: Moldaus Angst vor Putins Angriff

von Sebastian Ehm
22.02.2023 | 14:39 Uhr
Die Republik Moldau könnte im Fokus des Kremls stehen. Immer wieder gibt es Gerüchte über eine bevorstehende russische Invasion. Die Angst in der Ex-Sowjet-Republik wächst.
Ein Grenzübergang Moldaus mit der Ukraine.Quelle: Imago
Boris Nicșan wirkt beunruhigt, als er mit seinem Feldstecher das ukrainisch-moldauische Grenzgebiet absucht. Der 42-Jährige ist Grenzpolizist in der Republik Moldau. "Es macht mir Angst, dass der Krieg so nah an unser Land gekommen ist", sagt er. Eigentlich hatte er seinen Dienst schon quittiert, aber mit Beginn der Kämpfe vor einem Jahr habe man ihn gebeten, wieder zurückzukommen. Sie brauchen hier jetzt jeden Mann.
Für die kleine Truppe der moldauischen Grenzschützer hat der Krieg in der Ukraine direkte Auswirkungen. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte habe enorm zugenommen, erzählen sie. Meistens sind es ukrainische Männer, die sie aufgreifen. Viele wollen dem Dienst an der Waffe in der Ukraine entkommen. Über 1.000 seien es seit Kriegsbeginn schon gewesen.

Moldau: Den Frontverlauf im Blick

Gleichzeitig behalten sie hier auch den Frontverlauf genau im Blick. Denn sollte Russland im Süden weiter nach Odessa vorstoßen, wäre es nicht mehr weit bis nach Moldau. Vor einem Jahr dachten sie hier schon einmal, dass die Russen kommen würden. Damals seien sie bereit gewesen, ihr Land zu verteidigen.
Die Nervosität, die man an der Grenze erlebt, spürt man im ganzen Land. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass eine russische Invasion kurz bevorstehe. So warnte der ukrainische Geheimdienst gerade erst vor einer Übernahme des internationalen Flughafens in der Hauptstadt Chișinău durch russische Truppen. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass die Sicherheitslage angespannt, aber unter Kontrolle ist.

Putin annulliert Dekret

Am Dienstag annullierte Wladimir Putin außerdem ein Präsidialdekret, das festlegte, dass eine Lösung des Transnistrien-Konflikts ausschließlich unter Einhaltung der Souveränität und territorialen Integrität der Republik Moldau erfolgen könne.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Das bedeutet zwar nicht automatisch, dass Russland die territoriale Integrität nicht mehr anerkennt, doch es zeigt deutlich, wie angespannt die Beziehungen zwischen Moskau und Chișinău sind. Russland ist der pro-europäische Kurs der Präsidentin ein Dorn im Auge. Die Nachricht aus Moskau erreicht die Republik Moldau am Ende einer turbulenten Woche.

Demonstrationen in der Hauptstadt Chișinău

Staatspräsidentin Maia Sandu warnte vor einem bevorstehenden pro-russischen Putschversuch. Kurz danach trat die Regierung zurück, außerdem wurden serbische Fußballfans und ein montenegrinischer Boxclub nicht ins Land gelassen. Die Behörden hatten Angst vor dem Gewaltpotenzial. Am Sonntag organisierte die pro-russische Shor-Partei eine Demonstration gegen die aktuelle pro-europäische Staatsspitze. 5.000 Menschen kamen und machten ihrer Wut Luft.
"Nieder mit der Diktatur, nieder mit Sandu" forderten sie immer wieder in Sprechchören. Viele in der Republik Moldau sind unzufrieden. Das Land ist abhängig von russischem Gas und der Kreml hatte die Preise dafür immer wieder angehoben, um die pro-europäische Regierung unter Druck zu setzen. Denn die Menschen in Moldau sind arm und können sich die teuren Energiepreise nicht leisten.

Moldau ist ein gespaltenes Land

Auch deswegen wollen viele Menschen in Moldau keine schlechten Beziehungen zu Moskau. Die meisten Moldauer sprechen russisch und fühlen sich Russland nahe. Das Land ist insgesamt gespalten. Die eine Hälfte will in die EU, die andere Hälfte eine nähere Anbindung an Moskau.
Grenzpolizist Boris Nicșan seufzt, wenn man ihn auf die Spaltung der moldauischen Gesellschaft anspricht. "Ich will nur in Frieden leben und keinen Krieg in Moldau", sagt er. Nach kurzem Zögern schiebt er hinterher:  "…am liebsten in der Europäischen Union."
Sebastian Ehm ist ZDF-Korrespondent und zuständig für Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.

Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.

Thema

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine