: Warum Polen keine deutschen Patriots will

von Thomas Dudek
25.11.2022 | 20:58 Uhr
Das Bundesverteidigungsministerium bietet Polen ein Patriot-System an. Das aber will Warschau nun der Ukraine überlassen - das könnte wahlkampftaktische Gründe haben.
Das Flugabwehrraketensystem vom Typ "Patriot" - nun will Polen es doch nicht. Quelle: dpa
Um die deutsch-polnischen Beziehungen steht es seit Jahren nicht gut. Auch durch Russlands Krieg in der Ukraine wurden sie nicht besser, wie der Streit um den sogenannten Ringtausch, bei dem die polnische Regierung Deutschland "Täuschungsmanöver" vorwarf, erneut schmerzhaft aufzeigte.
Doch zumindest diese Woche schien es, als ob all die Streitthemen zwischen den beiden Nato- und EU-Partnern in den Hintergrund rücken würden. "Polen ist unser Freund, Verbündeter und als Nachbar der Ukraine besonders exponiert", sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht zu Beginn der Woche und kündigte an, unter anderem Patriot-Systeme der Bundeswehr zum Schutz des polnischen Luftraums im Nachbarland zu stationieren.

Patriot-System an die Ukraine statt nach Polen

Damit reagierte Berlin auf den Einschlag einer, aller Wahrscheinlichkeit nach, ukrainischen Flugabwehrrakete in einer nur wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze gelegenen Ortschaft vergangene Woche. Es war ein Angebot, das Lambrechts polnischer Amtskollege Mariusz Błaszczak "mit Zufriedenheit" aufnahm und ankündigte, das hochmoderne Luftabwehrsystem an der polnisch-ukrainischen Grenze stationieren zu wollen.

In Polen schlug vergangene Woche nahe der ukrainischen Grenze eine Rakete eingeschlagen – offenbar fehlgeschlagene ukrainische Luftabwehr. Die Nato traf sich zur Dringlichkeitssitzung.

16.11.2022 | 03:53 min
Was bezüglich der Luftverteidigung Polens Sinn machen würde. Denn diese Grenze ist, im Vergleich zu der mit Belarus oder zu der russischen Enklave Kaliningrad, unzureichend. Am Mittwoch folgte jedoch die große Wende.
Nach weiteren russischen Raketenangriffen habe ich mich an die deutsche Seite mit dem Angebot gewandt, die Polen vorgeschlagenen Patriot-Raketen der Ukraine zu überlassen, damit diese an der Westgrenze des Landes stationiert werden.
Mariusz Błaszczak, Verteidigungsminister Polens auf Twitter
Ganz neu ist diese Idee in Polen nicht. Bereits vergangene Woche schlug der ehemalige General Roman Polko in mehreren Interviews vor, dass die Nato auch den Luftraum westlich der Grenze zu der Ukraine absichern sollte. Polko sprach jedoch nicht von einer Stationierung von Nato-Soldaten im westlichen Teil der Ukraine. Die ist vom Bündnis eh' nicht gewollt ist, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag noch einmal betonte.

Unmut in Polen

Doch dies würde Błaszczaks Vorschlags nach sich ziehen, denn das Angebot des Bundesverteidigungsministeriums sah nicht eine Übergabe deutscher Patriot-Systeme an Polen vor, sondern deren Stationierung. Doch offenbar diese Tatsache stieß in Polen, das selbst über das Patriot-System verfügt, nach der ersten positiven Reaktion auf Unmut.

Auf den Raketeneinschlag in einem Dorf an der ukrainischen Grenze reagierte die polnische Regierung überraschend zurückhaltend. Dahinter steckt auch sicherheitspolitisches Kalkül.

16.11.2022
Wie das regierungsnahe Nachrichtenportal "wPolityce.pl" am Freitag berichtete und sich dabei auf Quellen aus dem Verteidigungsministerium berief, missfiel dem Ressort, dass die Patriots dem Kommando der Bundeswehr hätte unterstehen sollen. Zudem verwies man, entsprechend der Aussagen polnischer Regierungspolitiker, darauf, dass eine Übergabe des Luftabwehrsystems an die Ukraine auch der Sicherheit Polens dienlich wäre.

Antideutsche Töne für das Stamm-Klientel

Ein noch wichtigerer Aspekt bei der Kehrtwende Warschaus ist jedoch die im nächsten Jahr stattfindende Parlamentswahl. "Der Vorschlag des polnischen Verteidigungsministers ist Teil polnischer Innenpolitik, die sich schon heute im Wahlkampf befindet", sagt Agnieszka Łada-Konefał, stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, zu ZDFheute. Und zu dieser Innenpolitik gehörten auch die antideutschen Töne der in Polen regierenden Nationalkonservativen.
"Diese antideutsche Haltung haben nicht alle Polen und auch nicht alle PiS-Wähler, aber deren Stammwählerschaft. Und an diese richten sich die Deutschland-kritischen Aussagen der PiS-Politiker", erklärt die Expertin für deutsch-polnische Beziehungen.
Diese Umstände sind der polnischen Regierung natürlich bewusst. Dies wird aber nicht der polnischen Öffentlichkeit kommuniziert.
Agnieszka Łada-Konefał, stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts
Berlin hält an seinem Angebot jedoch weiter fest, Patriots in Polen stationieren zu wollen. Gleichzeitig erklärte Thomas Bagger, Deutschlands Botschafter in Polen, in einem Interview mit der Tageszeitung "Rzeczpospolita", dass man Polens Vorschlag nur schwer verstehen könne.  
Ähnlich scheint offenbar auch der polnische Präsident Andrzej Duda zu denken. Wie dieser am Freitag erklärte, wäre es für Polens Sicherheit besser, wenn das System sich in gewisser Entfernung befinden würde. Gleichzeitig betonte er, dass die endgültige Entscheidung bei Deutschland liege.
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