: Moskau: Wollen Selenskyj nicht stürzen

28.03.2022 | 23:55 Uhr
Kiew sieht keine Anzeichen für russischen Rückzug, Moskau plant angeblich nicht den Sturz von Präsident Selenskyj. Tag 33 in Russlands Krieg im Überblick.

Das Wichtigste in Kürze

  • Weiter Angriffe in der Ukraine
  • Moskau dementiert Umsturzpläne für die Ukraine
  • Irpin offenbar von ukrainischen Kräften zurückerobert
  • Neue Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland für Dienstag angekündigt
Wir fassen für Sie im Folgenden die Entwicklungen vom 33. Kriegstag in der Ukraine zusammen. News-Updates zur aktuellen Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine. [Eine kompakte Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse des 34. Kriegstags finden Sie hier.]
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Das ist am 33. Tag im Russland-Ukraine-Krieg passiert:

  • Russlands Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew hat Berichte über eine angeblich geplante Auswechslung der ukrainischen Führung als Falschnachricht zurückgewiesen. "Das Ziel unserer Spezial-Operation in der Ukraine ist nicht - wie sie es im Westen darzustellen versuchen - ein Wechsel des Kiewer Regimes, sondern ein Schutz der Menschen vor einem Genozid, die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine", sagte Patruschew am Montag der Agentur Interfax zufolge.
  • Russland hat in der Nordwestukraine nach Anhaben dortiger Behörden ein weiteres Treibstofflager mit Raketen angegriffen. Der Angriff sei im Gebiet Riwne erfolgt, teilte der Gouverneur der Region, Witalij Kowal, am Montag im Nachrichtendienst Telegram mit. Der Zivilschutz sei bereits vor Ort. Aufgrund des weiter geltenden Luftalarms sollen die Bürger jedoch weiter in den Schutzkellern bleiben. Damit sind ein Dutzend Kraftstofflager zumindest schwer beschädigt worden.
  • Auf den staatlichen ukrainischen Telekommunikationskonzern Ukrtelecom hat es nach Angaben von Unternehmens- und Regierungsvertretern einen schweren Cyberangriff gegeben. Die Hackerattacke sei abgewehrt worden und der Zugang zum Internet werde schrittweise wieder aufgebaut, sagte ein Ukrtelecom-Sprecher. Die Beobachtungsstelle NetBlocks hatte zuvor berichtet, dass landesweit Netzverbindungen zusammengebrochen seien.
  • Die Ukraine sieht keine Anzeichen, dass sich die russischen Truppen von Kiew zurückziehen. Die russische Föderation habe ihre Pläne nicht aufgegeben, Kiew - wenn es nicht gelänge, die Hauptstadt einzunehmen - einzukesseln, sagt der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums, Olexander Motusjanyk. "Derzeit sehen wir keine Bewegungen der feindlichen Truppen weg von Kiew."
  • Der Güterbahnverkehr zwischen Russland und Finnland ist eingestellt. Das teilt die russische Bahn mit. Man reagiere damit auf die Ankündigung der finnischen Bahngesellschaft VR Group, wegen der Sanktionen keine Güterzüge aus Russland mehr einfahren zu lassen. Russland ist nun nach Angaben der Bahn im Gespräch mit China, um zusätzliche Güterzüge dorthin fahren zu lassen
  • Ukrainische Truppen haben nach Angaben des Bürgermeisters von Irpin den nordwestlich gelegenen Vorort von Kiew zurückerobert. Irpin hatte einige der schwersten Kämpfe in der Hauptstadtregion gesehen. Der Bürgermeister sagte, die Stadt sei "befreit"
  • Neue persönliche Friedensverhandlungen zwischen zwei Delegationen aus der Ukraine und aus Russland könnten Angaben des Kreml zufolge am Dienstag in Istanbul beginnen. Die ukrainische Seite hatte zunächst von einem Verhandlungsbeginn bereits am Montag gesprochen. Die Regierung in Kiew will in den Verhandlungen über ein Ende des Kriegs in der Ukraine die Frage der von Russland geforderten Neutralität des Landes "gründlich" prüfen. Das sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit mehreren unabhängigen russischen Medien.
  • Selenskyj äußerte auch seine Bereitschaft, Russland Sicherheitsgarantien wie einen atomwaffenfreien Status der Ukraine zu bieten. Doch müsse sich für ein Abkommen Wladimir Putin mit ihm treffen, sagte Selenskyj in dem Interview.
  • Die Ukraine dämpft jedoch Erwartungen an die neue Verhandlungsrunde. "Ich glaube nicht, dass es einen Durchbruch in den wichtigsten Fragen geben wird", sagte der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Vadym Denysenko.
  • Selenskyj hat seine Landsleute zudem vor den Gefahren einer Kollaboration mit den russischen Besatzern gewarnt. In einer Videoansprache wandte er sich in der Nacht zum Montag "an diese phänomenalen Dummköpfe", die mit den russischen Militärs zusammenarbeiten wollten.
Mehr zu Parallelen und Unterschieden zwischen Putins Kriegen - von Tschetschenien bis zur Ukraine - erfahren Sie in dieser interaktiven Story:
  •  In der Ukraine sind nach Angaben aus Kiew seit Kriegsbeginn mindestens 143 Kinder getötet und 216 verletzt worden. Das teilte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denissowa, auf Telegram mit. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Fragen und Antworten zum Russland-Ukraine-Konflikt

