: Nato probt Einsatz von Atomwaffen

von Florian Neuhann, Brüssel
17.10.2022 | 04:00 Uhr
Die Nato startet ihre jährliche Nuklearübung. Ausgerechnet jetzt, wo Russland ebenfalls den Atomeinsatz übt. Muss das sein? Ja, heißt es bei dem Militärbündnis.
Es gibt wohl keine Übung der Nato, die geheimer ist als diese. Noch vor ein paar Jahren war nicht einmal der Name offiziell. Jetzt veröffentlicht die Militärallianz ein paar Tage vorher immerhin ein wenig mehr Details als bisher üblich – nicht nur den ohnehin längst bekannten Namen, "Steadfast Noon".
Und trotzdem bleibt vieles im Verborgenen – auch für unsere TV-Kameras. Anders als bei vielen anderen Nato-Übungen lässt man uns offiziell nicht filmen.

Nato übt Einsatz von Atomwaffen

Es liegt natürlich in der Natur der Sache: Geübt wird der Einsatz taktischer Atomwaffen. Eine Nuklearübung, während auf der anderen Seite der russische Präsident Putin wieder und wieder mit nuklearer Eskalation droht: muss das sein?
Ja, sagen sie bei der Nato.
Diese Übung wurde geplant, lange bevor der Ukraine-Krieg begann.
Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär
Und der britische Verteidigungsminister Ben Wallace ergänzte in Brüssel: "Das ist die Aufgabe dieses Bündnisses - dafür zu sorgen, dass die 30 Partner gemeinsam auf alles vorbereitet sind, was auf uns zukommt. Und daran müssen wir weiter arbeiten."

Belgien als Gastgeberland

Tatsächlich findet die Übung jährlich statt, immer in etwa zur selben Zeit. 14 Mitgliedstaaten der Nato beteiligen sich in diesem Jahr – "auch die Bundeswehr nimmt regelmäßig teil", heißt es aus dem Bundesverteidigungsministerium. Gastgeberland in diesem Jahr ist Belgien. Bis zu 60 Flugzeuge nehmen teil, darunter zahlreiche Kampfjets.
Trainiert wird, wie US-Atombomben an den Kampfflugzeugen montiert werden. Und wie sie im Ernstfall abgeworfen werden würden. Nur dass bei der Übung selbstverständlich ohne die Atomwaffen geflogen wird.

Eine Absage wurde nie erwogen

Hört man sich um unter hochrangigen Diplomaten, so bestätigen sie unisono: über eine Absage der Übung wurde nicht einmal diskutiert. "Welches Zeichen würden wir senden, wenn wir diese Übung nun absagen oder gar nicht durchführen?", fragt auch der Verteidigungsexperte Torben Arnold von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Diese Übung dient dem Fähigkeitserhalt unserer Streitkräfte im Bündnis. Und sie ist nicht gegen Russland gerichtet.
Torben Arnold, Verteidigungsexperte
Bei der Nato verweisen sie außerdem auf den Zweck des Bündnisses: die Abschreckung. "Kern der nuklearen Fähigkeiten der Nato ist es, den Frieden zu bewahren", argumentiert der Generalsekretär.
Erst im Juni hatte die Allianz ein neues strategisches Konzept beschlossen. Darin heißt es unmissverständlich:
Solange es Kernwaffen gibt, wird die NATO ein nukleares Bündnis bleiben.
Strategisches Konzept der Nato

Die Nato selbst besitzt keine Atomwaffen

Dabei verfügt das Verteidigungsbündnis selbst über keinerlei Atomwaffen. Sondern es verlässt sich auf die drei Atommächte, die der Nato angehören: Großbritannien, Frankreich – und vor allem die USA, deren Atomwaffen auf diversen Stützpunkten in Europa lagern, unter anderem im belgischen Kleine Brogel und im rheinland-pfälzischen Büchel.

Russland beginnt seine Übung zur beinahe selben Zeit

Es gibt nur eine Sorge, die manche Militärs in der Nato umtreibt: Russland beginnt seine ebenfalls jährliche Nuklearübung nur wenig später – und das in einer Zeit, wo der russische Präsident unverhohlen mit dem Einsatz von Nuklearwaffen droht. Geheimdienste könnten dann, so fürchtet mancher, nicht mehr klar unterscheiden: was ist nun Vorbereitung für eine Übung – und was für einen echten Einsatz.
Gefragt nach der Sorge, beschwichtigt der Nato-Generalsekretär vergangene Woche vor den Kameras: "Unsere Geheimdienste arbeiten sehr gut".

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