Olaf Scholz im Bürgergespräch in CottbusQuelle: reuters
Für sein sechstes Kanzlergespräch wagte sich
Olaf Scholz am Dienstag in eine für ihn schwierige Region: nach Cottbus. Zwar regiert seit 100 Tagen ein Parteifreund die Großstadt in der Lausitz. Aber im Stadtparlament ist die
AfD bei der letzten Wahl 2019 stärkste Fraktion geworden. Zudem steht die Lausitz am Beginn des größten Umbruchs seit der Wiedervereinigung: In 15 Jahren endet die Zeit der Tagebaue und Kohlekraftwerke. Der Druck auf die Region wächst, den
Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen.
2030, acht Jahre früher als vereinbart, will die Ampel aus der Kohle aussteigen. Das trifft die Menschen in der Lausitz. Die Bürger sorgen sich um Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region. Und zehn Bürgermeister befürchten einen Vertrauensverlust.
07.11.2021 | 02:58 min
Doch nichts davon spielte beim Bürgerdialog eine Rolle. Dabei hatte der Bundeskanzler in der Stadthalle von Cottbus 90 Minuten Zeit eingeräumt, in denen jede Frage gestellt werden konnte - ohne vorherige Absprache.
Friedensverhandlungen? Scholz nimmt sich Zeit
Gleich zu Beginn kam eine Frage zum
Ukraine-Krieg. "Warum bezeichnen Sie das Manifest für den Frieden als naiv?", wollte Heidemarie Konzack wissen. Die Cottbuser Rentnerin habe den
Zweiten Weltkrieg als Kind miterlebt und unterstütze den von 741.000 Deutschen unterzeichneten
Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer:
Der Krieg zieht sich hin, immer mehr Tote auf beiden Seiten. Was ist falsch daran, Verhandlungen mit der gleichen Energie zu verfolgen wie Waffenlieferungen? Da freut sich nur Rheinmetall.
Heidemari Konzack, RentnerinDer Bundeskanzler nahm sich für die Antwort so viel Zeit wie für keine andere der etwa 15 Fragen an diesem Abend. Am Ende stellte er seine Position klar: "Grundlage für Frieden ist die Bereitschaft, Truppen zurückzuziehen. Mit Verhandlungen ist es nicht getan, das Ergebnis muss für die Ukrainer akzeptabel sein."
"Friedensverhandlungen jetzt - naiv oder notwendig?" - Debatte bei "maybrit illner.
02.03.2023 | 64:28 min
Ost-West-Gefälle kein Thema
Die anderen Fragen drehten sich um Bildung,
Kindergrundsicherung, Ärztemangel auf dem Lande, Sorgen um die
Inflation, Umweltschutz. Damit unterschieden sie sich nicht von den bisherigen Diskussionsveranstaltungen, die vor allem im Westen Deutschlands stattfanden.
Selbst beim Thema
Rente ging es nicht etwa um das
Ost-West-Gefälle, sondern um die Unterschiede von Beamtenpensionen und Renten von Arbeitern und Angestellten.
Ein Blick auf junge Ostdeutsche, die eigene Lebensziele verfolgen und mit Klischees aufräumen wollen.
07.11.2022 | 02:45 min
Streit in der Ampel? "Auch mal mit Getöse"
Gespannt zugehört wurde, als der Bundeskanzler gefragt wurde, wie er den öffentlich ausgetragenen Dauerstreit seiner
Ampel-Koalition erlebt.
Über manche Fragen reden sich die Minister aus drei Parteien "die Nächte heiß", räumte Scholz ein. Davon bekomme die Öffentlichkeit "nur ein bisschen mit", versicherte er. "Aber ich bin auf alle Fälle dafür, dass wir uns nicht vor den Problemen drücken. Und dass wir den großen Aufbruch, der für unser Land möglich ist, auch tatsächlich hinkriegen. Auch mal mit Getöse, und wenn es nach mir ginge, mit etwas weniger Getöse."
Die große Einigkeit ist in der Ampel-Koalition längst Vergangenheit. Insbesondere Grüne und FDP haben häufig gegensätzliche Positionen, die Kompromisse oft schwierig machen.
05.03.2023 | 03:51 min
Kritik von der AfD
Die meisten der 150 Zuschauer waren nach der Veranstaltung zufrieden, den Bundeskanzler live erlebt zu haben. Ruhig und besonnen habe er gewirkt, durchaus sympathisch, versicherten viele, die das ZDF befragte.
Andy Schöngarth von der Cottbuser AfD beklagte, dass er sich "um viele Fragen etwa der
Energiepolitik herumgeschlichen, sie nicht direkt und konkret beantwortet" und "immer wieder Ausflüchte" gesucht habe. Strom und Wärme würden teurer und "wir steigen aus Kohle und Atomstrom aus". Lehrerin Anja Huber hätte sich auch vom Bundeskanzler noch "mehr Wertschätzung für meinen Beruf" gewünscht und die Zusicherung, mehr Schulen und Studienplätze zu schaffen.
Muss der Westen mehr für den Osten tun?
02.10.2022 | 40:50 min
Handwerker sind von Scholz beeindruckt
Auf Zufriedenheit war Scholz auch zuvor gestoßen, als er Handwerker und Handwerkerinnen traf. Kosmetikmeisterin Mandy Rechenberger wünscht sich zwar "eher jemanden, der etwas anpackt. Er ist immer sehr besonnen. Vielleicht stößt das vielen auf." Doch auch sie hat der Bundeskanzler überzeugt: "Bei uns im Gespräch hat er gesagt, was er hinter den Kulissen bewegt." Auch Fahrradhändler Matthias Hübner war beeindruckt von der "ruhigen, entspannten Art".
Er ist kaum aus der Fassung zu bringen, ist schon bemerkenswert, wie so ein Mann immer eine Antwort auf alles findet.
Matthias Hübner, FahrradhändlerNicht ein einziges Mal während seines fünfstündigen Besuches in Cottbus geriet der Bundeskanzler in Verlegenheit. Er verließ die Stadt ohne Höhepunkte oder Zwischenfälle. Es dürfte ein Abend ganz nach seinem Geschmack gewesen sein - ohne viel Getöse.
Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die AfD die stärkste Fraktion im Cottbuser Stadtparlament ist. Korrekt ist: Die AfD war bei der Wahl 2019 stärkste Fraktion im Stadtparlament, mittlerweile ist die Hälfte der Mitglieder aus der Fraktion ausgetreten, sie sind aber weiter Abgeordnete.
Jan Meier ist Redakteur im ZDF-Studio Brandenburg.
Einige Handwerksfirmen haben sie bereits eingeführt: die 4-Tage-Woche. Arbeitsstunden und Bezahlung bleiben gleich, aber die Stunden sind auf vier, statt fünf Tage verteilt. Betriebe wollen somit mehr Fachkräfte anwerben.
31.01.2023 | 02:01 min