: Nehammer pessimistisch nach Treffen mit Putin

11.04.2022 | 23:31 Uhr
"Kein Freundschaftsbesuch" sei der Besuch von Österreichs Kanzler Nehammer bei Putin gewesen. Russland plant weiter eine Offensive. Was an Tag 47 des Ukraine-Kriegs geschah.

Das Wichtigste in Kürze

  • Wohnviertel in Charkiw beschossen - mehrere Tote
  • Russische Separatisten: Hafen von Mariupol erobert
  • EU-Außenminister treffen keine Entscheidung zu Öl-Embargo
  • Nehammer nach Treffen mit Putin: Es war kein Freundschaftsbesuch
  • Bundeswehr fliegt erstmals ukrainische Kriegsverletzte nach Deutschland

Anmerkung der Redaktion

Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Was an Tag 47 des Ukraine-Kriegs geschah:

  • Als erster EU-Regierungschef seit Kriegsbeginn hat Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer in Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin getroffen. Wie Nehammer im Anschluss an das Treffen erklärte, sei das Gespräch direkt, offen und hart verlaufen. Sein dringendster Appell an Putin sei gewesen, den Krieg sofort zu beenden, da es bei einem Krieg nur Verlierer auf beiden Seiten gäbe. Er habe es als seine Pflicht angesehen, Putin zu treffen, um nichts unversucht zu lassen. Es habe sich nicht um einen Freundschaftsbesuch gehandelt.
  • Russland hat die Zerstörung mehrerer ukrainischer Luftabwehrstellungen gemeldet. Die Angaben von Montag deuteten darauf hin, dass die von Moskau angekündigte Offensive im Osten der Ukraine näher rückt. Unter den zerstörten Stellungen seien vier Einheiten eines von einem nicht näher bezeichneten europäischen Land gelieferten Raketenabwehrsystems, hieß es aus dem Moskauer Verteidigungsministerium. Die slowakische Regierung erklärte, ein von ihr vergangene Woche geliefertes S-300-System sei "nicht zerstört" worden. Die Angaben des Sprechers des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow, konnten nicht unabhängig bestätigt werden.
  • Mit dem für medizinische Evakuierungsflüge ausgerüsteten Airbus A310 MedEvac hat die Luftwaffe kriegsverletzte Ukrainer zur Behandlung nach Deutschland geflogen. Es ist der erste Evakuierungsflug der Bundeswehr seit Beginn des russischen Angriffs. Die Soldaten holten die Patienten am Montag im südostpolnischen Rzeszow ab, wie Luftwaffe und Sanitätsdienst mitteilten. Auf der Liste der Patienten standen zwölf Zivilisten, darunter verletzte Kinder. Einige Patienten wurden von Angehörigen begleitet. Das Flugzeug kann nach Angaben der Bundeswehr 44 Patienten liegend transportieren. 25 Ärzte und Sanitäter können zudem bis zu sechs Patienten intensivmedizinisch versorgen.
Mit dem Airbus A310 MedEvac hat die Bundeswehr am Montag erstmals ukrainische Kriegsverletzte nach Deutschland geflogen. (Archivbild)Quelle: Henning Kaiser/dpa
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sein Land vor entscheidenden Tagen im Krieg gewarnt. "Russische Truppen werden zu noch größeren Operationen im Osten unseres Landes vorrücken", sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache.
  • Auch der Generalstab der Ukraine erwartet in Kürze einen neuen Vorstoß der russischen Streitkräfte zur vollständigen Eroberung der Ostukraine. Dazu würden aktuell neue Truppen aus anderen Landesteilen Russlands an die Grenzen herangeführt. Daneben würden zerschlagene russische Einheiten mit neuem Personal aufgefüllt. Die Schwerpunkte der nächsten russischen Angriffe seien bei Charkiw und Slowjansk zu erwarten, hieß es.

Die Situation in den ukrainischen Städten:

  • Ein Wohnviertel der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw ist am Montagnachmittag beschossen worden. Journalisten der Nachrichtenagentur AP waren vor Ort und konnten sehen, dass mindestens fünf Menschen ums Leben kamen, darunter ein Kind. Feuerwehrleute löschten einen Brand, der durch den Angriff ausgebrochen war. Der Gouverneur von Charkiw, Oleh Synjehubow, hatte kurz zuvor gesagt, dass durch russischen Artilleriebeschuss innerhalb der vergangenen 24 Stunden elf Menschen in Charkiw getötet worden seien.
  •  Infolge des russischen Angriffskrieges sind nur noch etwa ein Drittel aller ukrainischen Tankstellen in Betrieb. "Fraglos ist der Hauptgrund Spritmangel", sagte der Direktor der Beratergruppe A-95, Serhij Kujon, der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine. Von früher rund 7.500 Tankstellen seien nur noch etwa 2.500 in Betrieb. Die Versorgungsprobleme hätten sich Anfang April nach der Zerstörung der Raffinerie in Krementschuk im Gebiet Poltawa verschärft. "Viele Unternehmen, insbesondere der Zentral-, Ost- und Südukraine, haben ihren Hauptlieferanten verloren", sagte Kujon. Sie seien nun auf den Import aus dem Westen angewiesen. Aufgrund der Entfernung und der staatlich festgesetzten Preisbeschränkungen sei der Import jedoch nicht wirtschaftlich. Allein die Hauptstadt Kiew liegt etwas mehr als 500 Straßenkilometer von der polnischen Grenze entfernt.

