: Nawalny droht nun auch Terrorismus-Verfahren

von Thomas Dudek
26.04.2023 | 21:36 Uhr
Gegen den inhaftierten Alexej Nawalny soll nun ein Strafverfahren wegen Terrorismus eröffnet werden. Es ist eine weitere Machtdemonstration des Kremls gegen die Opposition.
Nawalny steht bald wieder vor Gericht (Archivbild)Quelle: dpa
Wer in den russischen Nachrichtenportalen Beiträge über Oppositionelle oder Nichtregierungsorganisationen liest, lernt schnell die offizielle Sichtweise des Kremls kennen. Manchmal schon in den Überschriften sind deren Namen mit einem Sternchen gekennzeichnet. Am Ende eines Textes gibt es die Information, dass diese Personen und Organisationen entweder als "Ausländische Agenten" oder auf der "Liste der Extremisten und Terroristen" geführt werden.
Auf der Letzteren ist der Name des seit 2021 inhaftierten Alexej Nawalny bereits zu finden. Im Oktober vergangenen Jahres wurde gegen den wohl derzeit bekanntesten russischen Oppositionellen und Antikorruptionsaktivisten ein Strafverfahren wegen angeblicher Aufrufe zum Extremismus, der Verbreitung von Terrorismus, der Finanzierung extremistischer Aktivitäten sowie der Verharmlosung des Nationalsozialismus eröffnet. Das dementsprechende Gerichtsverfahren findet derzeit in Moskau statt.

Nawalny: "Terroranschläge, während ich im Gefängnis sitze"

Am Mittwoch wurde bekannt, dass gegen Nawalny nun wohl noch ein weiteres Strafverfahren eingeleitet werden soll.
Sie haben absurde Anschuldigungen erhoben, durch die mir 30 Jahre Strafkolonie drohen.
Alexej Nawalny
"Der Ermittler sagte gestern, dass getrennt nun von diesem Verfahren nun auch noch ein Fall wegen Terrorismus herausgegriffen wurde, laut dem ich Terroranschläge verübe, während ich im Gefängnis sitze. Und in diesem Fall werde ich vor ein Militärgericht gestellt", sagte Nawalny während seines aktuellen Prozesses, zu dem er wie schon bei früheren Verfahren aus der Strafkolonie per Videoschalte zugeschaltet wurde. 

Nawalny drohen ohnehin zehn weitere Jahre Haft

Wie der Oppositionelle trotz des strengen Regimes einer Strafkolonie, aus der Nawalny kaum Kontakt zur Außenwelt hat, Terroranschläge geplant und verübt haben soll, haben die russischen Ermittlungsbehörden bisher nicht erklärt. Vielmehr entspricht dieses Strafverfahren der bisherigen Vorgehensweise der Behörden gegen den prominenten Häftling. Nachdem Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland im Februar 2021 noch am Moskauer Flughafen verhaftet wurde, wurde zuerst eine Bewährungsstrafe gegen ihn in eine dreieinhalbjährige Haft in einem Arbeitslager umgewandelt.
Es folgten ein Strafverfahren wegen angeblicher Verleumdung eines Weltkriegsveteranen sowie ein Prozess wegen Veruntreuung von Geldern seiner Antikorruptionsstiftung. Dieser endete für Nawalny im März 2022 mit einer Verurteilung zu neun Jahren Lagerhaft unter verschärften Bedingungen. Hinzukommen dürfte nun noch eine weitere Haftstrafe im aktuellen Extremismus-Prozess, in dem Fall drohen Nawalny zehn Jahre Haft, und in naher Zukunft eine wegen Terrorismus.

Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Nawalny

Zu den Prozessen kommen noch Schikanen und Folter im Straflager hinzu. So verbringt der gesundheitlich schwer angeschlagene Nawalny derzeit seine 14. Isolationshaft seit dem August 2022. Zudem muss sich der Oppositionelle seit Dienstag auch gegen Vorwürfe der sexuellen Belästigung erwehren. "Er hat das Gefühl, dass er ein Recht auf mich als Frau hat", erklärte in einem Interview mit dem Kreml-nahen YouTube-Kanal "Empatija Manutschi" Nawalnys ehemalige Ärztin Anastasia Wassiljewa.
Schwerwiegende Vorwürfe, die auf Nawalny kein gutes Licht werfen, falls sie sich als berechtigt erweisen sollten, derzeit aber einen faden Beigeschmack haben. Wassiljewa wurde im Oktober 2021 selbst wegen fragwürdiger Vorwürfe zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die "Allianz der Ärzte", der sie vorsteht, steht wiederum auf der Liste "Ausländischer Agenten". Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Medizinerin mit dem Interview behördlichen Druck nachgab.

Zwölf Jahre Straflager drohen Mitarbeiterin von Nawalnys Antikorruptionsstiftung

Das harte Vorgehen des Kremls gegen den bekanntesten Oppositionellen des Landes zeigt, wie hart der Kreml mittlerweile gegen Kritiker vorgeht. Nawalny ist jedoch kein Einzelfall. Erst Mitte April wurde der Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa wegen "Hochverrats" zu 25 Jahren Haft verurteilt. Zwölf Jahre Straflager drohen derzeit der Oppositionellen Lilja Tschanyschewa. Sie hat sich in Nawalnys Antikorruptionsstiftung engagiert.     

Der russische Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa ist im April in Moskau verurteilt worden - wegen "Hochverrats" und seiner Kritik am russischen Angriff auf die Ukraine.

17.04.2023 | 02:56 min

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