: G7 und EU wollen ukrainisches Getreide retten

12.05.2022 | 23:31 Uhr
G7 und EU planen Export von ukrainischem Getreide, UN geht von 100 toten Kinder im letzten Monat des Kriegs aus. Die Lage an Tag 78 im Ukraine-Krieg.
Ein Mähdrescher erntet Weizen. Quelle: dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • G7 Staaten wollen Getreideexporte der Ukraine unterstützen
  • Finnland für schnellstmöglichen Nato-Beitritt
  • Habeck: Auf Moskaus Gas-Boykott vorbereitet
  • Kuleba verzeiht SPD Fehler bei Russland-Politik
  • UN: Mehr als sechs Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen

Anmerkung der Redaktion

Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Die aktuelle Lage an Tag 78 im Ukraine-Krieg:

  • Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat der SPD ihre von vielen als zu nachsichtig kritisierte Russland-Politik der letzten Jahrzehnte verziehen. "Die Vorkriegsgeschichte in den deutsch-russischen Beziehungen und die Rolle der Sozialdemokraten dabei ist etwas, das nun Geschichte ist", sagte Kuleba nach einem Treffen mit SPD-Chef Lars Klingbeil und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in Berlin. Auch schrieb er Deutschland im ARD-Morgenmagazin der Bundesregierung eine Vorreiterrolle bei den Sanktionen gegen Russland zu. Er würde die "negativen Momente nicht überbewerten" wollen, so Kuleba.
  • Millionen Tonnen Getreide drohen nach Angaben der EU-Kommission die Agrar-Lager in der Ukraine zu blockieren und so die internationale Lebensmittelversorgung zu erschweren. Die EU-Kommission hat daher einen Plan vorgelegt, mit dem die russische Blockade umgangen werden könnte. Der Vorschlag sieht vor, die Lebensmittel per Bahn, Lkw und über Wasserstraßen aus der Ukraine zu schaffen. Dann könnten sie jene Weltregionen erreichen, in denen ohne ukrainische Lieferungen eine Nahrungsmittelknappheit droht.
  • Auch die G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen will sicherstellen, dass die Ukraine trotz des russischen Angriffskriegs ein bedeutender Getreideexporteur bleiben kann. Man berate gemeinsam darüber, wie man die derzeit von Russland ausgeübte Getreideblockade deblockieren und ukrainisches Getreide in die Welt bringen könne, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zu Beginn von Beratungen mit Kolleginnen und Kollegen aus den anderen G7-Staaten. Das Getreide werde dringend in afrikanischen Ländern und im Nahen Osten gebraucht, sagte Baerbock.
  • Mehr als sechs Millionen Menschen sind den Vereinten Nationen zufolge aus der Ukraine geflohen. Die meisten seien über Grenzpunkte zu Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien in die Europäische Union geflüchtet, teilt das UN-Flüchtlingswerk mit. Innerhalb der Ukraine seien mehr als acht Millionen Menschen auf der Flucht. Vor dem Krieg lebten in dem Land 44 Millionen Menschen.
  • In der Ukraine werden nach UN-Angaben seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs "ungeheure Menschenrechtsverletzungen" begangen. Das sagte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, zum Auftakt einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Sie sind nach Angaben von Bachelet überwiegend russischen Streitkräften und ihren Verbündeten zuzuschreiben.
  • UN-Angaben zufolge sind im vergangenen Monat außerdem mindestens etwa 100 Kinder gestorben. "Und wir glauben, dass die tatsächliche Zahl wesentlich höher liegt", sagte der Vizedirektor des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Omar Abdi, bei einer Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York. Bei dem Treffen ging es um die humanitäre Situation in dem Konflikt. Abdi fügte hinzu, dass viele Kinder zudem durch die Kampfhandlungen verletzt wurden. Millionen seien vertrieben worden, Schulen würden angegriffen.
Der Krieg in der Ukraine ist wie alle Kriege eine Kinderschutz- und Kinderrechtskrise.
Omar Abdi, Vizedirektor des UN-Kinderhilfswerks Unicef
  • Die russischen Streitkräfte haben in der Ukraine nach einem Bericht der Organisation Human Rights Watch international geächtete Streumunition eingesetzt. Dadurch seien Hunderte Zivilisten ums Leben gekommen sowie Schulen, Wohn- und Krankenhäuser beschädigt worden, berichtete die Menschenrechtsorganisation in Genf. Auch die ukrainische Armee habe solche Munition mindestens einmal eingesetzt.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht deutliche Fortschritte bei den Bemühungen um internationale Sicherheitsgarantien für sein Land. Unter anderem sei am 8. Mai beim Treffen der G7, an dem die Ukraine erstmals teilnahm, über dieses Thema gesprochen worden. "Dies ist nun das erste Mal in der Geschichte unseres Staates, dass solche Garantien erfasst werden können", sagte Selenskyj.

Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?

Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.

Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.

Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?

Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.

Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?

Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.

Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.

Die Situation in den ukrainischen Städten:

  • Die ukrainische Führung schlägt dem russischen Militär ein Tauschgeschäft für die im Stahlwerk Azovstal in Mariupol verschanzten letzten Soldaten vor: Die Ukraine solle schwerverwundete Kämpfer aus dem Werk abtransportieren dürfen, dafür würde das ukrainische Militär russische Kriegsgefangene freilassen, schlug Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk vor.
  • Russland hat nach ukrainischen Angaben die Angriffe im Osten des Landes verstärkt und dabei teilweise in der Region Donbass Geländegewinne erzielt. "Der Feind führt seine Angriffsbemühungen in der Operationszone Ost weiter fort mit dem Ziel, die volle Kontrolle über die Gebiete Donezk, Luhansk und Cherson herzustellen und den Landkorridor zur zeitweise besetzten Krim aufrecht zu erhalten", teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit.
  • Zum Vorstoß auf die Kleinstadt Liman versuchten die russischen Streitkräfte derweil, Schwimmbrücken über den Fluss Siwerskyj Donez zu bauen.
  • Am Frontabschnitt vor Slowjansk, einem der wichtigsten Ziele der russischen Offensivbemühungen im Donbass, verstärke Moskau derweil seine Kräfte. Demnach sollen zur Vorbereitung neuer Angriffe rund 300 neue Militärfahrzeuge in dem Raum verlegt worden sein.

Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:

  • Der finnische Staatspräsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin haben sich für einen Nato-Beitritt Finnlands ausgesprochen. "Eine Nato-Mitgliedschaft würde die Sicherheit Finnlands stärken", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. "Als Nato-Mitglied würde Finnland das gesamte Verteidigungsbündnis stärken." Beide hofften, dass die für die Entscheidung noch nötigen nationalen Schritte rasch innerhalb der kommenden Tage getroffen würden, erklärten Präsident und Ministerpräsidentin.
  • Die Nato stellte Finnland eine schnelle Aufnahme in Aussicht: "Der Beitrittsprozess würde reibungslos und zügig ablaufen", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Noch ist unklar, wie schnell der NATO-Beitritt Finnlands umgesetzt wird. ZDF-Korrespondent Florian Neuhann gibt erste Einschätzungen aus Brüssel.

12.05.2022 | 01:04 min
Tweet von Olaf Scholz
  • Die russische Führung wertet die von Finnland angestrebte Mitgliedschaft in der Nato "definitiv" als Bedrohung für Russland. Eine Ausweitung des westlichen Militärbündnisses werde Europa und die Welt nicht stabiler machen, sagt der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. Der von Finnland unternommene Schritt sei bedauerlich und ein Grund für eine entsprechende Reaktion.
  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält es für möglich, dass Deutschland schon im kommenden Winter einen russischen Gasboykott verkraften könnte. "Wenn wir zum Jahreswechsel volle Speicher haben, wenn zwei der vier von uns angemieteten schwimmenden LNG-Tanker schon am Netz angeschlossen sind und wenn wir deutlich an Energie sparen, können wir im Fall eines Abrisses der russischen Gaslieferungen einigermaßen über den Winter kommen", sagt Habeck der Zeitung "Wirtschaftswoche".
  • Der Bundestag hat derweil die Novelle des Energiesicherungsgesetzes beschlossen, mit der die Bundesrepublik angesichts der weitreichenden Folgen des Ukraine-Kriegs für die Energiesicherheit besser für eine mögliche Zuspitzung der Lage gewappnet werden soll. Das Bundeskabinett hatte die Novelle des noch aus dem Jahr 1975 stammenden Energiesicherungsgesetzes Ende April auf den Weg gebracht.Vorgesehen ist darin, dass Unternehmen, die kritische Energieinfrastrukturen betreiben, bei Bedarf unter eine Treuhandverwaltung gestellt werden können. Als letztmögliches Mittel ist auch eine Enteignung von Unternehmen möglich, wenn die Sicherung der Energieversorgung nicht anders gewährleistet werden kann.

Das passierte an Tag 77:

Russische Sanktionen gegen Gazprom Germania. Ausbildung ukrainischer Soldaten an Panzerhaubitzen 2.000 gestartet. Weniger Gas über die Ukraine nach Europa. Eine Übersicht von Tag 77 im Ukraine-Krieg:

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.

Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Quelle: ZDF, dpa, Reuters, AP, AFP, epd, KNA

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