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Quelle: ZDF
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Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
  • Der Hafen von Mariupol soll inzwischen von Russland erobert worden sein. "Was den Hafen von Mariupol angeht, er ist bereits unter unserer Kontrolle", sagte der Donezker Separatistenführer Denis Puschilin am Montag im russischen Fernsehen. Ein weiterer Militärvertreter der Separatisten sagte laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, die letzten verbliebenen ukrainischen Verteidiger der Stadt hätten sich in den Stahlwerken Asowstal und Asovmach verschanzt.
Der Hafen von Mariupol soll mittlerweile unter russischer Kontrolle sein. (Archivbild)Quelle: Sergei Grits/AP/dpa
  • Die Ukraine warf Russland derweil vor, ein Schiff am Hafen von Mariupol besetzt zu haben. 18 Matrosen sowie die Frau des Kapitäns seien gefangengenommen worden, schrieb die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa, am Montag bei Telegram. Zuvor hätten russische Truppen das Schiff unter liberianischer Flagge beschossen.

Folgen des russischen Angriffs - international und in der Ukraine:

  • US-Präsident Joe Biden hat Indien gebeten, westliche Sanktionen gegen Russland nicht durch einen erhöhten Bezug russischen Öls zu unterlaufen. In einer Videokonferenz mit dem indischen Premierminister Narendra Modi sagte Biden, er glaube nicht, dass es im indischen Interesse sei, "den Import russischer Energie oder anderer Güter zu beschleunigen oder zu steigern". Indien bezieht einen geringen Teil seines Ölbedarfs von Russland, hat aber kürzlich mit einem größeren Einkauf Aufsehen erregt, als andere Demokratien wegen des Ukraine-Kriegs Schritte einleiteten, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu isolieren.
  • Italien will mit zusätzlichen Erdgaslieferungen aus Algerien seine Abhängigkeit von Russland verringern. Ministerpräsident Mario Draghi teilte am Montag mit, er habe mit dem algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Das Gas solle durch eine Mittelmeer-Pipeline nach Italien fließen. Bislang bezieht Italien 40 Prozent seines Erdgasbedarfs von Russland, Algerien folgt auf dem zweiten Platz. Dem Deal vom Montag zufolge erhöht Algerien seinen Gasexport nach Italien ab Herbst auf rund 30 Milliarden Kubikmeter im Jahr, wie das italienische Energieunternehmen ENI mitteilte. Damit wird Algerien Russland, das derzeit 29 Milliarden Kubikmeter im Jahr liefert, als größten Gaslieferanten Italiens ablösen.
  • Nach der Forderung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, der Ukraine schwere Waffen für den Abwehrkampf gegen Russland zu liefern, hat sich Kanzler Olaf Scholz erneut zurückhaltend geäußert. Der SPD-Politiker sagte am Montagabend in Berlin, Deutschland habe der Regierung in Kiew schon Waffen geliefert und werde das auch weiter tun. Darüber hinaus werde man sich in der Europäischen Union weiter absprechen. "Da wird es keine Alleingänge geben." Er strebe ein "sorgfältig abgewogenes Handeln" an.
  • Die Außenminister der EU-Staaten haben noch keine Entscheidung über mögliche Einschränkungen von Öl-Importen aus Russland getroffen. Man habe nur eine allgemeine Diskussion geführt, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach einem Treffen der Minister in Luxemburg. Er betonte jedoch: "Nichts ist vom Tisch, einschließlich Sanktionen gegen Öl und Gas."
  • Borrell sprach sich dafür aus, einen Unterschied zwischen den beiden Energieträgern zu machen und mit Öl zu beginnen. So sei die Rechnung für Ölimporte im vergangenen Jahr vier Mal so hoch gewesen wie die für Gas, sagte er. Grundsätzlich sei es wichtig, die Energieabhängigkeit der EU so schnell wie möglich zu reduzieren.
  • Finnland und Schweden sind offenbar bereit, schon im Sommer der Nato beizutreten. Das berichtet "The Times". Die britische Zeitung zitiert US-Beamte, dass die Nato-Mitgliedschaft der nordischen Länder "ein Gesprächsthema und Gegenstand mehrerer Sitzungen" bei den Gesprächen zwischen den Nato-Außenministerin in der vergangengen Woche waren. Daran hätten auch Schweden und Finnland teilgenommen. Russland habe mit dem Angriff auf die Ukraine einen "massiven strategischen Fehler" begangen.

Das ist an Tag 46 passiert:

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sichert Selenskyj den Beistand Deutschlands zu und pro-russische Demonstrationen unter strengen Auflagen: Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Sonntag entwickelt hat:
Quelle: AFP, AP, dpa, Reuters

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