FAQ

: Was wir über den Raketeneinschlag wissen

16.11.2022 | 21:47 Uhr
Was genau ist in Przewodow passiert? Wer steckt hinter dem Raketeneinschlag und wie reagieren Warschau und die Nato? Ein Überblick.

16.11.2022 | 03:53 min
Zeitgleich mit neuen massiven russischen Luftangriffen auf die Ukraine ist am Dienstag eine Rakete auf dem Gebiet des Nato-Mitglieds Polen eingeschlagen. Mindestens zwei Menschen starben dabei.

Was ist bislang über den Raketeneinschlag bekannt?

Nach Angaben des polnischen Außenministeriums handelt es sich um eine Rakete aus russischer Produktion. Sie schlug am Dienstagnachmittag auf dem Gelände eines landwirtschaftlichen Betriebs in Przewodow ein - einem Dorf ganz im Osten des Landes, keine zehn Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Zwei polnische Staatsbürger starben dabei.
Przewodów liegt an der polnisch-ukrainischen Grenze.Quelle: ZDF

Wer hat die Rakete abgefeuert?

Darüber gibt es noch keine endgültigen Erkenntnisse. Es gebe keine Beweise dafür, dass die Rakete von Russland abgefeuert worden sei, sondern es handele sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine ukrainische Flugabwehrrakete, sagte Andrzej Duda am Mittwoch in Warschau.
Nichts, absolut nichts, deutet darauf hin, dass es sich um einen absichtlichen Angriff auf Polen handelte.
Andrzej Duda
"Was passiert ist, nämlich dass eine Rakete auf unser Territorium fiel, war keine vorsätzliche Handlung. Es war keine gezielte Rakete, die auf Polen gerichtet war." Es sei wahrscheinlich, dass eine ukrainische Luftabwehrrakete versehentlich in Polen eingeschlagen sei.
Das sei aber nicht die Schuld der Ukraine, betonte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Russland müsse diesen "sinnlosen Krieg" beenden. Das Bündnis habe auch "keinen Hinweis darauf, dass Russland offensive militärische Aktionen gegen die Nato vorbereitet", betonte Stoltenberg nach der Dringlichkeitssitzung.
Russland hat nach eigenen Angaben am Dienstag ausschließlich ukrainisches Territorium angegriffen. Die Ziele seien nicht näher als 35 Kilometer von der ukrainischen Grenze zu Polen entfernt gewesen, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

Was ist über die Rakete bekannt?

Erste Fotos von Trümmerteilen an der Einschlagstelle deuteten für Experten auf eine Rakete des Flugabwehrsystems S-300 hin. Auch Polens Justizminister Zbigniew Ziobro spricht von diesem System-Typ. Am Ort der Explosion in dem polnischen Dorf Przewodow seien Trümmer eines solchen Flugabwehrgeschosses gefunden worden, schrieb Ziobro am Mittwoch auf Twitter.
"Vor Ort arbeitet ein Team aus polnischen Staatsanwälten und technischen Sachverständigen. Auch amerikanische Experten waren dort." Das Gelände werde mit 3D-Technik gescannt.
Auch Biden soll von einer solchen Rakete gesprochen haben. Dieses Raketensystem ist sowjetischer Bauart und heute wesentlicher Bestandteil der ukrainischen Flugabwehr gegen die russischen Angriffe.
Trotz zahlreicher anderslautender Einschätzungen glaubt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weiterhin nicht, dass es sich um ein ukrainisches Geschoss handelt. "Ich habe keinen Zweifel, dass es sich nicht um unsere Rakete handelt", sagte er am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen. "Ich glaube, dass es eine russische Rakete war, basierend auf den Berichten unseres Militärs."
Allein am Dienstag feuerte Russland nach Kiewer Zählung mehr als 90 Raketen und Marschflugkörper ab.
Russisches Flugabwehrsystem vom Typ S-300.Quelle: dpa
Die S-300 gibt es in zahlreichen Varianten - das System wurde zur Abwehr von Luftangriffen mit Flugzeugen, Marschflugkörpern oder (ballistischen) Raketen entwickelt. Die Raketen des S-300-Systems haben eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern (S-300P).
Es gibt Berichte, dass russisches Militär S-300P-Raketen entgegen des ursprünglichen Verwendungszwecks beim Überfall auf die Ukraine auch gegen Bodenziele eingesetzt haben soll. Ein Angriff von Russland aus auf polnisches Staatsgebiet mit einer S-300-Rakete ist wegen der großen Entfernung aber ausgeschlossen.

Wie reagiert Polen?

Der Nato-Staat zwischen Deutschland und der Ukraine versetzte Teile seiner Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft. Warschau bestellte zudem den russischen Botschafter ein und alarmierte die Nato.
Der Raketentreffer konnte nach Darstellung des polnischen Generalstabs von der Raketenabwehr des Nato-Landes nicht verhindert werden. Die Aufgabe der Systeme bestehe darin, kritische Infrastrukturen zu schützen, teilte die Armeeführung am Mittwoch per Twitter mit.
Keine Armee verfügt über ein Luftabwehrsystem, das das gesamte Territorium eines Landes schützt.
Polnischer Generalstab
Ein Regierungssprecher erklärte anschließend, man habe mit den Nato-Verbündeten beschlossen zu überprüfen, ob es Gründe gebe, die Verfahren nach Artikel 4 des Nato-Vertrags einzuleiten.

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.

Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.

Wie reagieren die Partner Polens?

Die Staats- und Regierungschefs der sieben großen westlichen Demokratien (G7) erfuhren vom Einschlag der Rakete mehr als 11.000 Kilometer weiter - beim G20-Gipfel auf Bali. Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der Kremlchef Wladimir Putin vertrat, hatte die indonesische Insel zu diesem Zeitpunkt schon verlassen.
Am Mittwochmorgen danach berief Biden dann die Krisensitzung ein. Später wurde eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt: "Wir bieten Polen unsere volle Unterstützung und Hilfe bei den laufenden Ermittlungen an." Zugleich wurde Russland für "barbarische Angriffe" verantwortlich gemacht.

Wie reagiert die Bundesregierung?

Kanzler Scholz fordert im ZDF, keine Gerüchte über den Raketeneinschlag in Polen zu streuen, macht aber auch klar: Ohne den Krieg hätte es diesen Vorfall nicht gegeben.
Zudem telefonierte der Kanzler laut Regierungssprecher Hebestreit am Nachmittag mit Präsident Duda, um sein Beileid auszusprechen. "Polen wird die Umstände des Vorfalls genau untersuchen, bei dem gestern Abend zwei Staatsbürger zu Tode gekommen sind", heißt es weiter. Deutschland stehe eng an der Seite des Nato-Partners Polen.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Quelle: dpa, AFP

Themen

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine