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: Xi Jinping steht "unter enormem Druck"

28.11.2022 | 21:18 Uhr
China erlebt die größten Proteste seit Jahrzehnten. Die Menschen fordern Verbesserungen des Systems, sagt Expertin Shi-Kupfer. Präsident Xi Jinping stehe unter großem Druck.
Es sind die größten Proteste, die China seit Jahrzehnten gesehen hat. In der Volksrepublik trauen sich viele Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen die rigide Corona-Politik von Präsident Xi Jingping. Die Wut über die "Null Covid"-Strategie ist bei vielen Menschen mittlerweile so groß, dass sie sogar Konsequenzen in Kauf nehmen. Denn die Volksrepublik geht hart gegen ihre Kritiker vor - mit einem massiven Polizeiaufgebot, Festnahmen und Internetzensur.
ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer, die die Proteste vor Ort verfolgt, sagt bei ZDFheute live:
Jeder einzelne Mensch, der da auf die Straße geht, muss mit Konsequenzen rechnen. Es gab ja schon Verhaftungen.
Miriam Steimer, ZDF-Korrespondentin
Die Demonstrierenden berichteten außerdem von Anrufen von der Polizei, Besuchen von der Staatssicherheit oder anderen Druckmitteln, so Steimer.
Es ist einfach ein total großes Risiko, sich hier an so einer Demonstration zu beteiligen - umso überraschender, wie viele Menschen das in China gerade machen.
Miriam Steimer, ZDF-Korrespondentin

Großes Polizeiaufgebot verhindert weitere Proteste

Allerdings sei die Lage im Land mittlerweile "erstaunlich ruhig". Das massive Polizeiaufkommen an allen neuralgischen Punkten führe dazu, dass neue Proteste "gar nicht mehr möglich" seien, berichtet Steimer. Verabredungen und Gerüchte über Treffpunkte hätten sich dadurch immer wieder zerschlagen.
"Alles, was wir heute sehen, sind Videos von einzelnen Demonstranten oder Demonstrantinnen, die mit der Polizei aneinander geraten", berichtet Miriam Steimer.
Es hat definitiv nicht dieses Ausmaß, das wir am Wochenende erlebt haben.
Miriam Steimer, ZDF-Korrespondentin

Auslöser der Corona-Proteste

Die Proteste in mehreren chinesischen Metropolen wurden durch einen Brand in der Millionenstadt Ürümqi im Nordwesten des Landes ausgelöst. Durch das Feuer sollen mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen sein.

Viele sind der Meinung, dass die Rettungsarbeiten durch die strengen Corona-Maßnahmen behindert wurden. Nur zu oft wird in China erlebt, dass bei der Isolation ganzer Wohnblocks nicht nur Türen, sondern auch Notausgänge verriegelt werden. Zur Absperrung aufgestellte Zäune und Barrieren verstellen oft die Zufahrt für Rettungsfahrzeuge.

China-Expertin: Regierung setzt auf Abschreckung

Laut China-Expertin Kristin Shi-Kupfer gingen Sicherheitskräfte bisher moderat gegen die Demonstrierenden vor. "Man setzt auf Abschreckung", sagt sie bei ZDFheute live. Nur vereinzelnd sei die Polizei brutaler gegen die Menschen vorgegangen. Wahrscheinlich würden im Hintergrund gerade Daten ausgewertet, um die auffälligsten Personen zu identifizieren, so Shi-Kupfer.
Dass in China so offen protestiert werden konnte, lag aus Sicht der Expertin an einem "Moment der Überraschung" und dass die Proteste an vielen Orten gleichzeitig stattfanden. Vor Ort hätten die Behörden auf Anweisungen von oben gewartet, wie mit den Demonstrationen umgegangen werden soll, erklärt die Sinologin.

Proteste gegen Corona-Politik oder politisches System?

Für Shi-Kupfer steht noch nicht fest, ob die Proteste sich nur gegen die Corona-Politik oder auch gegen das System wenden. Der Fokus der Proteste müsse noch herausgearbeitet werden: "Wir hatten sicherlich Gruppierungen mit unterschiedlichen Interessen", erklärt sie. Der Kern der Proteste seien zwar die strikten Lockdown-Maßnahmen gewesen.
Aber ich glaube, die Leute haben erkannt, dass das etwas Systemisches ist. Dass es nicht nur vor Ort an der Willkür der einzelnden Kader liegt, sondern dass es ein Teil des ganzen Verwaltungssystems ist.
Kristin Shi-Kupfer, Sinologin
Dieses System spüre großen Druck von oben: "Wir brauchen auf jeden Fall eine Null." Dieser Druck werde nach unten weitergegeben, so Shi-Kupfer.
Zwar gebe es eine wachsende Zahl in der Bevölkerung, die das politische System kritisiere, an einen Umsturz der chinesischen Führung glaubt die Expertin allerdings nicht. Es gehe bei den Protesten eher darum, dass sich das bestehende System verbessern müsse.
Die gesamte "ZDFheute live"-Sendung sehen Sie hier:

Wie wird Xi Jinping reagieren?

Wie Chinas Staatschef Xi Jinping auf die Proteste im Land reagieren wird, hängt für Shi-Kupfer von verschiedenen Faktoren ab.
Eine große Rolle wird spielen, wie eine gelockerte Form der Covid-19-Politik kommuniziert wird. Und reicht das dann, um solche Proteste auch zu ersticken?
Kristin Shi-Kupfer, Sinologin
Die Expertin hält es auch für möglich, dass die Proteste wieder aufflammen könnten, sollten die Menschen weiterhin den Eindruck haben, sie hätten "nicht genug Raum, um ihr Leben zu gestalten". Entscheidend sei auch, ob es der chinesischen Regierung gelinge, in den nächsten Wochen geschlossen aufzutreten und "Risse innerhalb der politischen Führung zu verdecken".
Xi Jinping ist natürlich damit auch unter enormen Druck. Er allein ist jetzt wirklich verantwortlich, er kann keinem anderen die Schuld zuschieben.
Kristin Shi-Kupfer, Sinologin
China reagiert mit Online-Zensur und hoher Polizeipräsenz auf die Proteste im Land:
Quelle: ZDF, dpa

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