Die Situation in den ukrainischen Städten:

  • Nach der Ankündigung Russlands, sich auf die "Befreiung des Donbass" konzentrieren zu wollen, befürchtet die Regierung in Kiew eine Zuspitzung der Lage in Mariupol und im Osten des Landes. "Dies bedeutet eine potenzielle oder starke Verschlechterung rund um Mariupol", sagte der ukrainische Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch. Die ukrainische Armee ging mancherorts unterdessen zum Gegenangriff über.
  • Die russische Wagner-Söldnergruppe ist nach Einschätzung britischer Geheimdienste in den Osten der Ukraine geschickt worden. Es werde damit gerechnet, dass mehr als 1.000 Söldner im Kampf eingesetzt werden sollen, erklärt das Verteidigungsministerium in London.
  • In der Nähe der eingekesselten Hafenstadt Mariupol würden russische Truppen Geländegewinne erzielen, erklärte das britische Verteidigungsministerium heute. Dort würden die russischen Truppen vor allem versuchen, den Hafen einzunehmen.
  • Der Bürgermeister von Mariupol rief zur vollständigen Evakuierung der ukrainischen Hafenstadt auf. Es drohe eine humanitäre Katastrophe, sagt Wadym Boitschenko. Unter anderem seien 160.000 Einwohner ohne Strom.
  • Ukrainische Truppen sind nach eigener Darstellung zu erfolgreichen Gegenangriffen in der Umgebung der Stadt Charkiw im Osten des Landes angetreten. Dabei seien russische Truppen am Sonntag aus mehreren Ortschaften verdrängt worden, sagte der regionale Militärchef Oleg Synegubow auf Telegram. "Wir treiben die Besatzer in Richtung (russischer) Grenze zurück", sagte er. Auch bei Kiew gab es nach ukrainischen Militärangaben Landgewinne. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Reaktionen auf den russischen Angriff:

  • US-Präsident Joe Biden hat dementiert, dass er bei seiner Rede zum Ukraine-Krieg in Warschau den Sturz des russischen Präsidenten Wladimir Putin gefordert habe. Am Abend ergänzte Biden, dass er nichts von dem zurücknehmen werde, was er gesagt habe. "Ich habe die moralische Entrüstung zum Ausdruck gebracht, die ich gegenüber diesem Mann empfunden habe." Die Regierung in Moskau werde die Äußerungen Bidens weiter genau verfolgen, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. 
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat seine Forderung nach einem russischen Truppenabzug aus der Ukraine erneuert. "Die Tötungen, die Zerstörung, das Leid in der Ukraine gehen unvermindert weiter - auf unserem Kontinent, keine zwei Flugstunden von Berlin entfernt", sagte er am Montag in Berlin nach einem Gespräch mit der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. "An diesen Kriegszustand können und wollen wir uns nicht gewöhnen." Der Kanzler rief Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, "endlich einen Waffenstillstand zu vereinbaren".
  • Die größten Industriestaaten der Erde lehnen die geforderte Zahlung von russischer Energie in Rubel laut Wirtschaftsminister Robert Habeck ab. Alle Minister der sieben größten Staaten (G7) seien sich einig gewesen, dass die geforderte Rubel-Zahlung ein Bruch der Verträge sei, sagte der Grünen-Politiker nach einer von ihm einberufenen Konferenz der G7 am Montag in Berlin. Man fordere die Unternehmen daher auf, den Forderungen von Putin nicht Folge zu leisten. "Das heißt also, dass eine Zahlung in Rubel nicht akzeptabel ist", sagte er. Der Versuch von Russlands Präsident Wladimir Putin, die Staatengemeinschaft zu spalten, sei offenkundig. "Wir lassen uns nicht spalten, die Antwort der G7-Staaten ist eindeutig. Die Verträge werden eingehalten." Auf die Frage nach einem möglichen Liefer-Boykott, ergänzte er: "Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet.
  • Die EU-Innenminister beraten heute über den Umgang mit der Fluchtbewegung aus der Ukraine. Dabei dürfte es vor allem um die Verteilung der bislang fast vier Millionen Flüchtlinge auf die EU-Staaten gehen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine und mehr Koordination durch die EU-Kommission. 
  • Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will bei der Gesundheitsministerkonferenz heute über die Versorgung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sprechen - insbesondere deren Impfstatus. Nach Darstellung des Ministers bestehen "riesige Impflücken" bei den Flüchtlingen, nicht nur in Bezug auf Corona, sondern auch auf Masern.
  • Der Städte- und Gemeindebund hat sich für eine Registrierung aller Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ausgesprochen. Da die Umsetzung angesichts der großen Flüchtlingszahlen und der Dauer des Registrierungsvorgangs nicht einfach sei, müssten an den Ankunftsbahnhöfen in Deutschland vom Bund Registrierstraßen eingerichtet werden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem "Handelsblatt". So könne der Registrierungsgrad schnell erhöht werden. Außerdem müssten Bund und Länder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Ausländerbehörden personell, technisch und finanziell besser ausstatten, um die Registrierung zu beschleunigen

Das ist im Krieg an Tag 32 passiert:

Kämpfe in Mariupol, Reaktionen auf Biden-Rede, schwere Vorwürfe Richtung Moskau. Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Sonntag entwickelt hat:
Quelle: dpa, AFP, AP, epd, KNA, Reuters, ZDF

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