: Putins Drohungen: Nato plant für Ernstfall

13.10.2022 | 19:01 Uhr
Die Nato berät über die russischen Atomdrohungen. Man sei vorbereitet, heißt es. Inwiefern, das ist geheim.
Die Nato-Staaten bereiten sich auf das Schreckensszenario eines russischen Atomwaffenangriffs gegen die Ukraine vor. Die Verteidigungsminister von 29 der 30 Bündnisstaaten berieten am Donnerstag bei einem als geheim eingestuften Treffen der sogenannten Nuklearen Planungsgruppe über die jüngsten Entwicklungen und Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin. Im Raum stand dabei unter anderem die Frage, was ein russischer Atomwaffeneinsatz in der Ukraine für das Bündnis bedeuten würde und wie die nukleare Abschreckung der Nato angesichts der aktuellen russischen Drohungen maximiert werden kann.
Man müsse Putins Drohungen durchaus ernstnehmen, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im ZDF heute-journal. Allerdings dürfe man sich auf keinen Fall von Angst lähmen lassen. Bislang habe man in Russland noch keine entsprechenden Veränderungen registriert. Man müsse aber wachsam bleiben, so die Ministerin.

Lambrecht: Nato vorbereitet

Am Rande des Nato-Treffens sagte sie, es sei wichtig, sich auf die Drohungen auch einzustellen. Man tausche sich innerhalb der Nato aus und überlege, wie man darauf reagiere. Zu Details des Treffens gab es von den Teilnehmern keine konkreten Angaben. "Ich bitte um Verständnis, dass wir solche Abstimmungen eben auch in internen, in geheimen Gremien machen", so Lambrecht. Sie könne aber sagen, dass man vorbereitet sei.
Beteiligt an den Beratungen waren mit Ausnahme von Frankreich alle Nato-Staaten. Die derzeit einzige Atommacht unter den EU-Ländern setzt seit Jahrzehnten auf das Prinzip der "nuklearen Unabhängigkeit" und ist deswegen nicht Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe. Das öffentliche Schweigen über mögliche Reaktionen der Nato auf einen russischen Atomwaffeneinsatz ist dabei auch Teil der Abschreckungsstrategie. Für den russischen Präsidenten Putin soll das Risiko eines solchen Schrittes unkalkulierbar gehalten werden.

Von atomarer Antwort bis Cyberangriff

Klar ist allerdings, dass die Reaktion am Ende davon abhängen würde, was Russland genau tut. Für den Fall eines russischen Atomwaffenangriffs auf Großstädte wie Kiew gilt nicht einmal ein direktes Eingreifen der Nato als ausgeschlossen. Sollten alle Bündnispartner zustimmen, könnte die Nato dann etwa versuchen, die russischen Invasionstruppen in der Ukraine militärisch auszuschalten.
Eine weitere Option wäre nach Angaben aus Bündniskreisen ein massiver Cyberangriff - zum Beispiel, um kritische Infrastruktur wie die Stromversorgung oder die Kommunikation lahmzulegen. Ein solches Vorgehen gilt auch dann als denkbar, wenn Russland kleinere taktische Nuklearwaffen gezielt gegen die ukrainischen Streitkräfte einsetzen sollte.

Jährliches Manöver

Um eine Ausweitung des Krieges auf Nato-Territorium zu verhindern, setzt die Nato so offensiv wie seit langem nicht mehr auch auf nukleare Abschreckung. So informierte Generalsekretär Jens Stoltenberg in dieser Woche bereits im Vorfeld über das jährliche Manöver zur Verteidigung des Bündnisgebiets mit Atomwaffen. Die Übung Steadfast Noon soll den Angaben zufolge in der kommenden Woche beginnen. Nach dpa-Informationen will sich die Bundeswehr unter anderem wieder mit Tornado-Jets beteiligen, die im Ernstfall US-Atombomben abwerfen könnten. US-Atomwaffen sollen unbestätigten Angaben zufolge in Norditalien, in Belgien, der Türkei sowie in den Niederlanden und im rheinland-pfälzischen Büchel lagern.
Ein weiterer Teil der verstärkten Abschreckungs- und Verteidigungsbemühungen ist ein am Donnerstag von Deutschland und 14 Partnerländern gestartetes Projekt zum Aufbau eines besseren europäischen Luftverteidigungssystems. Dieses soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen. Defizite gibt es dort beispielsweise im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen, aber auch bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern.
Quelle: dpa, ZDF

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