: Ukraine-Krieg: Der große Matsch kommt zurück

von Nils Metzger
28.10.2022 | 18:43 Uhr
Der Herbst kommt in der Ukraine an; die Natur verwandelt sich vielerorts in eine Schlammwüste. Nun kämpfen die Soldaten auch gegen das Wetter. Was bedeutet das für die Offensiven?
Ukrainische Soldaten nahe Saporischschja: Jetzt kann die Haubitze noch durchs Feld gezogen werden. Schon bald könnte hier eine Schlammwüste sein.Quelle: Reuters
Bei Napoleon und im Zweiten Weltkrieg - seit Jahrhunderten entscheidet sie Kriege: die sogenannte Bezdorizhzhia (russ. Rasputitsa), die Zeit der "Wegelosigkeit", sie beginnt in der Ukraine. Wenn herbstlicher Regen Felder und Waldböden in der Ukraine aufweicht, dann versinken Menschen und vor allem schwere Fahrzeuge tief im Schlamm.
Im Herbst und Frühjahr kann so jedes Vorrücken jenseits befestigter Straßen zu einer Herausforderung werden. Russland bekam das bereits zu Beginn der Invasion zu spüren - Kolonnen von Fahrzeugen steckten fest, Panzer gingen in Straßengräben verloren. Es war ein Grund, warum der schnelle Vorstoß auf die Hauptstadt Kiew zu einem militärischen Fiasko wurde.

Sie sehen harmlos aus und sind doch eine Gefahr - nicht explodierte Minen und Sprengfallen. Junge Ukrainerinnen säubern wichtige Infrastruktur-Punkte von Kampfmittelrückständen.

27.10.2022 | 02:15 min

Der Schlamm hilft oft den Verteidigern

Doch diesmal könnte der Schlamm ein Vorteil Russlands sein, denn die Initiative im Krieg hat sich ins Gegenteil verkehrt. Aktuell befindet sich die Ukraine auf dem Vormarsch, hat Offensiven etwa in der Region Cherson laufen. Grundsätzlich stärkt die Rasputitsa den Verteidiger, sie kann aber auch einen schnellen Rückzug angesichts eines überlegenen Gegners unmöglich machen.
Ukrainische Soldaten stapfen durch den Schlamm
Wie sehr sich das Phänomen auswirkt, kann man im Voraus kaum sagen. Je nach Wetterlage ist der Effekt im Herbst lokaler begrenzt und milder als bei der Schneeschmelze im Frühjahr. Auch wie lange die Wegelosigkeit in einem konkreten Jahr anhält, ist im Voraus kaum zu sagen.

Welche Ausrüstung hilft gegen den Matsch?

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow dämpfte darum am Mittwoch vor Reportern die Erwartung an schnelle ukrainische Geländegewinne:
Es ist die Regensaison und es ist sehr schwierig, Fahrzeuge mit Rädern einzusetzen.
Olexij Resnikow, ukrainischer Verteidigungsminister
Schon Ende September kursierten online die ersten Videos von Kolonnen, die im Schlamm feststeckten. Hier waren es mehrere von den USA an die Ukraine abgegebene gepanzerte Fahrzeuge, die mit dem Matsch nicht zurechtkamen:
Gepanzerte Fahrzeuge der Ukraine im Schlamm
Bleibt ein Fahrzeug liegen, hält das den gesamten Konvoi auf. Entweder müssen sich die Fahrzeuge gegenseitig aus dem Schlamm ziehen oder extra Bergegerät muss angefordert werden. Deutschland etwa hat der Ukraine aktuell 15 Bergepanzer zugesagt, wovon zehn bereits ausgeliefert wurden.
Gelingt auch so eine Bergung nicht, müssen völlig intakte Fahrzeuge aufgegeben werden. Im Frühjahr führte das zu zahllosen Aufnahmen von ukrainischen Bauern, die mit ihren Traktoren russische Panzer abschleppten. Diese "Division ukrainischer Landwirte", wie sie scherzhaft oft genannt wird, könnte auch diesmal wieder eine wertvolle zivile Hilfe darstellen. Kettenfahrzeuge wie der von Deutschland nicht gelieferte Schützenpanzer Marder sind insgesamt nochmal deutlich geländegängiger als Radfahrzeuge.

Der Winter kommt und die Menschen in der Ukraine müssen sich auf die Kälte vorbereiten. Zerstörte Häuser werden wieder aufgebaut und für die Soldaten werden Öfen bereitgestellt.

27.10.2022 | 06:00 min

Wie ist die Ukraine auf den Winterkampf vorbereitet?

Noch sind die Temperaturen in der Ukraine mild, doch schon der erste nächtliche Frost kann für Truppen im Feld eine Herausforderung sein. Um die Ukraine für den Winterkampf auszustatten, hat die Bundeswehr bereits 116.000 Kälteschutzhosen und 80.000 Kälteschutzjacken an Kiew geliefert.
Es ist erklärtes Ziel der Nato, die ukrainischen Streitkräfte winterfest zu machen. Bereits im Juli hatte Verteidigungsminister Resnikow Winterausrüstung für insgesamt 200.000 Mann angefordert. Die Hoffnung ist, dass die Ukraine durch eine bessere Ausstattung im Winter gegenüber Russland im Vorteil sein wird und Offensiven fortsetzen kann. Denn wenn der Boden erstmal gefroren ist, bleiben auch keine Fahrzeuge mehr im Schlamm stecken.
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