: Colorado legalisiert Magic Mushrooms

von Katharina Spreier
26.11.2022 | 15:12 Uhr
Im US-Staat Colorado sind Magic Mushrooms bald legal. Die Pilze versprechen eine besonders schnelle und langanhaltende Behandlung bei Depressionen. Aber sie haben auch Risiken.
In Colorado ist der medizinische Konsum von Magic Mushrooms bald legal. Quelle: AP
Wo sie ihre Pilze aufbewahre? "Hier", antwortet Melissa Lavasani und öffnet den Küchenschrank in ihrem Reihenhaus in Washington, D.C., wo die Pilze seit 2020 legal sind. In einer Mühle zermahlt sie die kleinen, getrockneten Pilze zu einem feinen Pulver und füllt es in Kapseln.
Die Dosis ist so gering, dass sie keine Halluzinationen hervorruft. Melissa sieht Pilze mit dem Wirkstoff Psilocybin, Magic Mushrooms, als Medizin.
Ich habe nie zum Spaß Drogen genommen. Sondern ich habe meine Medizin gezüchtet und nehme meine Medizin. Das ist der feine Unterschied.
Melissa Lavasani

Diagnose: Wochenbettdepression

Bereits in der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind habe sie depressive Zustände gehabt. Nach der Geburt wurden Melissas Symptome schlimmer, bis sie es kaum noch aus dem Bett schaffte. Diagnose: Wochenbettdepression. "Ich hatte jeden Tag mit Panikattacken zu kämpfen. Ich war schwer depressiv. Ich konnte nicht mehr mit meiner Familie interagieren."
Durch einen Podcast erfährt sie von der Forschung auf dem Gebiet zu psychedelischen Drogen und wie sie Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen könnten. "Ich hatte vorher noch nie mit solchen Drogen experimentiert und hatte deswegen überhaupt keine Erfahrungswerte. Aber sobald ich hörte, dass renommierte Einrichtungen wie die Johns Hopkins University Psilocybin und andere Psychedelika auf ihre Eigenschaften auf die psychische Gesundheit untersuchen, wusste ich, dass es etwas ist, das ich ausprobieren muss." 

Rund fünf Millionen Deutsche leiden an Depressionen, einige mit akuten Suizidgedanken. Umso wichtiger ist schnelle Hilfe. Doch die Wartezeiten sind oft lang.

09.11.2022 | 02:00 min

Magic Mushrooms wirken schnell und langanhaltend

Dr. Albert Garcia-Romeu, Professor am "Johns Hopkins Center for Psychedelic and Consciousness Research", forscht zu psychedelischen Pilzen als Behandlungsmöglichkeit für Depressionen. Der enthaltene Wirkstoff Psilocybin wirke schnell und halte Symptome lange in Schach.
"Psilocybin ist eines der sogenannten schnellwirkenden Antidepressiva. Bereits nach 24 Stunden kann man merken, wie die depressiven Symptome abnehmen", so der Experte, "was aber noch interessanter ist: Auch nachdem der Körper den Wirkstoff abgebaut hat, kommuniziert das Gehirn anders, als es vor Einnahme der Droge der Fall war. Wir sehen, dass die Depressionssymptome bei den Betroffenen monatelang oder sogar ein Jahr lang verschwunden sind, nachdem sie das Medikament ein oder zwei Mal eingenommen haben."
Das bestätigt auch Melissa Lavasani. Nach nur drei Tagen schaffte sie es wieder aus dem Bett und konnte mit ihrem Sohn spielen - vorher unvorstellbar. Doch dann kamen die Schuldgefühle:
Einerseits fühlte ich mich so viel besser und war froh, mein Leben zurückzuhaben. Andererseits wusste ich, dass ich das Gesetz breche und das für mich womöglich böse ausgehen könnte.
Melissa Lavasani, Psylocibin-Konsumentin

Magic Mushroom-Erfahrungen können "beängstigend" sein

Denn Pilze mit dem Inhaltsstoff Psilocybin gehören in den USA zur Kategorie der sogenannten "Schedule 1 Drugs", wie LSD oder Heroin. Laut der Drug Enforcement Administration (DEA) bieten diese Drogen ein besonders hohes Risiko für Missbrauch und werden streng reguliert.

Psychedelische Pilze, auch Magic Mushrooms genannt, sind in vielen US-Bundesstaaten illegal. In Colorado werden sie nun legalisiert. Hoffnung für Depressive oder Risiko?

26.11.2022 | 02:24 min
Colorado ist nach Oregon der zweite Bundesstaat, der Psilocybin-Pilze legalisiert. Das haben die Wählerinnen und Wähler mit einer knappen 51-Prozent-Mehrheit bei der Zwischenwahl Anfang November entschieden.
Während die medizinische Versorgung in Colorado im Staatenvergleich allgemein gut ist, schneidet der Staat in einer jährlichen Studie des Commonwealth Funds in Hinsicht auf psychische Gesundheit als einer der schlechtesten bundesweit ab.
Das bedeutet:
  • zu wenig Therapieangebote
  • häufige Alkoholabhängigkeit
  • eine überdurchschnittliche Suizidrate

Colorado: Magic Mushrooms sollen ab 2025 konsumiert werden dürfen

Ab 2025 sollen in Colorado Magic Mushrooms in staatlich zertifizierten Einrichtungen unter Aufsicht konsumiert werden können. Frei verkäuflich, wie es an vielen Orten der USA mit Marihuana der Fall ist, wird die Droge nicht sein.
Das sei der richtige Schritt, meint Dr. Albert Garcia-Romeu. Sichere Rahmenbedingungen, wie die Anwesenheit von therapeutischem Fachpersonal, seien essentiell. Denn so vielversprechend Psilocybin auch sei - ein großer Nachteil bleibe, dass der Wirkstoff oft unberechenbar sei:
20 bis 30 Prozent der Menschen machen bei einer hohen Dosis sehr beängstigende Erfahrungen. Und wenn sie diese Erfahrung draußen in der echten Welt machen und nicht in einem kontrollierten Labor oder einer medizinischen Einrichtung, dann besteht die Gefahr für gefährliches und unberechenbares Verhalten.
Dr. Albert Garcia-Romeu, Johns Hopkins University

Psychologische Betreuung ist essentiell

Um sicher zu sein, brauchen Magic Mushrooms Infrastruktur. Die Forschenden der Johns Hopkins University betreuen die Patientinnen und Patienten vor und nach Einnahme der Pilze mehrere Wochen psychologisch.
Für ambulante Praxen wäre das ein Aufwand, den sie nicht stemmen können. Denn schon jetzt fehlen in den USA Psychotherapeuten. Der Großteil der Betroffenen bezahlt eine Psychotherapie außerdem selbst. Denn viele Praxen arbeiten nicht mit Krankenkassen zusammen - das schränkt die Auswahl und Verfügbarkeit therapeutischer Angebote weiter ein.

Hilfe für Betroffene und Angehörige

  • Informationen und Adressen rund um das Thema Depression sowie einen Selbsttest bietet die Deutsche Depressionshilfe.
  • Deutschlandweites Info-Telefon: 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
  • die Stiftung Deutsche Depressionshilfe empfiehlt folgende Anlaufstellen: ein fachlich moderiertes Online-Forum zum Erfahrungsaustausch: www.diskussionsforum-depression.de und für Angehörige: www.bapk.de und www.familiencoach-depression.de

US-Städte lockern zum Teil Beschränkungen rund um Psilocybin

Neben den Staaten Oregon und Colorado haben außerdem mehrere Großstädte und Landkreise die Beschränkungen rund um Psilocybin gelockert, darunter Seattle, Ann Arbor, Oakland, Detroit und auch Washington, D.C..
Die Staaten Texas, Utah and Washington haben Task Forces eingerichtet und Gelder für die Psilocybin-Forschung freigegeben.