eine Anzahl, bei der "die Politik diese Menschen nicht länger ignorieren kann, sondern auf sie reagieren muss", so van Baalen. Gerade durch die Forderung nach "mehr Demokratie" gebe es die Chance, noch mehr Menschen für den Protest zu gewinnen.

Umfrage: Aktivisten haben wenig Rückhalt

Es ist jedoch mehr als fraglich, ob die Bewegung der "Letzten Generation" über genügend Gleichgesinnte verfügen wird, um den Protest tatsächlich in die letzten Winkel Deutschlands zu tragen: Nach Schätzungen der Aktivisten selbst hatten sich bisher insgesamt etwa 800 Menschen an Klebe-Aktionen auf den Straßen beteiligt.
Einen exakten Überblick könne es nicht geben, die "Letzte Generation" habe kein Mitgliederverzeichnis, so Hinrichs. Doch breite gesellschaftliche Unterstützung fehlt bislang: Laut einer Civey-Umfrage vom November sagten 86 Prozent der Befragten, die "Letzte Generation" schade mit ihrem Vorgehen dem Anliegen des Klimaschutzes.
Quelle: mit Material von dpa

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