Exklusiv

: Wie sich EU-Parlamentarier sponsern ließen

von Florian Neuhann
17.01.2023 | 17:00 Uhr
Der Luxustrip auf die Malediven, die von Russland gezahlte "Wahlbeobachtung": Wie sich EU-Parlamentarier ihre politischen Reisen sponsern ließen.
Es klingt verlockend: ein Kurztip ins "Ozen Reserve Bolifushi Resort" auf den Malediven, eine abgeschiedene Luxusvilla, Transport mit der Luxus-Yacht. Hier wird, so die Eigenwerbung, "jeder Traum und jeder Wunsch Wirklichkeit".
Der tschechische Europa-Abgeordnete Tomáš  Zdechovský (Mitglied der konservativen EVP-Fraktion) konnte sich im Februar 2021 selbst davon überzeugen. Für drei Nächte logierte er in dem Resort. Und ließ sich den Trip in seiner Eigenschaft als EU-Abgeordneter sponsern. Flug und Übernachtung zahlte das Außenministerium der Malediven.

Bezahlte Reise auf die Malediven? "Habe nichts zu verstecken"

Das geht aus der Erklärung hervor, die Tomáš Zdechovský (Vorsitzender der "Malediven-Freundschaftsgruppe" des EU-Parlaments) selbst machte - Europaparlamentarier sind verpflichtet, bezahlte Reisen offenzulegen. Gegenüber ZDFheute verteidigt Zdechovsky seine Reise: Er habe nichts zu verstecken.
Gesponserte Besuche sind ein etabliertes Mittel der internationalen Diplomatie.
Tomáš Zdechovský, EU-Parlamentarier (EVP)
Was mindestens umstritten sein dürfte. ZDFheute liegt eine Auswertung aller gesponserten Reisen in dieser Legislaturperiode des EU-Parlaments vor. Mindestens 226 Reisen wurden demnach seit 2019 von dritter Stelle bezahlt. Ein Großteil dürfte zwar unproblematisch sein: Wenn Abgeordnete etwa zu Vorträgen in ein EU-Mitgliedsland reisten.

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Dutzende Reisen bezahlt von problematischen Akteuren

In der Liste aber finden sich zahlreiche diskussionswürdige Einladungen: 55 Reisen wurden von fragwürdigen Drittstaaten oder ihren staatlichen Unternehmen bezahlt - von Aserbaidschan über Bahrain, von Katar über Syrien bis nach Russland. Es sind Reisen, die nach dem Skandal um die mittlerweile inhaftierte Ex-Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, erst recht fragwürdig erscheinen. Nur vier Beispiele:
  • Der deutsche AfD-Abgeordnete Gunnar Beck ließ sich im Oktober 2021 eine Reise nach Moskau vom russischen Parlament bezahlen. Zweck: Wahlbeobachtung. Doch wie neutral kann eine von Russland finanzierte Wahlbeobachtung sein? Auf Nachfrage des ZDF rechtfertigt sich Beck: "Ich nahm die Einladung der Duma an, weil ich meine, Wahlbeobachtungen sind wichtig, gerade in Russland." Selbstverständlich halte er eine unabhängige Wahlbeobachtung trotz des Sponsorings für "denkbar".
  • Der spanische Abgeordnete José Ramón Bauzá (liberale Renew-Fraktion) ließ sich im Februar 2020 die Reise zu einem Luftfahrt-Kongress in Doha von Qatar Airways sponsern. Pikant: Bauzá ist Koordinator für Verkehrspolitik seiner Fraktion. Eine ZDFheute-Anfrage dazu ließ er unbeantwortet.   
  • Auch der rumänische EVP-Abgeordnete Traian Băsescu reiste im Dezember 2019 auf Kosten des Gastgebers nach Doha. Auch er antwortete auf eine Anfrage von ZDFheute nicht.
  • Die französische Abgeordnete des rechtsextremen RN, Virginie Joron, flog im November 2021 nach Bahrain, ließ sich Flug und Hotel bezahlen. Auch von ihr keine Antwort auf Fragen des ZDF.

"Abgeordnete stehen in der Schuld ihres Gastgebers"

Juristisch sind solche gesponserten Reisen zulässig, betont Parteienrechtlerin Prof. Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf. Einen direkten Einfluss auf das Abstimmungsverhalten könne man schließlich kaum nachweisen.
Politisch hingegen sind solche Reisen sehr problematisch.
Prof. Sophie Schönberger, Parteirechtlerin Uni Düsseldorf
Das meint auch Michiel van Hulten, Direktor des EU-Büros von "Transparency International": "Es besteht das Risiko, dass Abgeordnete in der Schuld ihres Gastgebers stehen - und dass sie diese Schuld mit politischen Gefälligkeiten zurückzahlen."

Gesponserte Reisen von Abgeordneten verbieten?

Die Anti-Korruptions-NGO fordert daher, von Dritten gesponserten Reisen zu verbieten. Ein Reformvorschlag von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) sieht bisher lediglich vor, die Pflichten zur Transparenz zu erhöhen.
Ein Verbot, sagt Parteienrechtlerin Schönberger, sei rechtlich allerdings auch schwierig umzusetzen: "Dann käme man schnell in den Bereich der freien Mandatsausübung". Grundsätzlich falle es in die Freiheit jedes Abgeordneten, "politisch unklug oder anrüchig zu handeln".

Jeder EU-Abgeodnete hat Budget für politische Reisen

Wobei sich allerdings die Frage stellt, ob EU-Parlamentarier nicht ausreichend Geld für Reisen zur Verfügung steht. Zusätzlich zur Diät haben Abgeordnete dazu einen eigenen Topf, in diesem Jahr sind es 4.716 Euro.
Für die Luxus-Reise in die Malediven hätte das freilich nicht gereicht.
Florian Neuhann ist Korrespondent im ZDF-Studio in Brüssel.

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