: Lulas großes Amazonas-Versprechen
von Tobias Käufer, Rio de Janeiro
17.11.2022 | 10:33 UhrKaum eine Rede ist bei der UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten mit so großer Spannung erwartet worden, wie die des alten und ab Januar 2023 wieder neuen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva. Der Linkspolitiker ist der große Hoffnungsträger für eine Kehrtwende in der Amazonas-Politik des größten südamerikanischen Landes.
Schulze: Lula ist Chance für Brasilien
Geht es nach der Bundesregierung, dann steht Brasilien vor einer Zäsur: Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, schrieb auf Twitter: "Mit Präsident Lula hat Brasilien jetzt die Chance wegzukommen von einer Wirtschaft, die auf Waldzerstörung basiert."
Tweet von Svenja Schulze
Die Vorschusslorbeeren und die Erwartungshaltung sind enorm. Der Grund dafür ist ein fast schon historisches Versprechen, das Lula in Ägypten bekräftigte:
Ohne einen geschützten Amazonas gibt es keine Klimasicherheit für die Welt. Wir werden keine Mühen scheuen, um die Entwaldung und den Verfall unserer Ökosysteme bis 2030 auf Null zu bringen.
Damit hat der Brasilianer den Zeitrahmen umrissen, in denen die Öko-Zeitenwende gelingen soll.
Hohe Abholzungszahlen auch unter Lula
Lula hatte während seiner ersten Amtszeiten von 2003 bis 2011 selbst eine hohe Abholzungsrate von durchschnittlich etwa 15.600 Quadratkilometern pro Jahr zu verantworten. Die "New York Times" schrieb dazu: "In Lulas erster Amtszeit trug Chinas unersättlicher Appetit auf brasilianische Sojabohnen, Eisenerz, Öl und Fleisch dazu bei, ein schnelles Wachstum anzuheizen, das Brasilien bis 2012 zur sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt machte."
Der aktuelle Amtsinhaber Jair Bolsonaro kam auf jährlich durchschnittlich 11.405 Quadratkilometer Abholzung (2019 bis 2021, die Zahlen für das gesamte Jahr 2022 liegen noch nicht abschließend vor).
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Der Unterschied: Nach zwei verheerenden Jahren mit über 52.000 abgeholzten Quadratkilometern begann bei Lula eine stetige Reduzierung der Abholzung, während es bei Bolsonaro mit der Abholzung wieder bergauf ging. Diese deutliche Reduzierung und sein Versprechen machen Lula nun zum Hoffnungsträger der Klimaschutzbewegung.
Neuer Präsident setzt auf eigene Kritikerin
Eine der wichtigsten Figuren im Personalkonzept Lulas ist die ehemalige Umweltaktivistin Marina Silva, die als unbestechliche Anwältin des Regenwalds gilt und international höchste Reputation genießt. Sie trat im Streit mit der Lula-Regierung 2008 als Umweltministerin zurück.
Anlass war damals der umstrittene "Plan für ein nachhaltiges Amazonas", der mit Land- und Wasserstraßen für die Agrarindustrie, dem Bau neuer Staudämme für Aluminiumwerke eine weitere Abholzung des Amazonas ermöglichte.
Inzwischen hat sich Silva mit Lula versöhnt und gilt als aussichtsreiche Anwärterin für das Umweltministerium.
Präsident Lula hat sich verändert.
"Er war derjenige, der sagte, dass das Klima die höchste Priorität hat und dass wir die Entwaldung auf Null bringen wollen", sagte Silva der BBC in Ägypten. Dass Lula zudem die nächste Klimakonferenz nach Brasilien holen will, ist ein gutes Zeichen: Er setzt sich damit selbst massiv unter Druck, bis dahin Erfolge vorweisen zu können.
NGO fordert spürbaren Richtungswechsel
"Die Herausforderung ist, den Umweltschutz als staatliche Politik zu verankern, unabhängig von linken und rechten Ideologien", sagt Caetano Scanavino von der Amazonas-NGO "Saude & Alegria" im Gespräch mit ZDFheute.
Es müsse in den ersten 100 Regierungstagen deutlich werden, dass diejenigen Kräfte, die von illegalen Handlungen wie Waldzerstörung leben, nicht weiter belohnt und diejenigen, die Umweltverbrechen anprangern, nicht weiter mit dem Tod bedroht werden.